Interview
28.02.24
"Ich habe hart auf diesen Moment hingearbeitet"
Noah Katterbach wechselte im Januar fest zum HSV und feierte beim 2:2 in Rostock seine Saison- und beim 1:0 gegen Elversberg seine Heim-Premiere. Warum sich all das für ihn total richtig anfühlt? Jetzt im HSV.de-Interview.
Als Steffen Baumgart am vergangenen Sonntag um kurz nach 15 Uhr das Signal gab, da schloss sich für Noah Katterbach ein Stück weit der Kreis. Vor rund 55.000 Zuschauern wieder im Volkspark auf dem Rasen zu stehen, genau dort, wo er sich Ende Mai vergangenen Jahres schweren Herzens von den HSV-Fans und den Mannschaftskollegen verabschiedet hatte, das bedeutete dem 22-Jährigen viel. Aufgrund eines Kreuzbandrisses war aus der Leihe zum HSV kein festes Engagement geworden, doch dies wurde nun im Januar 2024 nachgeholt: Katterbach wechselte fix zurück nach Hamburg und fühlte sich sofort wieder am richtigen Ort - spätestens am Sonntag um kurz nach drei.
Noah, wie hat es sich am vergangenen Sonntag angefühlt, wieder hier im Volksparkstadion für den HSV aufzulaufen?
Noah Katterbach: Es war ein sehr gutes Gefühl, nach meiner Verletzung und der daraus resultierenden Geschichte mit meiner zwischenzeitlichen Rückkehr nach Köln und dem erneuten Wechsel zum HSV endlich wieder im Volksparkstadion spielen zu dürfen. Den ersten Einsatz hatte ich ja bereits in Rostock, aber das hier fühlte sich dann so richtig wie meine Rückkehr an.
Du hast hierbei nach deiner Einwechslung in der 80. Minute kaum Eingewöhnungszeit gebraucht, hast mit der ersten Szene direkt ein Tackling gesetzt und dafür gleich die Gelbe Karte bekommen. Wolltest du bewusst sofort ein Zeichen setzen?
Ich war schon extrem motiviert, das stimmt. Aber in der Situation war es einfach so, dass ich gesehen habe, dass der Gegenspieler frei aufs Tor zulaufen wird, wenn ich nicht resolut dazwischen gehe. Deshalb dachte ich mir: Ball oder Gegenspieler, Hauptsache der Angriff wird unterbunden. Ich bin dann mit vollem Risiko reingegangen, mit der Gelben Karte war ich im Übrigen aber trotzdem nicht einverstanden.
Warst du denn mit deinem Comeback im Volksparkstadion eiverstanden?
Ja, zumal ich mich einfach extrem gefreut habe, als ich eingewechselt worden bin. Zuhause, vor den eigenen Fans und im vollen Stadion zu spielen, das ist noch einmal ein geilerer Moment als zuletzt beim Auswärtsspiel. Ich habe so lange und hart auf diesen Moment hingearbeitet und wollte sofort zeigen, dass ich wieder fit und zurück bin.
Verspürst du vor solchen Spielen noch eine große Nervosität? Du bist schließlich in Köln und hier in Hamburg mit großen Spielstätten aufgewachsen.
Eine positive Anspannung ist immer da, und die ist auch gut. Du darfst dir vor Anspannung natürlich nicht in die Hosen machen, aber es geht darum, Vorfreude und Bock zu entwickeln, vor 57.000 Menschen zu spielen und gemeinsam mit deiner Mannschaft dafür zu sorgen, diese 57.000 Fans deines Vereins positiv zu beeinflussen, sie glücklich zu machen. Ich sehe diese Art von positiver Anspannung als totalen Energieschub.
Hat sich das im Verlaufe deiner noch jungen Karriere verändert, sprich: Warst du zu Beginn noch nervös?
Ich habe mein Bundesliga-Debüt für den 1. FC Köln auf Schalke gegeben und stand dabei direkt in der Startelf. (lacht) Damals hatte ich sicherlich auch noch die eher ungesunde Art der Anspannung, bei der man auch Angst vor Fehlern hat. Aber letztlich steht man ja nicht allein auf dem Platz, sondern geht die Situation als Team an. Ich bin jetzt in meiner vierten Profi-Saison und habe sehr gut gelernt, mit diesen Dingen umzugehen.
Wie hast du in den vergangenen Wochen und Monaten deine Geschichte, von der du zu Beginn gesprochen hast, im Detail erlebt?
Der Kreuzbandriss war eine von ganz wenigen Verletzungen, die mich als Sportler und Mensch nochmal komplett umkrempeln konnte. Ich weiß noch ganz genau, dass ich nach der Diagnose nach Hause zu meiner Freundin gefahren bin und ziemlich am Boden war. Doch zwei Stunden danach, als ich die ersten Gespräche mit dem Trainerteam geführt hatte, habe ich den Blick auch wieder nach vorn gerichtet. Ich habe mir gesagt, dass ich an der Verletzung nichts mehr ändern kann, aber den Umgang damit sehr wohl in der eigenen Hand habe. Ich habe mich maximal auf die Reha fokussiert und wollte daran arbeiten, stärker zurückzukommen.
Welche Rolle hat dabei der mentale Aspekt gespielt? Du hattest dich mit deinem ersten Wechsel zum HSV aus einer sehr schweren sportlichen Situation herausgekämpft und uns damals erzählt, dass du hierfür viel an deinem Mindset gearbeitet hast.
