
Interview
19.02.20
"Ich wünsche mir einen würdigen Fight!"
Im Interview mit HSV.de spricht HSV-Präsident Marcell Jansen über die Erwartungen an das bevorstehende Derby, seine ganz persönlichen Erinnerungen an das Duell und das bittere Los, das Spiel nur von der Tribüne aus zu verfolgen.
Marcell Jansen hat bei seinen Stationen als Spieler zahlreiche Derbys gespielt. Ein Stadtderby, so sagt er, sei dabei noch einmal etwas ganz Besonderes. In der Saison 2010/11 traf der ehemalige HSV-Profi zweimal auf den Lokalrivalen vom FC St. Pauli. Leider sprang dabei in keiner der beiden Partien ein Sieg heraus. Dies soll sich nun in der Zeit als HSV-Präsident am Sonnabend (22. Februar, ab 12:45 Uhr live im HSVnetradio) ändern. Wie Jansen das Aufeinandertreffen als Vereinsverantwortlicher verfolgt, welche Erinnerungen er an seine Derby-Spiele auf dem Platz hat und welche Szene des Hinspiels noch immer sehr präsent ist, verrät er im Interview mit HSV.de.
Das Stadtderby zwischen dem HSV und dem FC St. Pauli steht vor der Tür. Wie spiegelt es sich in deinem täglichen Leben wider, dass es am kommenden Sonnabend soweit ist? Kribbelt es schon ein bisschen?
Marcell Jansen: Es gibt seit letzter Woche bei mir im Grunde keinen Termin, in dem das Derby nicht angerissen wird. Es ist eine besondere Konstellation, innerhalb einer Stadt ein Derby zu haben. Das spürt man an allen Ecken. Besonders die vielen HSV-Fans und Mitglieder, die ich treffe, sind total heiß auf das Spiel - so wie ich im Übrigen auch.

Wie sind deine eigenen, sportlichen Erinnerungen an die beiden Derbys in der Saison 2010/11?
Die sind noch sehr präsent und emotional. Ergebnistechnisch haben wir im Hinspiel mit einem Traumtor von Mladen Petric ein Unentschieden geholt, das an diesem Tag auch gerecht war, weil beide Mannschaften kein wirklich gutes Spiel gemacht haben, und im Rückspiel im Volksparkstadion haben wir sehr unglücklich 0:1 verloren. Dabei durfte ich leider nur die erste Halbzeit auf dem Platz stehen und musste dann raus, aber ich weiß noch, dass es ein Spiel auf ein Tor war und wir uns nicht für unsere Leistung belohnt haben. Am Ende verlierst du ein Spiel mit 0:1, das du eigentlich mit 4:0 gewinnen musst. Das tat doppelt und dreifach weh.
Diesmal gab im Hinspiel eine bittere 0:2-Niederlage. Hat der HSV noch etwas gutzumachen, so wie Trainer Dieter Hecking es eingangs der Woche formulierte?
Wenn ich aus Sicht des Spielers spreche, der ich ja auch war, kann ich sagen, dass es an mir immer besonders genagt hat, wenn du in einem Spiel 20 Minuten verpennt hast, insgesamt aber ein richtig gutes Spiel gemacht und dich nicht belohnt hast. Dann brennt es in dir zu sagen: ‚Das gilt es jetzt zu korrigieren.‘ Gerade mit unseren Fans im Rücken, gerade im eigenen Stadion mit der super Stimmung ist das sicherlich auch ein Thema in der Kabine. Am Ende sollte es dazu führen, dass man nicht überdreht, denn es ist wichtig einen kühlen Kopf zu behalten, es im Heimspiel aber korrigieren zu wollen.
Aus eigener Erfahrung: Bekommen diejenigen Spieler, die vielleicht erst seit kurzer Zeit beim HSV sind, trotzdem die Besonderheit dieser Partie mit? Ist das in einer Mannschaftskabine Thema? Oder ist es vorwiegend ein Derby der Fans?
Das Gute an unserem HSV ist: Wenn man neu kommt - auch unabhängig vom Derby - und sieht, dass der Club wie in Hannover die Hälfte des ausverkauften Stadions mit eigenen Fans füllt, dazu die Stimmung bei Heimspielen und die Fankultur mitbekommt, dann braucht man keinem Fußballer dieser Welt noch zu erklären, was ein Stadtderby ist. Bei der Energie und Power, die im HSV steckt, sind die neuen Spieler ganz schnell mit auf die Reise genommen. Sie spüren, welche Unterstützung dahintersteckt.

Du hast in deiner Karriere verschiedene Derbys gespielt. Wie ordnest du das Hamburger Derby ein?
Im weitesten Sinne ist es mit einigen anderen vergleichbar, aber hier ist das Derby in einer Stadt. Das legt noch einmal eine Schippe drauf. Trotzdem sollte es immer sportlich bleiben und um Inhalte auf dem Platz gehen. So habe ich im Großteil auch das Hinspiel wahrgenommen.
Was ist deine persönlich liebste Derby-Erinnerung?
Da gehe ich gar nicht zu weit in die Vergangenheit: Es war die Choreo unserer Fans beim Hinspiel in dieser Saison. Das Statement war genauso, wie ich großgeworden bin und warum ich mich hier in Hamburg so wohlfühle. Es ist die Haltung der Hamburger Arbeiterklasse, das Hanseatisch sein, für bestimmte Werte zu stehen und keine hasserfüllten Botschaften in einer Derby-Choreo zu senden, wie schlimm immer alles ist. Ich fand es stark, dass die Choreo unsere Fans das gezeigt hat, womit ich mich am meisten identifizieren kann.
Und wie groß ist der Unterschied, ob du ein Derby als Spieler, Fan oder jetzt als Funktionär erlebst?
In der Funktion als Präsident bin ich noch angespannter, weil ich nicht selber unten auf dem Platz bin und mithelfen kann. Ich bin es eigentlich gewohnt, mitwirken zu können. Mit den 12 HSV-Jahren im Rücken, in denen ich die DNA des Vereins, der fantastischen Fans und der Stadt mit aufgesogen habe, bin ich sehr angespannt und positiv heiß.
Du bist in deiner Funktion als Präsident auch viel in anderen Sportarten des HSV e.V. unterwegs. Findet man bei diesem Derby auch in anderen Sportarten eine ähnliche Brisanz?
Absolut. Wir haben bei den Frauen ein Derby im Pokal und wir hatten auch schon eines beim Futsal. Es ist immer etwas Besonderes. Es ist von der Aufmerksamkeit her ein anderes Verhältnis, aber immer ein anderes Gefühl als ein normales Meisterschaftsspiel – egal, in welcher Sportart.
Wo schaust du das Derby und was wünschst du dir für den Stadionbesuch?
Ich schaue es selbstverständlich im Stadion. Ich wünsche mir einen würdigen Fight auf dem Platz mit der sportlichen Antwort von unserer Seite, mit einer tollen Stimmung im Volkspark, die diese Prozent mehr für die Spieler mitgeben kann. Und dass wir den Dreier einfahren, der extrem wichtig für uns ist. Dazu sollten sich beide Seiten der Stadt würdig zeigen und gerade an einem solchen Tag die Werte, die wir leben wollen, im und ums Stadion demonstrieren.