
Interview
08.08.23
Hrubesch: „In Essen fing für mich alles an“
Im HSV.de-Interview spricht Horst Hrubesch über seine besondere Verbindung zu Rot-Weiss Essen, das bevorstehende Pokalspiel der Rothosen beim Drittligisten und den Mythos Hafenstraße.
HSV-Legende Horst Hrubesch kennt sich aus. Im Leben generell, im Fußball sowieso. Spieler, Trainer, Funktionär – seit bald 50 Jahren mischt der 72-Jährige in unterschiedlichen Funktionen in der großen weiten Welt des runden Leders mit und zählt mitunter als Europameister (1980), Europapokalsieger der Landesmeister (1983) und dreifacher Deutscher Meister (1979, 1982 und 1983) längst zu den größten Persönlichkeiten des deutschen Fußballs. Das erste Mal so richtig auf dessen Bühne in Erscheinung getreten, ist der einstige Weltklasse-Mittelstürmer dabei im weißen Gewand von Rot-Weiss Essen (1975-78), seiner ersten und nach eigenen Aussagen auch enorm wichtigen Station im bezahlten Fußball. Da ist es selbsterklärend, dass das bevorstehende Pokalspiel des Hamburger SV beim Drittligisten aus dem Ruhrgebiet (Sonntag, 13. August; Anstoß: 13 Uhr) für das einstige „Kopfballungeheuer“ ein ganz besonderes ist. Im HSV.de-Interview verrät der seit 2020 als Direktor Nachwuchs wieder beim HSV tätige Hrubesch, warum Rot-Weiss Essen den entscheidenden Grundstein für seine illustre Karriere bildete, wie er über das kommende Pokalspiel „seiner“ beiden Herzensclubs denkt und welche Atmosphäre den HSV an der Hafenstraße erwartet.

HSV.de: Horst, du hast von 1975 bis 1978 für Rot-Weiss Essen gespielt und in 92 Pflichtspielen sensationelle 85 Tore erzielt. Wie blickst du heute mit mehr als 45 Jahren Abstand auf diese Zeit zurück?
Horst Hrubesch: Rot-Weiss Essen ist der Verein, wo für mich alles begann. Für mich war dieses Kapitel eines der wichtigsten in meiner aktiven Laufbahn, weil alles andere darauf aufgebaut hat. Es hat vor allem mit meinen beiden Kopfballtreffern gegen Bayer 05 Uerdingen angefangen. Das war ein super Einstieg gleich in meinem ersten Bundesligaspiel. Am Ende waren das wohl die wichtigsten Tore meiner Karriere, auch wenn ich im Anschluss ja noch so viele, mitunter sehr bedeutsame, geschossen habe. Aber wäre das alles passiert, wenn ich damals gegen Uerdingen nicht gleich getroffen hätte?
„Am Ende waren das wohl die wichtigsten Tore meiner Karriere, auch wenn ich im Anschluss ja noch so viele, mitunter sehr bedeutsame, geschossen habe.“
Apropos wichtige Tore: Im letzten Ligaspiel zwischen dem HSV und Rot-Weiss Essen, das im Februar 1977 im Volksparkstadion 5:3 ausging, hat ein gewisser Horst Hrubesch alle drei Tore für Essen geschossen.
Das konnte schon einmal vorkommen. (lacht) Nein, für mich war das damals natürlich ein besonderes Highlight, im Volkspark drei Tore zu schießen. Man muss dazu sagen, dass der HSV zu dieser Zeit über eine herausragende Mannschaft verfügte, in der Bundesliga eine wichtige Rolle spielte und in dem Jahr auch den Europapokal der Pokalsieger gewonnen hat.
Und ein Jahr später mit dir einen Mittelstürmer verpflichtete, der viele weitere Trophäen einheimste und im hohen Norden ein zweites Zuhause fand. Inwieweit hast du denn heute noch Kontakt zu Personen im Umfeld von Rot-Weiss Essen?
Die Verbindung zu Essen ist über all die Jahre mehr oder weniger nie abgerissen. Das ist für mich aber auch nicht unüblich und war damals nach meinem Weggang vom HSV ja auch nicht anders. Ich habe zum Beispiel noch immer Kontakt zu Dieter Bast, damals mein Mitspieler in Essen und später unter anderem auch Vorstandsmitglied bei Rot-Weiss.

Die besagte Verbindung ist auch eine der Gründe, warum dich der Verein zum kommenden Pokalspiel gegen den Hamburger SV als Ehrengast eingeladen hat. Wie besonders wird es für dich sein, vor Ort an der Hafenstraße das Duell „deiner“ beiden Clubs zu verfolgen?
Für mich wird das mit Sicherheit ein besonderes Spiel. Da schlagen einfach zwei Herzen in meiner Brust. Es treffen zwei besondere Clubs aufeinander, die über eine großartige Historie verfügen und in ihren jeweiligen Städten einen großen Stellenwert genießen. Essen ist eine total fußballbegeisterte Stadt, die im Prinzip Erst- oder Zweitliga-Fußball verdient hat. Ich hoffe, dass Rot-Weiss in der 3. Liga die Leistungen aus der Vorsaison bestätigen kann, nichts mit dem Abstieg zu tun haben wird und den nächsten Schritt macht. Ich drücke ihnen also die Daumen, auch wenn ich am Sonntag natürlich hoffe, dass wir eine Runde weiterkommen.
„Der Fußball in Essen lebt von Mentalität. Die werden alles reinpacken, was sie haben.“
Worauf wird es dabei in deinen Augen ankommen?
Der Underdog kann im Pokal immer überraschen, das ist klar. Der Fußball in Essen lebt von Mentalität. Die werden alles reinpacken, was sie haben und versuchen damit auch das Publikum mitzunehmen. Für uns gilt es, maximal dagegenzuhalten und letztlich die eigene spielerische Klasse auf das Feld zu bringen, um das Spiel auf unsere Seite zu ziehen.
Du sprichst die besondere Atmosphäre an der Hafenstraße an. Auf was müssen sich die Spieler dort einstellen?
Das alte Stadion wäre für uns diesbezüglich die absolute Hölle gewesen. (lacht) Das neue Stadion hat in diesem Zusammenhang im Vergleich zu früher vielleicht etwas den Nachteil, dass die Ecken geöffnet sind und dadurch Lautstärke und Atmosphäre verloren gehen. Dennoch steht außer Frage, dass die Zuschauer richtig Stimmung machen und Rot-Weiss lautstark nach vorne peitschen werden.