
Interview
02.08.23
Benes: „Wir wollen diese Energie, Bereitschaft und Power mitnehmen“
Im HSV.de-Interview spricht Mittelfeldspieler Laszlo Benes über den furiosen Start in die neue Saison, seine Rolle als Scorer beim HSV und die nächste Aufgabe in Karlsruhe. Ein Gespräch über große Emotionen, ehrgeizige Ziele und die wichtige Rolle der Familie.
Es war ein Tor des Willens, sein zweites innerhalb von 3 Minuten und 26 Sekunden: Von der Mitte der eigenen Hälfte aus setzte Laszlo Benes als erster von vier Rothosen zum fulminanten Vollsprint an, behielt auf den 50 Metern bis zum gegnerischen Strafraum die Pole Position und anschließend auch die Ruhe, als er mit einem sehenswerten Heber einen ebenso herausragenden Konter zum 3:2 vollendete. Beim 5:3-Auftakterfolg gegen Schalke 04 hatte der 25-jährige Mittelfeldspieler nicht nur in dieser Szene seine Füße im Spiel. Zuvor hatte er beim Stand von 1:2 trocken vom Punkt den 2:2-Ausgleich erzielt, später mit seiner Vorlage zum 5:3 den finalen K.o.-Schlag vorbereitet. Macht unterm Strich drei Scorerpunkte für den zweitbesten HSV-Scorer der Vorsaison (sechs Tore, neun Assists).
Laszlo Benes, vor einem Jahr noch Neuankömmling von Bundesligist Borussia Mönchengladbach, ist im HSV-Spiel nicht mehr wegzudenken und hat sich auch für diese Saison eine Menge vorgenommen. Im ausführlichen HSV.de-Interview verrät der slowakische Nationalspieler, wie er mit all den Emotionen nach großen Spielen umgeht, welche ehrgeizigen Ziele er sich für die Saison 2023/24 gesetzt hat und welche Rolle dabei auch seine kleine Familie spielt.

HSV.de: „Laci“, das Auftaktspiel gegen den FC Schalke 04 hatte alles, was den Fußball ausmacht. Wie hat es sich für dich auf dem Platz angefühlt?
Laszlo Benes: Das Spiel war einfach unglaublich. Genau wegen solcher Spiele macht es Spaß, Fußball zu spielen. Es war alles drin, was die Zuschauer sehen möchten: Es gab mehrere Führungswechsel, viele Tore zum Ausgleich und dann den Siegtreffer in der Schlussminute. Es war ein sehr schönes Spiel mit unglaublich vielen Emotionen. Zudem ist das erste Spiel einer Saison immer wichtig, um erfolgreich in die Spielzeit zu starten. Das haben wir gemacht, sodass wir mit einem guten Gefühl unseren Weg fortsetzen können.
„Die einzige Möglichkeit war der Chip – da hat die Intuition übernommen.“
Persönlich hattest du mit einem Doppelpack und einem Assist einen großen Anteil an diesem Erfolg. Wie hast du deine Tore und die anschließende Jubelexplosion erlebt?
Ich freue mich, dass ich dem Team mit meinen Toren helfen konnte. Mir kommt bei der Frage vor allem mein zweites Tor zum 3:2 in den Sinn: Wir haben einen überragenden Konter gesetzt, an dem ich nicht allein beteiligt war, sondern wir sind mit vier Spielern losgesprintet und wollten das Tor mit unbedingtem Willen erzielen. „Bobby“ (Robert Glatzel, Anm. d. Red.) hat dann genau im richtigen Moment abgespielt und ich habe keine Sekunde überlegt, ob ich den Ball auf meinen starken linken Fuß legen soll, sondern habe den Keeper einfach mit rechts überlupft, da er die kurze Ecke zugemacht hat. Die einzige Möglichkeit war der Chip – da hat die Intuition übernommen. Das Stadion ist danach explodiert. Es war so laut. Das ist unfassbar. Solche Momente vergisst man nicht.
Du sprichst diese unglaublichen Emotionen während des Spiels auf dem Platz und auf den Rängen an: Wie sieht es diesbezüglich in den Stunden nach dem Abpfiff bei und in dir aus? Irgendwo muss das ganze Adrenalin ja hin.
(lacht) Ja, an diesem Abend war es unglaublich schwer, einzuschlafen. Ich habe mir die Tore und Highlights immer wieder angeschaut. Außerdem habe ich so viele Nachrichten von mir nahestehenden Personen und auch den Fans bekommen. Das ist einfach ein schönes Gefühl. Generell ist es schwer, nach Abendspielen herunterzufahren, da man erst drei, vier Stunden nach dem Abpfiff nach Hause kommt. Nach so einem emotionalen Spiel wie gegen Schalke ist es dann fast unmöglich – ich habe wirklich so gut wie gar nicht geschlafen.

