Saison
21.01.25
Kompakt & konsequent: "Mit allem, was wir haben"
In den fünf Partien unter der Leitung von Trainer Merlin Polzin hat der HSV lediglich vier Gegentore kassiert und blieb zuletzt zweimal nacheinander gänzlich ohne Gegentreffer. Ein Blick auf die neue Lust am Verteidigen.
Es gibt in jedem Spiel spezielle Augenblicke. Sogenannte Schlüsselmomente. Oder einfach Szenen, in denen jedem Zuschauer klar wird: Hier geht heute nichts. Oder auch anders herum: Das Ding gewinnen wir heute noch. Oftmals sind diese Szenen offensiver Natur, eine tolle Einzelaktion beispielsweise, ein Dribbling, oder aber eine Angriffswelle, die wieder und wieder auf den Gegner zurollt. Mitunter aber ist es auch ein Moment, der weit abseits des gegnerischen Tores stattfindet - so wie am Samstagabend beim 1:0-Heimsieg gegen den 1. FC Köln, mit dem die Hamburger nicht nur einen optimalen Start in die Rückrunde hinlegten, sondern dem Effzeh auch die Tabellenführung klauten.
Im Zentrum dieser Szene stand Daniel Elfadli, der an diesem Abend in der Innenverteidigung spielte und in der 64. Minute einen Megasprint hinlegte. Denn der HSV war weit aufgerückt, als die Kölner Mitte der eigenen Hälfte den Ball eroberten und per schnellem Gegenstoß einen ihrer wenigen gefährlichen Angriffe fuhren. Der Live-Ticker schrieb in dieser Szene: "Jetzt die Kölner mit ihrer besten Gelegenheit: Einen Konter spielen sie sauber aus, verlagern schnell von links nach rechts und bringen so den Ball in die Box, wo drei Kölner lauern und einschussbereit auf die Hereingabe warten - die dann aber Elfadli gerade noch abfangen und zur Ecke klären kann. Großtat!"
Mit diesem Rückwärtssprint sowie der anschließenden beherzten Grätsche entschärfte Elfadli nicht nur diesen Angriff und verhinderte den drohenden 0:1-Rückstand, sondern setzte darüber hinaus auch ein Zeichen. Die Zuschauer sprangen auf, jubelten, als hätte Elfadli den Ball in den Winkel des gegnerischen Tores gedroschen anstatt ihn "nur" ins Aus zu grätschen, und die Kollegen klatschten sich ab und Daniel Heuer Fernandes ballte Elfadli zujubelnd die Fäuste. Denn diese Szene vereinte all das, was diesen Abend und schlussendlich auch diesen Sieg ausmachte: Wille, nie aufgeben, alles reinschmeißen, füreinander kämpfen, die Fehler des Nebenmannes ausbügeln und so hinten kompakt stehen und gemeinschaftlich die Null halten. Es war eine Szene, die auch Merlin Polzin schmeckte. "Natürlich wollen wir in jedem Spiel mutig und offensiv spielen, aber ebenso brauchen wir diese Gier, das eigene Tor konsequent zu schützen mit allem, was wir haben, wir brauchen diese Freude am gemeinsamen Verteidigen." Gesagt hatte der Coach diesen Satz Anfang Januar im Trainingslager. Und im türkischen Belek arbeiteten die Rothosen intensiv an dieser Einstellung, am Rüstzeug für diese Defensivleistung.
"Ich habe viel von dem gesehen, was wir uns im Trainingslager erarbeitet haben", lautete im Anschluss an den Heimsieg - für den mit Miro Muheim, Daniel Elfadli und William Mikelbrencis gleich drei HSV-Verteidiger in der Viererkette der vom Kicker herausgegebenen "Elf es Tages" standen - entsprechend das positive Fazit des Trainers, der seiner Mannschaft attestierte, dem 1. FC Köln mit dessen immenser Offensivwucht kaum Raum zur Entfaltung gegeben zu haben. Seinen Anfang fand dieses kollektive Verteidigen bereits in des Gegners Hälfte oder teilweise sogar schon am Strafraum der Kölner, wo Davie Selke als vorderster Angreifer immer wieder in die Rolle des vordersten Verteidigers schlüpfte.
"Wie wir die Kölner gestresst und unter Druck gesetzt haben, wie hoch wir verteidigt haben - das war das, woran wir in den letzten Wochen gearbeitet haben", bilanzierte Selke nach dem Schlusspfiff und fügte mit einem Lächeln hinzu: "Das hat schon echt Bock gemacht." Diese von Polzin eingeforderte Lust am Verteidigen - sie ist es, die in der Rückrunde und im Aufstiegskampf das Fundament des Erfolgs legen und ein wichtiger Faktor sein soll. Denn: "Diese Liga ist so eng, leistungstechnisch so nah beieinander, dass es extrem viele enge Spiele geben wird", so Polzin, "und diese engen Spiele dann auf seine Seite zu ziehen, das bringt die wichtigen Punkte." Um am Ende das große gemeinsame Ziel zu erreichen. "Dafür wollen wir uns als Mannschaft jeden Tag verbessern, jeder kleine Schritt ist wichtig, um am Ende erfolgreich zu sein." Den nächsten Schritt können Polzin und sein Team am kommenden Sonnabend in Berlin machen. Das nächste Topspiel unter Flutlicht im höchstwahrscheinlich komplett ausverkauften Olympiastadion vor rund 75.000 Zuschauern. Ein echtes Fußballfest. Und ein Spiel, in dem die Rothosen erneut die Schlüsselmomente - offensive wie eben auch defensive - auf ihrer Seite haben wollen.