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Interview
13.02.25
Glatzel: "Ich bin jetzt so nah dran, dass es richtig kribbelt"
Robert Glatzel hat sich Tag für Tag und Training für Training wieder herangearbeitet - und steht nun kurz davor, ins Teamtraining zurückzukehren. Ein Gespräch über die lange Pause, seine Ziele und positive Erfahrungen in einer schwierigen Zeit.
"Es ist einfach schön, Bobby wieder bei uns zu haben und ihn in unserer Mitte zu wissen", sagte HSV-Coach Merlin Polzin im Januar-Trainingslager im türkischen Belek über Robert Glatzel, der hier erstmals wieder so richtig im Kreise seiner Mannschaftskameraden trainierte. Zwar noch individuell, aber immerhin in Sichtweite zu den Kollegen. Ein großer Zwischenerfolg und ein besonderer Moment für Glatzel und Polzin, die durch die lange gemeinsame Zeit beim HSV eine besondere Beziehung pflegen.
Bis zu diesen Momenten im Trainingslager hatte Glatzel mühevolle Wochen der Reha hinter sich gebracht, nachdem er in Folge seines Sehnenrisses in der Hüfte hatte operiert werden müssen. Mittlerweile aber ist Robert "Bobby" Glatzel wieder ganz nah dran - an der Mannschaft und auch am Mannschaftstraining. Wie nah genau, was das in ihm auslöst und mit welchen Zielen er sein Comeback nach seiner ersten richtig schweren Verletzung als Fußballprofi angeht, das erklärt Robert Glatzel im HSV.de-Gespräch.
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HSV.de: „Bobby“, du machst weiterhin große Fortschritte in deiner individuellen Arbeit mit Reha-Coach Sebastian Capel. Wie ist der aktuelle Stand?
Robert Glatzel: Der Plan sieht vor, dass ich in den nächsten Tagen wieder ins Mannschaftstraining teilintegriert werde. Im besten Fall fangen wir nächste Woche damit an, dass ich wieder Stück für Stück herangeführt werde. Ich kann mittlerweile wieder fast alles machen, bin in etwa bei 90 Prozent. Die letzten Schritte, die noch fehlen, sind Vollsprints und volles Durchziehen beim Torschuss. Da ist im Kopf noch etwas Respekt vorhanden, auch wenn ich körperlich bei allen Bewegungen absolut schmerzfrei bin. Man muss das einfach trainieren, damit das gute Gefühl zurückkommt.
Du bist ein Spieler, der auf eine marginale Verletzungshistorie zurückblicken kann und zum ersten Mal wirklich schwer verletzt war. Wie fühlt es sich an, jetzt wieder auf dem von dir umrissenen Level zu sein?
Es ist ein unglaublich schönes Gefühl. Wenn man mitten in den eigenen Übungen ist, dann denkt man gar nicht mehr daran, aber wenn ich auf die ersten Wochen und Monate zurückblicke, dann ist das natürlich eine krasse Entwicklung. Damals waren die heutigen Schritte noch so unglaublich weit weg. Da hat man sich wie ein Sportinvalide gefühlt und war auf extrem viel Hilfe angewiesen. Dass ich jetzt so nah vor dem Mannschaftstraining stehe, komplett schmerzfrei im Training bin und im Alltag keinerlei Einschränkungen mehr habe, ist einfach schön.
Welche beschwerlichen Momente auf deinem Comeback-Weg schießen dir dabei direkt in den Kopf?
In den ersten zwei bis drei Wochen musste ich tatsächlich komplett an Krücken gehen. Ich konnte nicht einmal etwas tragen. Wenn ich beispielsweise mal einen Teller bewegen wollte, dann musste ich ihn wirklich am Tisch entlangschieben, dann mit den Krücken hinterher und wieder weiterschieben. Ein Riesenschritt war also, als ich nicht mehr komplett auf beide Krücken angewiesen war und mir auch mal wieder allein etwas in der Küche zubereiten konnte. Es waren vor allem die Alltagseinschränkungen, die extrem genervt haben.
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Und wie sah es bezüglich der sportlichen Meilensteine aus?
Am Anfang konnte ich nur den Oberkörper und etwas später die Muskulatur rund um die Beine trainieren. Da war es schon cool, als ich das erste Mal wieder aufs Fahrrad konnte. Das war krass, denn zuvor zählten Fahrrad-Intervalle, die verpflichtend im Trainingsplan standen, definitiv nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Schließlich möchtest du den Ball am Fuß haben und einfach nur Fußball spielen. Und plötzlich habe ich mich selbst über anstrengende Intervalle auf dem Rad gefreut. Das war eine neue Erfahrung, ein Riesenschritt, ebenso wie dann später die ersten Läufe.
Wie geduldig warst du während des Reha-Prozesses und inwieweit hast du in diesem Prozess etwas Neues über dich gelernt?
Ich denke, dass ich es von der Geduld her ganz gut gemacht habe und mir hierbei auch meine generelle Lebenserfahrung geholfen hat. Zugleich hatte ich noch nie eine schwere Verletzung und habe in dieser Zeit entsprechend richtig viel gelernt. Ich konnte mich zum ersten Mal in eine Person hineinversetzen, die sich richtig schwer verletzt hat. Das konnte ich davor in der Form nicht. Natürlich hat man ein Mitgefühl entwickelt, aber gleichzeitig ist das ziemlich an einem vorbeigeflogen, weil man total auf sich fokussiert ist. Mir hat da ein Stück weit die Empathie gefehlt, was ein verletzter Spieler alles durchmachen muss. Ich habe durch meine eigenen Erfahrungen gelernt, eine höhere Empathie zu entwickeln und habe generell viel aus dieser Zeit mitgenommen.
