Interview
03.07.24
Poreba: „Ich will zeigen, was noch alles in mir steckt“
Im HSV.de-Interview spricht Mittelfeldspieler Lukasz Poreba über den Start in sein zweites HSV-Jahr, seine kontrollierte Spielweise auf dem Platz, prägende Momente seiner noch jungen Laufbahn und eine Vergangenheit als torgefährlicher Flügelspieler.
HSV.de: Lukasz, Tag 3 der Vorbereitung auf die neue Saison läuft: Wie fühlt es sich an, zurück auf dem Platz zu sein?
Lukasz Poreba: Ich bin froh, dass es wieder losgeht. Wir hatten eine lange Pause und sind jetzt alle motiviert, wieder an die Arbeit zu gehen. Wir haben einige Trainingseinheiten auf dem Plan. Es ist anstrengend, doch das ist völlig okay. Wir werden das ganze Training benötigen, um bestmöglich auf die neue Saison vorbereitet zu sein.
Unmittelbar nach dem Saisonende hat dich der HSV vom RC Lens fest verpflichtet. Wie glücklich bist du, dass es nach der Leihe in eine gemeinsame Zukunft geht?
Ich bin sehr glücklich darüber. Ich habe in der vergangenen Saison alles versucht, um diesen Vertrag zu erhalten. Das Spieljahr war nicht einfach für mich, vor allem die erste Saisonhälfte, als ich mit Verletzungen zu kämpfen hatte und wenig Spielzeit bekommen habe. In der Rückrunde lief es dann deutlich besser. Ich habe unterm Strich aber noch nicht alles von dem zeigen können, was in mir steckt. Das habe ich mir fest für die kommende Saison vorgenommen.
Im letzten Jahr bist du als Leihspieler sehr spät in der Vorbereitung zum Team gestoßen. Inwieweit fühlt sich die Situation dieses Mal anders an?
Es ist dieses Mal viel einfacher für mich, da ich die Trainer, Mitspieler und den Staff viel besser kenne. Und auch sie haben ein Gefühl dafür bekommen, was ich für ein Typ bin. Das führt dazu, dass ich mich insgesamt viel wohler fühle. Generell ist es immer schwierig, seinen Platz in einem neuen Team und Club zu finden, wenn man in kurzer Zeit mehrere Stationen durchlaufen hat, wie es bei mir der Fall war.
Eine wichtige Rolle spielt hierbei auch immer die Sprache. Wie steht es um dein Deutsch?
Ich verstehe schon recht viel, etwa 50 bis 60 Prozent des Gesagten. Jetzt werde ich mehr und mehr sicherer, auch selbst zu sprechen. Generell habe ich mir für dieses Jahr vorgenommen, mehr Energie in die Sprache zu stecken. Für mich ist das ein sehr wichtiger Aspekt für die Integration, da ansonsten immer eine Barriere bleibt.
Auf dem Platz lässt du dein Spiel für dich sprechen. Und dieses wusste bisher vor allem durch Klarheit und Kontrolle zu überzeugen. Trotz deines noch jungen Alters erweckst du den Eindruck, ein besonders ruhiger und abgeklärter Spieler zu sein. Woher schürt diese Spielweise?
Ich habe mit dem Eintritt in den Herrenbereich meinen Spielstil etwas angepasst. Als junger Spieler habe ich noch anders, sicherlich etwas wilder gespielt. Ich bin diesbezüglich erwachsener geworden. Ich versuche, einfach zu spielen, viel mit zwei Kontakten zu lösen und meine Position im Mittelfeld zu halten. Ich kann meine Emotionen so gut kontrollieren, weil ich während eines Spiels maximal fokussiert bin. Das ist mein Job. Egal ob ich ein Tor schieße, ein Tackling setze oder einen Fehlpass spiele – ich versuche, emotional in der eigenen Mitte zu bleiben. Und an diesem mentalen Mindset arbeite ich auch stetig.
Was muss denn passieren, damit du mal aus der Haut fährst?
Auf dem Platz mag ich ein ruhiger Spieler sein, aber abseits davon bin ich ein ganz anderer Typ. (lacht) Wer mich kennt, der weiß, dass ich ein wirklich verrückter Kerl sein kann, der auch mal ein paar Flausen im Kopf hat. Die Sprache ist diesbezüglich häufig noch eine Barriere, um mehr von dieser Art zu zeigen, aber in mir steckt sehr viel Energie.
