Saison
18.05.22
Hertha BSC im großen Gegnercheck
Club, Saison, Trainer, Mannschaft und Top-Scorer – im großen Gegnercheck erfahrt ihr alle Einzelheiten über den kommenden Relegationsgegner der Rothosen.
In der diesjährigen Relegation zur Bundesliga treffen mit dem Hamburger SV und Hertha BSC zwei absolute Traditionsmannschaften aufeinander. Wie die Saison bei den Berlinern verlief, welchen Spielstil die Hertha pflegt und auf welche Köpfe es ankommen wird, das analysiert HSV.de im ausführlichen Gegnercheck.
Der Club: Der Hertha, Berliner Sport-Club e. V., kurz Hertha BSC genannt, wurde am 25. Juli 1892 gegründet und zählt zu den größten Traditionsclubs im deutschen Fußball. Daher ist der Club auch als „Alte Dame“ bekannt. Folgerichtig zählte Hertha BSC im Jahr 1963 auch zu den 16 Gründungsmitgliedern der Bundesliga. Erstklassig waren die Berliner aber nicht immer. Bereits in ihrer zweiten Bundesliga mussten die auf Platz 14 sportlich geretteten Blau-Weißen einen Zwangsabstieg hinnehmen, da sie einige Spieler mit Handgeldern angelockt hatten, was damals gegen die Statuten des DFB verstieß. Es folgten in der Geschichte des Clubs fünf weitere Abstiege in die Zweitklassigkeit, der letzte im Jahr 2012. In den vergangenen 25 Jahren gehörte die „Alte Dame“ jedoch 23-mal der höchsten deutschen Spielklasse an, erreichte in diesem Zeitraum in der Saison 1998/99 unter Trainer Jürgen Röber als Tabellendritte ihre beste Platzierung und zog auch zu Beginn der 00er Jahre mehrfach ins internationale Geschäft ein. Die Sehnsucht nach diesen erfolgreichen Zeiten ist in Berlin groß und bestimmte auch das Anspruchsdenken des Clubs in den vergangenen drei Jahren. Mitverantwortlich hierfür zeichnet Lars Windhorst, der im Sommer 2019 bei der ausgegliederten Profiabteilung der Hertha eingestiegen ist und mit der Bestrebung, aus der Hertha einen „Big City Club“ zu machen, seitdem rund 375 Millionen Euro investiert hat.
Die Saison: In der Gegenwart hinkt Hertha BSC den formulierten Ansprüchen hinterher. Nach Platz 10 und Platz 14 in den beiden Vorsaisons übernahm zur jüngst abgelaufenen Bundesliga-Saison 2021/22 Fredi Bobic als neuer Sport-Geschäftsführer. Der 50-Jährige, der von 2003 bis 2005 bereits als Spieler für den Club aktiv war, nahm diese Spielzeit auf der Ab- und Zugangsseite je 19 Transferbewegungen vor, erwirtschafte ein ordentliches Transferplus und krempelte zugleich den Kader kräftig um. Auch auf der Trainerposition war reichlich Bewegung. Hier installierte Bobic im Saisonendspurt mit Felix Magath nach Pal Dardai und Tayfun Korkut den dritten Übungsleiter für diese Spielzeit. Magath übernahm Hertha BSC dabei nach dem 29. Spieltag, als der Club auf Tabellenplatz 17 abgerutscht war. Nach zwei Siegen zum Auftakt – 1:0 in Augsburg und 2:0 gegen Stuttgart – setzten sich die Hauptstädter vom direkten Abstiegsplatz wieder ab, vergaben anschließend mit einem 1:1-Remis in Bielefeld sowie je einer 1:2-Niederlage gegen Mainz und in Dortmund aber drei Matchbälle, um die direkte Rettung aus eigener Kraft klarzumachen. Doppelt bitter: Hauptkonkurrent VfB Stuttgart errang am vorletzten Spieltag ein 2:2-Unentschieden beim Rekordmeister FC Bayern München und zog am letzten Spieltag beim 2:1-Erfolg über den 1. FC Köln durch einen Endo-Treffer (90. +2) buchstäblich in letzter Sekunde noch an Hertha BSC vorbei.
Der Trainer: Felix Magath zählt zweifelsfrei zu den schillerndsten Persönlichkeiten der deutschen Fußball-Geschichte. Spieler, Trainer, Manager, Vorstand – der gebürtige Aschaffenburger hat in vielerlei Funktionen und bei zahlreichen Stationen seine Fußstapfen hinterlassen. Und das durchaus sehr erfolgreich: Als Spieler wurde er Europameister (1980) und Vize-Weltmeister (1982 und 1986). Zudem gewann Magath in den Jahren 1979, 1982 und 1983 die Deutsche Meisterschaft, 1977 den Europapokal der Pokalsieger und 1983 den Europapokal der Landesmeister. Mit wem? Na klar, seinem Herzensverein – dem Hamburger SV. Auf Legende Magath wartet damit ein ganz besonderes Duell, das er bereits unmittelbar nach seinem Amtsantritt bei der Hertha wie ein Wahrsager heraufbeschworen hatte. Manche Geschichten schreibt eben nur der Fußball. Das weiß kaum jemand so gut, wie der 306-fache Bundesliga-Spieler, der zudem als Trainer in sagenhaften 502 Bundesligaspielen für acht unterschiedliche Clubs (HSV, Werder Bremen, Eintracht Frankfurt, VfB Stuttgart, FC Bayern München, VfL Wolfsburg, FC Schalke 04 und Hertha BSC) auf der Bank saß und dreimal Deutscher Meister (2005, 2006 mit Bayern München und 2009 mit dem VfL Wolfsburg) und zweimal DFB-Pokalsieger (2005 und 2006 mit Bayern München) wurde.