Inwieweit warst du überrascht, dass euch als Team gegen einen Bundesliga-Absteiger ein solches Auftakt-Spektakel gelungen ist?
Wir hatten pure Vorfreude auf dieses Spiel, weil Schalke 04 ein großer Verein aus der Bundesliga ist. Wir wollten gegen diesen Club direkt zeigen, dass wir uns für diese Saison eine Menge vorgenommen haben. Überrascht über unsere Leistung war ich aber nicht. Wir haben auch in den Testspielen der Vorbereitung gezeigt, dass wir offensiv sehr guten Fußball spielen können. Das ist uns dann auch im Spiel gelungen. Wir haben verdient gewonnen. Jetzt ist es wichtig, im nächsten Spiel auch sofort den nächsten Schritt zu machen.
„Der Verein, die Mitspieler, die Fans – sie alle erwarten Scorerpunkte von mir. Das ist auch mein Anspruch.“
Für dich persönlich waren es gegen Schalke zum Auftakt drei Scorerpunkte. In der Vorsaison hattest du einen persönlichen Bestwert mit 15 Scorern. Inwieweit befindest du dich im Hinblick auf das Scoren aktuell in der besten Phase deiner Karriere?
Ich denke schon, dass ich diesbezüglich ein gutes Level erreicht habe. Ich fühle mich stark und freue mich, dass ich sehr gut in die Saison gestartet bin. Der Verein, die Mitspieler, die Fans – sie alle erwarten Scorerpunkte von mir. Das ist doch klar, daran werden Offensivspieler gemessen. Ich selbst habe diese Ansprüche auch, habe für jede Saison Ziele und möchte in dieser Spielzeit noch besser werden.
Zum Start der letzten Saison warst du einer der Neuzugänge, jetzt gehst du in deine zweite Spielzeit. Inwieweit verändert diese Situation etwas für dich?
Als Neuzugang muss man sich immer erst an einen neuen Club gewöhnen, aber mittlerweile bin ich längst beim HSV angekommen, fühle mich hier sehr wohl und agiere voller Selbstbewusstsein. Ich kenne die Vorlieben meiner Mitspieler, habe unser Spielsystem voll verinnerlicht und weiß, was das Trainerteam von mir verlangt. Diesbezüglich haben wir generell als Mannschaft einen Vorteil, weil viele Spieler schon länger zusammenspielen und eingespielt sind.
Um sich auf dem Platz wohlzufühlen, ist auch das Leben abseits des Platzes entscheidend. Hier gab es für dich Ende November des vergangenen Jahres eine besondere Veränderung. Du bist zum ersten Mal Vater geworden, wie hat dies dein Leben verändert?
Für mich hat damit die schönste Phase im Leben begonnen, weil ich ein großer Familienmensch bin. Die Familie ist mir unglaublich wichtig. Es macht großen Spaß, wenn ich nach einem anstrengenden Tag nach Hause komme und mir meine Tochter mit so viel Energie und guter Laune begegnet. Zudem gibt es aktuell so viele Entwicklungsschritte an ihr zu beobachten. Ich kann Stück für Stück mehr mit ihr unternehmen, und bin als Vater zugleich mehr und mehr gefordert. (lacht) In meiner freien Zeit verbringe ich gern Zeit mit der Familie.

Und bei längeren Pausen wie zuletzt im Sommer geht es dann in die Slowakei, wo deine weitere Familie lebt?
Genau, meine Eltern und mein um vier Jahre jüngerer Bruder, der als Torwart hobbymäßig in der 5. Liga auch Fußball spielt, leben in der Slowakei. Genauso die Eltern meiner Freundin. Wenn es längere Pausen wie im Sommer oder Winter gibt, dann besuchen wir sie und sind eine ganz große Familie. Ansonsten sind unsere Eltern ab und zu im Rahmen der Heimspiele in Hamburg zu Besuch. Auch meine Tochter soll bald ihr erstes Spiel im Volksparkstadion erleben. Das wird dann mit Sicherheit ein sehr emotionaler Moment für mich.
„Ich freue mich auf das Wiedersehen mit ihm. Im Spiel gibt es aber keine Freundschaft.“
Das nächste Spiel steht nun wiederum auswärts in Karlsruhe an. In der Vorsaison zählte dieses Auswärtsspiel zu den unangenehmsten der kompletten Spielzeit. Wie hast du das rückblickend erlebt und mit welchem Gefühl reist ihr an?
Wir haben damals einfach einen sehr, sehr schlechten Tag erwischt. Es hat überhaupt nichts funktioniert, wir haben unsere Leistung nicht abgerufen. Der Gegner hat das gut ausgenutzt. Nach dem Auftaktspiel gegen Schalke wollen wir jetzt diese positive Energie, Bereitschaft und Offensivpower mitnehmen. Das ist wichtig. Wir müssen auf uns schauen und unser Spiel durchziehen. Ich freue mich sehr auf dieses Spiel, wir wollen dort gewinnen.
Mit Lars Stindl ist ein sehr namhafter Spieler, ein Gesicht der Bundesliga, zum KSC gewechselt. Ihr kennt euch aus Gladbacher Tagen, wo er dein Mannschafskapitän war. Wie sehr freust du dich auf das Wiedersehen mit ihm?
Wir stehen immer mal wieder in Kontakt. Lars ist ein super Typ, ein richtiger Kapitän und ein unfassbarer Mensch. Er ist als Fußballer unglaublich. Auch wenn er nicht mehr der Jüngste ist, hat er in Gladbach immer seine Tore und Assists gemacht. Der KSC hat sich mit so einem Spieler definitiv noch einmal verstärkt. Ich freue mich auf das Wiedersehen mit ihm. Im Spiel gibt es aber keine Freundschaft. Erst nach den 90 Minuten werden wir uns wieder in den Arm nehmen und über alte Zeiten sprechen.