Wo und wie macht sich diese Energie noch bemerkbar?
Generell bei Wettkämpfen. Ich bin ein Typ, der immer gewinnen will. Meine Freunde, mein kleiner Bruder und meine Freundin können ein Lied davon singen. Es ist dabei völlig egal, um welche Art von Spiel es sich handelt, ich bin sehr ehrgeizig unterwegs.
Du bist erst 24 Jahre alt und hast schon in drei verschiedenen Ländern und Ligen gespielt. Wenn du auf deine noch junge Karriere zurückblickst: Wo lagen die Schlüsselmomente, um zu dem genannten Spieler zu werden, der du heute bist?
Bei meinem Ausbildungsverein Zagłębie Lubin habe ich die Chance erhalten, in jungen Jahren in der ersten Liga meine Einsätze zu sammeln und zum Stammspieler zu reifen. Währenddessen habe ich den Sprung in die U21-Nationalmannschaft geschafft. Das waren jeweils Meilensteine. Dann kam mit 22 Jahren der Wechsel nach Frankreich. Hier warteten viele Unterschiede im Vergleich zu meiner polnischen Heimat auf mich. Ich hatte mit Przemyslaw Frankowski und Adam Buksa zwar zwei Landsmänner an meiner Seite, die mir geholfen haben, aber auch damals ging es darum, die Sprache zu lernen und sich auf dem Platz zu behaupten. Und letztlich habe ich auch hier in Deutschland und beim HSV schon einen Schlüsselmoment erlebt. Ich habe trotz der erwähnten Widerstände meine Fähigkeiten unter Beweis gestellt und mich hier durchgesetzt.
Wie hast du den HSV als Ganzes dabei in deinem ersten Jahr wahrgenommen?
Ganz ehrlich, ich habe schon in jungen Jahren gelernt, dass der HSV ein ganz, ganz großer Club in Deutschland ist, doch eine solche Strahlkraft hat mich dann doch etwas überrascht. Die Standards sind in allen Bereichen auf höchstem Level. Für einen Club mit solch einer Erwartungshaltung zu spielen und dabei auf Gegner zu treffen, die gegen dich immer 200 Prozent geben, ist eine sehr lehrreiche Erfahrung, die mich extrem weiterbringt. Natürlich muss man auch lernen, mit solch einem Druck umzugehen, aber es ist ein besonderes Gefühl, dies regelmäßig mit der Unterstützung von mehr als 50.000 Zuschauern im Rücken zu tun.
Und dabei auch Tore zu schießen, wie es dir in der Rückrunde gelungen ist. Du bist eigentlich ein gelernter Sechser, wurdest zum Ende der abgelaufenen Saison aber gehäuft als Achter eingesetzt. Wie siehst du diese erweiterte Rolle?
In den vergangenen Jahren habe ich meist als klassischer Sechser, auf der Doppelsechs oder als tiefer Achter agiert. Der Coach hat mich nun etwas offensiver eingesetzt und ich habe gezeigt, dass ich aus dieser Situation heraus Tore schießen und Chancen kreieren kann. Für mich ist die Achter-Position aktuell noch etwas anspruchsvoller, doch mit jedem Spiel und jedem Training werde ich sicherer. Am Ende möchte ich so viel wie möglich auf dem Platz stehen und natürlich dabei helfen, unser großes Ziel zu erreichen.
Abschließend: Warst du denn schon immer ein Abräumer, oder wo hast du beispielsweise als Kind oder in der Jugend gespielt?
Als Kind war ich tatsächlich Rechtsaußen. Ich habe auf der Außenbahn ohne Ende gedribbelt und anschließend eine Menge Tore erzielt. "Dribbeln und Schießen", lautete damals beim Fünf-gegen-fünf das Motto. In der Jugend und zu Beginn meiner Profi-Karriere bin ich dann ins Mittelfeld gerückt, habe dort im Zentrum eigentlich alle Positionen bekleidet. Nur mit den Dribblings ist es seither vorbei. (lacht)