Interview
01.07.22
Sonny Kittel: „Letztendlich gut, dass es so gelaufen ist“
Sonny Kittel hat spannende Wochen hinter sich. Im HSV.de-Interview spricht der Rothosen-Zehner über seinen nicht zustande gekommenen USA-Wechsel, das besondere Wir-Gefühl beim HSV und die offensive Herangehensweise in Bezug auf die kommende Saison.
Es sind bewegte Wochen, die Sonny Kittel hinter sich hat. Nach dem enttäuschenden Saisonende mit der verlorenen Relegation gegen Hertha BSC (1:0, 0:2) beschäftigte sich der 29-Jährige, der beim HSV noch bis Sommer 2023 unter Vertrag steht, mit einem Wechsel in die USA, der im Endeffekt aus verschiedenen Gründen nicht zustande kam. Danach war klar: Sonny bleibt – und will in seinem vierten Zweitliga-Jahr (seit Juli 2019 beim HSV) mit den Rothosen endlich den ganz großen Wurf schaffen. Im bald endenden Trainingslager in der Steiermark legt Kittel gemeinsam mit den Teamkollegen die Basis dafür, der heutige Test gegen Aris Thessaloniki (Anstoß: 17.30 Uhr, ab 17.20 Uhr live und kostenfrei bei HSVtv und YouTube) bildet den Abschluss einer intensiven Woche. Über seine emotionale Zeit nach dem Saisonende, den besonderen Teamspirit beim HSV und die ambitionierten Ziele für die kommende Spielzeit sprach Sonny Kittel im ausführlichen HSV.de-Interview. Darüber hinaus erklärt der Mittelfeldspieler, der in 104 Rothosen-Pflichtspielen an 63 Toren (30 Treffer, 33 Assists) direkt beteligt war, warum er sich mit dem überraschenden Verbleib beim HSV sehr schnell anfreunden konnte und wie der nächste Schritt für ihn persönlich und das Team gelingen kann.
Sonny, nach dem Saisonende hast du dich mit einem Wechsel in die USA beschäftigt. Wie kam die Idee nach einer sportlichen Veränderung zustande?
Die Phase direkt nach dem Relegationsrückspiel war sehr enttäuschend und emotional, weil wir so kurz davorstanden, das große Ziel zu erreichen. Alles hat an dem Tag gepasst: Meine Tochter hatte Geburtstag, wir hatten ein gutes Hinspiel-Ergebnis und das Volksparkstadion war ausverkauft. Umso brutaler war der Moment, als ich realisiert habe, dass wir es nicht geschafft haben. Ich bin generell mein größter Kritiker und war auch von mir selbst enttäuscht. Wie in jeder Transferperiode sitzt man dann mit seinem Berater zusammen und bespricht den weiteren Karriereweg. Jetzt gab es eine Konstellation, die für mich einfach interessant war, obwohl ich mich beim HSV sehr wohl fühle. Das Angebot aus den USA war aber sehr gut, deswegen kamen dann die Gedanken auf. Wegen meiner Verletzungshistorie und bei nur noch einem Jahr Vertragslaufzeit wäre es dumm und naiv gewesen, wenn ich mich nicht damit beschäftigt hätte.
Warum wurde der Transfer in die USA im Endeffekt nicht vollzogen?
Vorab erstmal: Den HSV möglicherweise zu verlassen, ist mir ohnehin sehr schwer gefallen. Letztendlich ist es gut, dass es so gelaufen ist und ich bin froh, dass ich weiter hier bin. Der Medizincheck war auf jeden Fall nicht das Thema, denn meine Vorgeschichte wurde von meinem Berater sehr rechtzeitig kommuniziert und war bekannt. In den vergangenen fünf Jahren habe ich fast keine Spiele verpasst, zumal nicht wegen meiner Knie. Am Ende gab es darüber hinaus einfach zu viele Probleme, alles hat sich gezogen, beide Seiten waren nicht mehr wirklich von dem Transfer überzeugt. Es sollte einfach nicht sein, womit ich mich dann auch gut arrangieren konnte, weil mein Herz auch in Hamburg und beim HSV ist. Meine Mitspieler sind für mich wie Brüder.
Wie hat es sich dann für dich angefühlt, als du dein erstes Training nach deinem überraschenden Verbleib absolviert hast?