„Der HSV, das steht doch vollkommen außer Frage, ist der größte Abschnitt meines Fußballer-Lebens“, sagte er dem „Kicker“. „Es geht aber nach wie vor nicht um mich oder meine Vergangenheit mit dem HSV. Es geht einzig und allein um Hertha BSC – um den Klassenerhalt.“ Mit dieser Einstellung und seiner unverwechselbaren Art hat Magath das Zepter bei der „Alten Dame“ übernommen, die Mannschaft vor allen Dingen in Puncto Kampfgeist wieder aufgebaut. Um den Fokus vor der Relegation maximal zu schärfen, hat Magath nun zum zweiten Mal in seiner noch kurzen Amtszeit bei Hertha BSC ein Trainingslager angesetzt. Der Tabellen-16. der Bundesliga wird sich ab Dienstag im Olympischen Trainingszentrum Kienbaum östlich von Berlin auf die erste Begegnung im heimischen Olympiastadion am Donnerstag vorbereiten.
Die Mannschaft: Getreu seines Rufes hat Felix Magath den Blau-Weißen im wahrsten Sinne des Wortes Beine gemacht. Die mit einem Durchschnittsalter von 25,9 Jahren fünftälteste Mannschaft der abgelaufenen Bundesliga-Saison landete in den letzten fünf Ligaspielen unter seiner Führung viermal in den Top-5 der laufstärksten Mannschaften. Im Schnitt liefen die Berliner dabei 117,24 Kilometer pro Spiel. Auch bei der Anzahl der Sprints und geführten sowie gewonnen Zweikämpften zeigten die Berliner im von Magath defensiv ausgerichteten 4-2-3-1-System eine deutliche Leistungssteigerung. Der 68-Jährige sprach in diesem Zuge mit Mittelfeldspieler Kevin-Prince Boateng (147 Bundesliga-Spiele, 16 Tore/19 Assists) sowie Mittelstürmer Davie Selke (189, 34/19) zwei Mentalitätsspielern eine gesonderte Rolle zu. Hertha BSC kämpft folglich vor allem Fußball und hat sich in der abgelaufenen Bundesliga-Saison weniger durch eine offensive Spielkultur ausgezeichnet. Mit 43,8 Prozent Ballbesitz (Rang 16), 37 Toren (Rang 16), 12.001 gespielten Pässe (Rang 14) und 34 erspielten Großchancen (Rang 14) finden sich die Berliner jeweils im letzten Drittel dieser Offensivstatistiken wieder, bei den Torschüssen (358) suchte sogar lediglich Absteiger Greuther Fürth (313) seltener sein Glück. Auch in der Defensive sind die Blau-Weißen bei 71 Gegentreffer (Rang 17) nicht gefestigt. 17 Buden und damit einen ligaweiten Negativwert kassierten sie dabei per Kopf.
Der Top-Scorer: Mit lediglich acht Scorerpunkten, resultierend aus fünf Treffern und drei Assists, führt Hertha-Mittelstürmer Ishak Belfodil die teaminterne Top-Scorerliste der Berliner an. Eine Ausbeute, die als Mannschaft Bände spricht, aber keinesfalls die individuelle Qualität des algerischen Nationalspielers (19 Länderspiele, zwei Tore) schmälern soll. Im Gegenteil: Der mit 1,92 Metern groß gewachsene und bullige Mittelstürmer wechselte im Spätsommer 2021 von der TSG 1899 Hoffenheim an die Spree und kann jene 23 Prozent der Torbeteiligungen in lediglich 57 Prozent der möglichen Spielminuten vorweisen – ein starker Wert! „Er ist für mich einer der unterschätztesten Spieler überhaupt. Er ist sehr schnell, arbeitet stark mit dem Körper und ist technisch stark. Das sieht bei ihm nur nicht so aus“, lobte nicht umsonst auch Bayern-Coach Julian Nagelsmann, der Belfodil in Hoffenheim trainierte, vor dem Duell mit der Hertha. Insgesamt kann der 30-Jährige auf die Erfahrung aus 99 Bundesligaspielen (für Bremen, Hoffenheim und Berlin) zurückgreifen, in denen er 25 Treffer und zehn Torvorlagen markierte. Neben Belfodil müssen die Rothosen außerdem vor allem Top-Torschütze Stevan Jovetic (sechs Tore) und die Top-Vorlagengeber Vladimir Darida und Maximilian Mittelstädt (je fünf Assists) auf dem Schirm haben.