Interview
10.08.23
Heyer: „Das macht den Pokal so einzigartig“
Im HSV.de-Interview spricht Defensivallrounder Moritz Heyer über seine bisherigen Pokalerfahrungen, das bevorstehende Erstrundenduell bei Rot-Weiss Essen und die Atmosphäre an der Hafenstraße.
13-mal stand Moritz Heyer im Rahmen eines DFB-Pokalspiels auf dem Platz, neunmal verließ er als Sieger den Platz und viermal ging es dabei für ihn über das Elfmeterschießen in die nächste Runde. Keine Frage, der Defensivallrounder des HSV hat in den vergangenen Jahren so seine Erfahrungen in diesem Wettbewerb gesammelt und kennt die so vielfach zitierten eigenen Gesetze des Pokals in- und auswendig. Der 28-Jährige agierte dabei sowohl in der Underdog- als auch in der Favoritenrolle: In der Saison 2016/17 schaltete er mit dem damaligen Drittligisten Sportfreunde Lotte die Erst- und Zweitligisten Werder Bremen (2:1), Bayer 04 Leverkusen (6:5 n.E.) und TSV 1860 München (2:0) aus, ehe im Viertelfinale gegen Borussia Dortmund (0:3) Schluss war. In der Pokalsaison 2021/22 erreichte er mit dem HSV als Zweitligist das Halbfinale (1:3 gegen den SC Freiburg), als auf dem Weg dorthin sowohl unterklassige Teams wie Eintracht Braunschweig (1. Runde 2:1) als auch favorisierte Mannschaften wie der 1. FC Köln (Achtelfinale, 5:4 n.E.) eliminiert wurden. Am Sonntag wartet auf Heyer und Co. im Rahmen der 1. Hauptrunde des DFB-Pokals 2023/24 wie in der Vorsaison (SpVgg Bayreuth, 3:1 n.V.) mit Rot-Weiss Essen nun ein Drittligist. Im HSV.de-Interview spricht der Defensivallrounder unter anderem über dieses Duell und seine bisherigen Pokalerfahrungen.
HSV.de: „Mo“, am Sonntag ist Pokalzeit: Was kommt dir als erstes in den Sinn, wenn du an den DFB-Pokal denkst?
Moritz Heyer: Der besondere Reiz dieses Wettbewerbs. Es macht einfach unfassbar Spaß, im Pokal zu spielen. Es ist eine Abwechslung vom Ligalltag, bei der man gegen andere Teams und in anderen Stadien spielt. Außerdem bin ich irgendwo mit dem DFB-Pokal auch als Kind groß geworden. Ich habe die Finalspiele im Radio oder im TV verfolgt und auf dem Weg dorthin natürlich auch mitbekommen, dass in diesem Wettbewerb auch mal der Underdog die großen Teams ärgern kann. Das macht den Pokal so einzigartig.
Worauf kommt es im DFB-Pokal grundsätzlich an?
Das Wichtigste ist, dass man das Spiel annimmt. Ich war damals das eine oder andere Mal in der Underdog-Rolle und habe dabei relativ häufig gewonnen. Für die höherspielende Mannschaft ist der gewisse Druck da, gewinnen zu müssen. Die unterklassige Mannschaft kämpft wiederum um jeden Meter und wirft sich in jeden Schuss rein. Deshalb ist es wichtig, dass man genauso akribisch in die Zweikämpfe geht wie der Gegner.
Du kennst in Pokalspielen sowohl die Rolle als Underdog als auch als Favorit. Lässt es sich aus einer der beiden Positionen heraus eigentlich leichter aufspielen?
Als Underdog hast du keinen Druck, nichts zu verlieren und spielst vielleicht ein Stück weit befreiter auf. Ich agiere dennoch lieber in der Rolle des Favoriten. Wir haben jetzt im Duell der 1. Runde von der Qualität her eine Mannschaft, die Essen schlagen sollte und auch muss. Ich spiele als Fußballer also lieber mit dem HSV dieses Spiel.
„Das Pokalfinale ist ein Kindheitstraum.“
Du hast zwei Pokalsaisons erlebt, bei denen die Reise sehr weit ging: 2017 mit Lotte bis ins Viertelfinale, 2022 mit dem HSV sogar bis ins Halbfinale. Wie denkst du an diese beiden Erlebnisse zurück?
In der Saison 2016/17 mit Lotte hat keiner damit gerechnet, dass wir es überhaupt so weit schaffen. Wir haben viele große Mannschaften geärgert und aus dem Wettbewerb gekegelt. Zurückblickend kann man gar nicht erklären, wie das passieren konnte. Wir haben einfach im Moment gelebt und total an uns geglaubt. Wir haben gewusst, dass wir diese Spiele gewinnen werden und sind dementsprechend so aufgetreten. Dieses Mindset hatten wir auch in der Pokalsaion 2021/22 mit dem HSV, wo wir uns über viele dramatische Spiele bis ins Halbfinale gekämpft haben. Das war krass für einen Zweitligisten. Im Pokal kommt es viel auf den Glauben an. Den hatten beide Mannschaften.