Ich bin mittlerweile mental so gefestigt, dass ich mit Rückschlägen sehr gut umgehen kann. Im Endeffekt muss man das ganze Leben betrachten, und auf das Leben gesehen, konnte ich aus den beiden vermeintlich negativen Phasen sehr viel für meinen Charakter und meine mentale Stärke ziehen. Genau so bin ich auch die Verletzung angegangen: Ein Kreuzbandriss ist natürlich Mist, aber es geht um die Eigenverantwortung, wie man damit umgeht und sogar selbst darin etwas Positives sehen kann. Das ist möglich, wenn man die Perspektive erweitert.
"Ich habe das ganze Ding zu 100 Prozent angenommen"
Wie hast du deine Reha und deinen den Weg zurück erlebt? Schließlich bist du angesichts der Schwere der Verletzung sehr schnell zurückgekommen.
Es waren exakt sechs Monate und zwei Tage, bis ich wieder auf dem Platz stand und für die zweite Mannschaft des FC mein erstes Spiel absolviert habe. Es war schön und enorm hilfreich, dass ich viele gute Leute um mich herum hatte. Auch durch sie hatte ich immer Lust, an mir zu arbeiten und habe extrem viel dafür getan. Nur ein kleines Beispiel: Unser Reha-Trainer Sebastian Capel hat mir nach meiner Verletzung und der OP einen speziellen Ernährungsplan erstellt, nach dem bei uns zu Hause dann strikt eingekauft und gekocht wurde. Es ging um eine proteinreiche und kohlenhydratarme Ernährung, damit die Muskulatur nicht so schnell schwindet und ich zugleich nicht so viel zunehme in der Zeit, in der ich keinen Sport treiben kann. Das waren in der Zeit sehr bunte Teller. (lacht) Ich habe das ganze Ding einfach zu 100 Prozent angenommen, und dann ging es auch wirklich relativ schnell. Ich habe meine Reha in Köln beendet und stand zugleich mit den Verantwortlichen vom HSV permanent im Austausch.
Wie hat sich dieses „Leben zwischen zwei Welten“ angefühlt?
Es war zugegebenermaßen nicht ganz einfach. Natürlich gab es eine Ungewissheit, wie es jetzt weitergeht, aber das ist normal im Fußball. Meine Haltung vor dem Kreuzbandriss war klar, dass ich in Hamburg bleiben möchte und werde. Die Verletzung hat mir dann einen Strich durch die Rechnung gemacht. Dennoch blieb der Austausch mit den Verantwortlichen, Trainern und Spielern beim HSV, und am Ende hat ja alles geklappt. Aber es hat mir auch mal wieder gezeigt, dass im Fußball sehr wenig planbar ist.
Das stimmt. Mal kommen generelle Vereinswechsel, dann Verletzungen, oder auch mal Trainerwechsel wie zuletzt dazwischen. Durch den hast du nun mit Steffen Baumgart den gleichen Coach wie zuvor in Köln. Wie würdest du euer Verhältnis beschreiben?
Ich hatte mit Steffen Baumgart immer einen klaren Austausch. Er hat damals in Köln Jonas Hector auf der Linksverteidiger-Position gesehen und ich als junger Spieler wollte mich nicht einfach nur hinten anstellen. Deshalb habe ich die Leihe gesucht. Das war aber immer klar kommuniziert. Dass ich ein schlechtes Verhältnis zum Trainer gehabt haben soll, wurde daraus interpretiert, dass ich wenig Spielzeit unter ihm in Köln hatte. Dem ist aber nicht so. Ich freue mich, dass er hier ist, da er ein Trainer ist, der viel über Klarheit kommt und bei dem du genau weißt, was du verändern kannst und sollst. Wir haben kein schlechtes Verhältnis, im Gegenteil: Die ersten Tage mit ihm haben mir schon wieder richtig gut gefallen.
Ohne Konkurrenz auf der Position des Linksverteidigers bist du beim HSV allerdings auch nicht. Wie gehst du mit dieser Situation um?
Da bediene ich jetzt mal eine Floskel, aber sie stimmt: Konkurrenz belebt das Geschäft. (lacht) Ich habe für mich einen Leitfaden für diese Situation entwickelt: Das Wichtigste für mich ist, dass ich am Ende der Trainingswoche sagen, dass ich alles gegeben und rausgeholt habe, dass ich mich selbst reflektiere und mit mir selbst im Reinen bin. Ich setze mich nicht mehr viel mit Dingen auseinander, die ich ohnehin nicht beeinflussen kann.
Es hätte ja aber dennoch sicherlich Stationen geben können, bei denen die Konkurrenzsituation nicht so hoch ist. Wieso ist deine Entscheidung dennoch auf den HSV gefallen?
Ich habe mich hier in Hamburg und beim HSV während des halben Jahres sehr wohlgefühlt. Dabei ging es nicht nur um den Fußball, sondern auch um die Strukturen im Verein und in der Mannschaft sowie um die Fans, die Mitarbeiter und auch die Stadt im Allgemeinen. Es war eine Entscheidung, die ich als Fußballer, aber auch als Mensch getroffen habe. Ich wusste, was mich hier erwartet und dass ich das Umfeld total gut finde.
Jetzt bist du zurück in diesem Umfeld. Und auch zurück auf dem Platz. Wie weit bist du sportlich schon wieder?
Ich fühle mich sehr gut. Das, was mir jetzt noch fehlt und noch kommen muss, ist die Spielfitness. Die kann man einfach nicht simulieren oder trainieren, die muss man sich in den Spielen holen, und zwar über jeden einzelnen Einsatz. Aber diesbezüglich bin ich ja auf einem guten Weg.