Was fällt dir diesbezüglich noch ein?
Es hilft einfach, wenn man mal aus seiner Routine raus ist. Als Fußballprofi ist man im Tunnel, schaut von Training zu Training und von Spiel zu Spiel. Ich habe gemerkt, wie es ist, mal völlig aus dieser Fußball-Blase raus zu sein. Das war eine interessante Erfahrung. Natürlich wünschte ich, dass die Verletzung niemals passiert wäre, aber ich habe es geschafft, die Zeit auch positiv zu nutzen. Es war eine der wenigen guten Seiten an der Verletzung, mehr Zeit für die Familie zu haben und zugleich auch mal ins Reflektieren und
Bearbeiten von ein paar Themen zu kommen.
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Inwieweit hast du durch den Perspektivwechsel auch einen anderen Blick auf die Mannschaft bekommen?
Es war interessant zu sehen, wie die Mannschaft von außen betrachtet auf mich wirkt. Man nimmt die positiven Aspekte und die Dinge, die vielleicht noch fehlen, noch einmal anders wahr. Ich konnte mir viele Gedanken machen, wie ich der Mannschaft in Zukunft noch besser helfen kann – und dabei geht´s nicht in erster Linie allein um Tore. Ich kann sicherlich noch mehr Input von mir geben, möchte Persönlichkeit und Emotionalität reinbringen und mich nicht ausschließlich auf die eigene Leistung konzentrieren.
Wie hast du im Hinblick auf das Team die vergangenen Wochen und Monate erlebt?
Sehr positiv. Man merkt, dass die Richtung stimmt und spürt, dass wir eine Einheit sind. Das ist das Positivste, was heraussticht. Alle gehen in die gleiche Richtung und jeder ordnet sich unabhängig von seiner Rolle unter. Merlin Polzin als Coach geht hierbei mit seiner positiven und ehrlichen Art voran und hat sich über die Jahre viel Vertrauen bei den Jungs erarbeitet. Das spürt man einfach.
Wie speziell war es für dich, dass der langjährige Co- zum neuen Chef-Trainer wird?
Das war schon etwas Besonderes. Er ist schließlich ein junger Trainer, der zum ersten Mal die Position als Cheftrainer ausfüllt. Da wusste man nicht ganz genau, wie das ankommt, aber man merkt und sieht es anhand der Ergebnisse, wie gut er bei uns ankommt. Er hat diesen Switch vom Co- zum Cheftrainer total natürlich und ehrlich hinbekommen. Er versucht nicht, irgendwie auf Chef zu machen, sondern strahlt die notwendige Autorität mit seiner persönlichen Art aus.
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Du selbst bist trotz einer Wadenverletzung zu Beginn der Spielzeit richtig stark in die laufende Saison gestartet, hast in deinen ersten sechs Spielen sieben Tore erzielt und dabei alle 60 Minuten getroffen. Nun hat Davie Selke enorm aufgeholt, steht seines Zeichens bei 13 Treffern und einer Quote von 90 Minuten pro Tor. Wie blickt man auf den Mitspieler, der zugleich auch Konkurrent ist?
Es ist richtig cool, wie Davie vorangeht und Verantwortung übernimmt. Er bestätigt das von Woche zu Woche mit seinen Leistungen. Es ist extrem wichtig für uns, so einen Spieler und so eine Persönlichkeit wie Davie zu haben. Mich freut das für ihn und für uns als Mannschaft. Natürlich befinden wir uns auch in einem Konkurrenzkampf, aber wir begegnen uns auf eine ehrliche und offene Art. Ich habe ihm jetzt, als ich verletzt war, beispielsweise auch oft Tipps zu Gegenspielern gegeben, die ich aus der 2. Liga sehr gut kenne, er aber vielleicht weniger. Generell helfen wir uns gegenseitig, reden viel über die Abläufe als Stürmer. Am Ende wollen wir beide am liebsten jede Minute spielen und wissen zugleich, dass der Erfolg der Mannschaft im Vordergrund steht.
Zerreißt es dich noch immer, wenn du dort oben auf der Tribüne zuschauen musst oder konntest du dich langsam in der Zuschauerrolle akklimatisieren?
Jetzt zerreißt es mich ehrlicherweise wieder. (lacht) Am schlimmsten war es direkt nach der Operation. Es war schwer, nur zuschauen zu können und ich musste ein paar Mal überlegen, den Fernseher auszuschalten, weil ich so gelitten habe. Anschließend habe ich mich etwas daran gewöhnt, aber jetzt bin ich gefühlt schon wieder so nah dran, dass es wieder richtig kribbelt. Ich hoffe, dass ich nicht mehr so viele Spiele zusehen muss.
Hast du dir diesbezüglich ein exaktes Ziel gesetzt?
Ja, das habe ich seit dem ersten Tag meiner Reha. Ich gebe alles dafür, es zu diesem Spieltag zu schaffen. Mal gucken, ob das umsetzbar ist, am Ende haben die Physiotherapeuten und Ärzte natürlich auch ein Wort mitzureden. Der Plan ist nach wie vor, im Februar ins Teamtraining einzusteigen und im März wieder zu spielen. Letztlich will ich aber einfach nur wieder fit auf dem Platz stehen, und ob das dann eine Woche früher oder später ist, ist dann auch nicht entscheidend. Am wichtigsten ist für mich, wieder dabei zu sein und mit meiner Mannschaft auf dem Platz zu stehen.