Hast du rückblickend über das Aus mit dem HSV damals etwas länger gegrübelt als über das Ende des Pokal-Märchens mit Lotte?
Ja. Mit Lotte im Viertelfinale auch noch Borussia Dortmund auszuschalten, wäre sicherlich etwas zu viel des Guten gewesen. Mit dem HSV war es 2022 eine andere Nummer: Das Pokalfinale ist ein Kindheitstraum, das wäre für jeden von uns etwas ganz, ganz Besonderes gewesen. Am Ende waren wir nur ein Spiel davon entfernt und dementsprechend war die Enttäuschung nach dem Spiel riesengroß. Nichtsdestotrotz geht es ja weiter. Wir starten jetzt am Wochenende wieder in den Wettbewerb und vielleicht klappt es ja dieses Mal.
Und dort wartet im Rahmen der 1. Hauptrunde Drittligist Rot-Weiss Essen - ein absoluter Traditionsclub, der euch natürlich ein Bein stellen möchte. Worauf wird es ankommen?
Es ist extrem eklig, in Essen zu spielen. Das weiß ich noch aus eigener Erfahrung in der Regionalliga mit Lotte. Natürlich waren das andere Grundvoraussetzungen, aber man hat ein Gefühl für die Stimmung vor Ort bekommen. Wir wollen und müssen alles in die Waagschale werfen, um dort zu bestehen. Sicherlich gehört dazu auch, die eklige Stimmung gar nicht erst aufkommen zu lassen. Wir dürfen Essen nicht in Fahrt kommen lassen, sondern müssen unser Spiel durchdrücken. Dann haben auch die Fans nicht so viel Spaß, wie sie gern hätten.
Das Stadion an der Hafenstraße ist berühmt-berüchtigt. Du bist einer der wenigen Akteure im Kader, die in der von 2011 bis 2013 neu erbauten Spielstätte bereits gespielt haben. Welche Erinnerungen hast du im Detail an die Atmosphäre?
Die Stimmung war extrem. Man spürt, was den Fans dieser Club bedeutet und dementsprechend kann die Stimmung auch mal sehr hitzig werden. Aber ganz ehrlich: Es hat auch großen Spaß gemacht, vor so einer Kulisse zu agieren und daher freue ich mich auch am Sonntag auf das Spiel.
„Wir haben nicht unser bestes Spiel gemacht und wissen, dass wir deutlich besser spielen können. Das wollen wir direkt in Essen wieder zeigen.“
Der Underdog möchte euch ärgern, ihr seid mit einem spektakulären Auftaktsieg gegen Schalke in die Saison gestartet und musstet zuletzt einen ärgerlichen Last-Minute-Ausgleich beim KSC hinnehmen. Mit welchem Gefühl tretet ihr die Reise nach Essen an?
Das Spiel in Karlsruhe ist extrem bitter gewesen. Wenn du ein Gegentor in der letzten Minute fängst, dann brauchst du ein, zwei Tage, um das zu verarbeiten und sprichst innerhalb der Mannschaft noch einmal intensiver darüber. Wir haben nicht unser bestes Spiel gemacht und wissen, dass wir deutlich besser spielen können. Das wollen wir direkt in Essen wieder zeigen und mit einem Sieg in die nächste Runde einziehen.
Abschließend: Du bleibst die Allzweckwaffe in der Defensive, hast die ersten beiden Partien als Linksverteidiger gespielt, obwohl du die letzten zwei Spielzeiten meist als Rechtsverteidiger agiert hast und generell eher ein ausgebildeter Innenverteidiger und Sechser bist. Wie hat es sich angefühlt und wo liegen die größten Unterschiede?
Im Großen und Ganzen ist es vor allem im Spiel mit dem Ball etwas anders, weil du mehr mit links arbeiten musst und als Rechtsfuß doch mehr dazu tendierst, ins Zentrum zu gehen. Gegen den Ball sind die Unterschiede hingegen marginal. Ich mache mir diesbezüglich aber auch gar keinen großen Kopf, dass ich jetzt auf der anderen Seite spiele und deshalb etwas Außergewöhnliches machen müsste. Ohnehin ist unser Spielsystem sehr flexibel, sodass man immer wieder auch in anderen Räumen agiert, was sehr großen Spaß macht. Ich weiß auf jeder Position, was gebraucht wird und versuche die Vorgaben bestmöglich umzusetzen. Dabei ist auch das Trainerteam immer eine große Hilfe, indem es mich bestmöglich einstellt. Gegen Schalke hat es ganz gut geklappt, gegen Karlsruhe hätte es sicherlich noch besser sein können. Aber insgesamt bin ich zufrieden mit dem Start.