
Verein
10.01.23
Tim Walter trauert um Rainer Ulrich
HSV-Trainer ist bestürzt und schreibt einen offenen Brief, nachdem sein langjähriger Begleiter plötzlich verstarb.
Tim Walter war sichtlich und hörbar mitgenommen, als die Nachricht ihn gestern aus Karlsruhe erreichte. Der frühere Bundesliga-Profi Rainer Ulrich ist tot. Der langjährige Spieler, Co- und Cheftrainer des Karlsruher SC starb im Alter von 73 Jahren an einem Herzinfarkt. Für HSV-Coach Walter verabschiedete sich damit ein langjähriger Wegbegleiter und enger Freund aus dem Leben, mit dem Walter weitaus mehr verbindet als Fußball.
Tim Walter: „Der Rainer war und ist wie ein Teil meiner Familie. Ich habe ihn beim KSC kennengelernt, damals war ich selbst noch Jugendspieler und habe in der Nachwuchsrunde mitgemacht, wo er uns dann bei einer Partie in Zürich gecoacht hat. Von diesem Zeitpunkt an sind wir uns immer wieder begegnet, haben uns ausgetauscht und kennengelernt. Als ich dann später als U17-Trainer zum FC Bayern ging, war der Rainer schon da. Wir hatten immer eine Verbindung. Und als ich zwei Jahre später U23-Trainer bei den Bayern wurde, war er mein Co-Trainer.
Die Zusammenarbeit mit ihm war besonders. Und zwischen uns war längst eine Freundschaft entstanden. Diese wurde noch intensiver, als ich dann später Trainer bei Holstein Kiel wurde. Der Rainer war natürlich auch dabei. Wir haben jeden Tag miteinander verbracht, von morgens bis abends. Unsere Familien waren ja im Süden geblieben. So haben wir morgens miteinander gefrühstückt, dann trainiert, gearbeitet, sind abends Schlafen gegangen und haben uns am nächsten Morgen für den gleichen Ablauf wieder getroffen. Gelegentlich sind wir dann noch zusammen heimgefahren zu unseren Familien.
Bei dieser intensiven Zusammenarbeit, die wir dann auch in Stuttgart fortgesetzt haben, muss es auch menschlich passen. Und das war bei uns immer der Fall. Er war für mich nicht nur ein hervorragender Co-Trainer, sondern auch ein wertvoller Ratgeber, eine Respektsperson, ein Mensch mit trockenem Humor und Feingefühl. Der Rainer war kein Plauderer. Er musste auch mit mir nicht viel reden, wir haben uns trotzdem verstanden. Selbst wenn wir beide schwiegen und nur Blicke oder Gesten austauschten, wussten wir, was es bedeutet. Die Kommunikation hat bei uns super funktioniert.
Der Rainer hatte immer so eine innere Ruhe. Er ist nie in Hektik verfallen. Wenn ich losgegangen bin wie ein Vulkan, hat er mich beruhigt. Und ich wusste: Wenn Rainer an meinem Ärmel zupft, musste ich mich runterfahren. Dann war es zu viel. Seine Ratschläge waren für mich maßgeblich, ich habe sie immer befolgt.
Umso schlimmer ist es, dass Rainer jetzt gestorben ist. Das tut weh. Er, der immer den Menschen in den Vordergrund gestellt hat und nicht nur das Spiel, wird mir sehr fehlen. Ich werde weiterhin versuchen, das Menschliche und Zwischenmenschliche, was er stets in den Mittelpunkt gerückt hat, mitzunehmen und selbst weiterzugeben.
Ich kann mir gar nicht erklären, warum gerade er einen Herzinfarkt erlitten hat. Rainer, der so fit war. Der schon immer fit war. Früher ist er immer gelaufen. Später dann, als er Knieprobleme hatte, ist er mit seiner Plastiktüte auf dem Gepäckträger so viel geradelt: zum Training, durch den Forst, ins Café. Dass ausgerechnet er plötzlich Herzprobleme bekommen würde, hätte ich nie gedacht.
Vor Weihnachten haben wir uns noch in unserem Stamm-Café getroffen. Dann war er bei seinem Sohn und seiner Frau in Karlsruhe, und ich war im Familienurlaub. Jetzt, nach den ersten Trainingseinheiten im neuen Jahr, wollte ich ihm mal schreiben. Und dann ruft mich plötzlich Zafer, der Chef unseres Lieblingscafés in München an, und sagt, dass der Rainer an einem Herzinfarkt gestorben sei.
Ich bin traurig. Ich hätte mich gerne noch mit ihm getroffen, unterhalten, gelacht und ihm gesagt, dass er für mich einer der tollsten und besondersten Menschen in meinem Leben war und ist. Er war für mich wie ein Papa. Und ich werde ihn sehr vermissen und die schönen Erinnerungen an unsere gemeinsamen Zeiten in Ehren halten. Ruhe in Frieden, lieber Rainer.“