Das Komischste war, als ich in die Kabine gekommen bin. Einige Tage vorher dachte ich noch, dass ich nur noch einmal zurückkomme, um meine Sachen abzuholen, plötzlich war ich wieder mittendrin. Bei allen Jungs habe ich aber sofort die Freude im Gesicht gesehen – und so war es bei mir auch. Es war einfach schön, sofort wieder ein Teil der Mannschaft zu sein.
Wie sehr hast du dich über den Zuspruch der sportlich Verantwortlichen gefreut?
Dafür bin ich dankbar, es hat mich gefreut das zu hören. Ich weiß aber gleichermaßen auch, dass es dabei immer um den Umgang geht und da haben wir einfach ein gutes Zusammenspiel. Ich war in den Gesprächen mit Tim Walter und Jonas Boldt immer offen und ehrlich – und die beiden waren es auch.
Ist dein Antrieb, es nach drei missglückten Anläufen endlich in die Bundesliga zu schaffen, jetzt noch größer?
Der ist auf jeden Fall nach wie vor enorm. Wir waren in der vergangenen Saison ganz nah dran, trotz des Dämpfers haben wir Blut geleckt. Wir haben gespürt, was für eine Atmosphäre in Hamburg herrscht, wenn wir performen. Jeder Spieler ist richtig heiß darauf, es endlich mal zu vollenden.
Auch die Clubführung hat das Ziel Aufstieg klar kommuniziert. Gefällt dir diese offensive Herangehensweise?
Auf jeden Fall. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir wahrscheinlich wieder die jüngste Mannschaft der 2. Bundesliga haben werden. Das spricht aber auch für viel Potenzial. Und einige erfahrene Spieler haben wir auch dabei. Ganz entscheidend ist aus meiner Sicht, dass wir mit dem gleichen Trainerteam und einem nur minimal veränderten Kader an den Start gehen. Nur so kann auch blindes Verständnis entstehen. Auf diese Kleinigkeiten kommt es in der umkämpften Liga an, das hat auch die Vergangenheit gezeigt. Wir wollen da weitermachen, wo wir am Ende der vergangenen Saison aufgehört haben.
In der angesprochenen Spielzeit hast du halblinks auf der Acht und auf der linken Außenbahn gespielt. Welche Position passt besser zu deinen Stärken?
Das ist für mich wirklich zweitrangig. Ich fühle mich auf beiden Positionen gut, letztendlich muss der Trainer entscheiden, wo ich der Mannschaft am meisten helfen kann. Dass Tim Leibold jetzt wieder dabei ist, gefällt mir auf jeden Fall, mit ihm spiele ich ja bekanntermaßen sehr gern zusammen. Im Test gegen Hajduk Split hat es schon ganz gut funktioniert, jetzt müssen wir noch an den Abläufen arbeiten.
Mit 25 Scorerpunkten hast du 2021/22 deine statistisch beste Saison beim HSV gespielt. Inwiefern kannst du dennoch besser werden?
Man kann immer und in allen Bereichen besser werden. Jeder, der mich kennt, weiß, dass es in mir drin ist, immer besser zu werden. Dafür arbeite ich täglich. 25 Scorerpunkte sind sehr ordentlich, aber es geht noch mehr, das weiß ich.
Die Grundlage dafür wird in diesem Sommer in der Steiermark gelegt. Ist die Trainingslager-Zeit für dich als erfahrenen Profi schon business as usual oder immer noch was Besonderes?
Es ist immer eine schöne Zeit, weil man mal für eine Woche aus den gewohnten Abläufen rauskommt. Man verbringt viel Zeit miteinander, trainiert hart und lacht dennoch viel. Gerade hier in Österreich ist das Wetter auch echt gut, unser Teamhotel und die Sportplätze sind ebenfalls super.
Abschließend: An welchen Stellschrauben müssen wir in den kommenden Tagen und Wochen noch drehen, um in der nächsten Saison noch besser abzuschneiden?
Wir hatten – gerade in der Hinrunde – einige Spiele dabei, die wir nur unentschieden gespielt haben, obwohl wir ganz klar überlegen waren. Deswegen müssen wir in der neuen Saison vom 1. Spieltag an voll bei der Sache sein, weil es am Ende der Saison in der 2. Liga immer um ganz wenige Punkte Unterschied geht. Jedes Spiel zählt. Mit diesem Bewusstsein gehen wir es an und wollen es endlich packen.