DFB-Pokal
14.08.24
Pokal-Premiere: Von Hamburg bis nach Meppen
Der Hamburger SV trifft am Sonntag in der 1. Hauptrunde des DFB-Pokals erstmals in einem Pflichtspiel auf den SV Meppen. Ein überraschendes Novum, hält der Traditionsclub aus dem Emsland doch so viel Fußball-Geschichte bereit …
„Von hier bis nach Meppen“ – gesagt hat das vor allem im norddeutschen Raum wohl jeder schon einmal. Doch wo kommt diese Redewendung eigentlich her? Richtig, aus der bunten, weiten Welt des runden Leders. „Ich spiel doch nicht in Meppen“, bzw. je nach Überlieferung „Ich fahre doch nicht von hier nach Meppen“, lautet eines der skurrilsten Zitate im deutschen Fußball. Gesagt hat´s Toni Schumacher im Jahr 1988 als Torwart von Schalke 04 angesichts des drohenden Abstiegs in die Zweitklassigkeit. Die 2. Liga und der Standort Meppen, ein 35.000-Einwohner-Städtchen im Emsland Nahe der niederländischen Grenze, passte einfach nicht in „Tünns“ Kopf. Am Ende hielt der Nationaltorhüter sein Wort. Schalke 04 stieg zwar ab, doch Schumacher reiste nicht in die niedersächsische Provinz, sondern wechselte in die Türkei zu Fenerbahce Istanbul. Die Meppener reagierten auf seinen taktlosen Spruch zunächst mit Verärgerung und wussten ihn dann wie so oft in ihrer Clubgeschichte mit Humor zu nehmen. Die ortsansässige Spedition Többe parkte kurzerhand einen LKW vor „Tünns“ Haus in Hürth. Den Laster zierten die markanten Worte: „Das Fußballerlebnis SV Meppen – 2. Bundesliga“. Geblieben ist eine Redewendung für die Ewigkeit.
Maradona, Zweitliga-Sensation und Pokalkracher
36 Jahre nach dessen Ursprung reist nun der Hamburger SV ins rund 200 Kilometer Luftlinie entfernte Meppen und trifft am Sonntag im Rahmen der 1. Hauptrunde des DFB-Pokals 2024/25 auf den Traditionsclub aus dem Emsland. Die Rothosen sind dabei in der berühmt-berüchtigten Hänsch-Arena zu Gast. Im Jahr 1924 als „Meppener Sportplatz“ erstmals bespielt, ist die 2017 letztmals renovierte Spielstätte nur unwesentlich jünger als der zwölf Jahre zuvor als „Sportverein Meppen 1912 e. V.“ gegründete Club selbst.
In der heute rund 13.000 Zuschauer fassenden Arena spielten sich im vergangenen Jahrhundert schon einige Höhepunkte ab. Nur eine kleine Auswahl: Im Jahr 1982 kam der FC Barcelona anlässlich des 70. Jubiläums des SV nach Meppen. Mit dabei war kein geringerer als Diego Maradona, der auf dem Meppener Rasen sogar sein Debüt für die Katalanen feierte und sein erstes Tor in Europa schoss. Ende der 80er-Jahre waren es dann die Meppener selbst, die ein deutsches Fußballmärchen schrieben, indem sie mit zahlreichen gebürtigen Emsländern sensationell in die 2. Liga aufstiegen und sich dort unter anderem mit Kulttrainer Horst Ehrmantraut von 1987 bis 1998 mehr als ein Jahrzehnt lang hielten. Dreimal zogen die Niedersachsen in dieser Zeit auch bis ins DFB-Pokal-Achtelfinale ein. Anschließend verschwand der SVM mit Ausnahme eines Drittrunden-Pokalspiels gegen den FC Bayern München (1:4) in der Saison 1999/00 über fast 20 Jahre in den Niederungen des deutschen Fußballs. Erst im Jahr 2017 gelang über die Drittliga-Relegation gegen den SV Waldhof Mannheim (0:0, 0:0) nach einem epischen Elfmeterschießen (4:3) die viel bejubelte Rückkehr in den Profi-Fußball.
„HSV-Premiere“ in Meppen
Und der HSV? Der hat mit dem SV Meppen, der seit der Vorsaison wieder in der viertklassigen Regionalliga Nord an den Start geht, in all den 100 Jahren eigentlich kaum Berührungspunkte aufzuweisen. Klar, es gab Testspiele, wenn auch nicht in der Fülle wie mit anderen Nordclubs, darunter letztmals ein Aufeinandertreffen im Zuge der Sommervorbereitung 2018 (2:1 für den HSV). Und doch sind sich die Farben nicht ganz so fremd, weil sich die U21 des HSV in der Vergangenheit sehr wohl häufiger mit den Meppenern duellierte. 18 Partien weist etwa transfermarkt.de allein seit 1999 zwischen dem SVM und HSV II auf. Mit zehn Siegen, vier Remis und vier Niederlagen liest sich die Bilanz aus Meppener Sicht positiv.
Doch das alles ist Statistikkrämerei, tritt der HSV am Sonntag schließlich erstmals mit seiner Profi-Mannschaft in einem Pflichtspiel gegen Meppen an. Und dieses Team ist mit vier Punkten aus den ersten beiden Ligaspielen in Köln (2:1) und gegen Berlin (1:1) gut in die laufende Zweitliga-Saison gestartet. Gleichwohl wissen Coach Steffen Baumgart und seine Mannen, dass sie in der Häntsch-Arena einen Hexenkessel erwarten können. Die rund 13.000 Karten für das Pokalspiel waren innerhalb von 48 Stunden vergriffen. Die Emsländer, die sich erst zum dritten Mal überhaupt nach dem Pokalkracher 1999 gegen den FC Bayern wieder für den DFB-Pokal qualifiziert haben, lechzen nach einer Sensation. In der Saison 2021/22 gegen Hertha BSC (0:1) sowie 2015/16 gegen den 1. FC Köln (0:4) blieb diese aus.
Kurios: Bei dem letztgenannten Spiel gegen die Domstädter hatte dann auch ein gewisser Toni Schumacher doch noch den Weg nach Meppen gefunden. Als Präsident des Effzeh war die Torwartikone 27 Jahre nach seiner kontroversen Aussage ins Emsland gereist und traf dort auch auf Spediteur, Fan und Sponsor Hans Többe. Also jenem Mann, der ihm einst medienträchtig den LKW vor die Tür gestellt hatte, und dieses Mal ein Paar Gummistiefel als Präsent bereithielt. „Zieht den Meppenern die Gummistiefel aus!“, hatten die gegnerischen Fans einst gesungen, als der SV Meppen Ende der 80er-Jahre bundesweit auf sich aufmerksam machte und auch diesen Gesang eher stolz als wütend aufnahm. Humor, Kult und Tradition – all das haben sie beim SV. Und zwar von hier bis nach Meppen.