Team
07.05.24
Glatzel: Unbändiger Goalgetter
Trotz Widerständen erzielte Robert Glatzel im Stadtderby das Goldene Tor und seinen Saisontreffer Nummer 19. Passend zum heißen Saisonfinish ist der HSV-Torjäger damit wieder voll in der Spur.
Vollsprint in die Gasse, Ballannahme an der vorderen Strafraumkante und dann im Eins-gegen-eins mit dem Außenrist mustergültig am Keeper vorbeigelegt – so traf Robert Nesta Glatzel im 111. Hamburger Stadtderby in bester Stürmermanier zum vermeintlichen 1:0. Die Freude über diesen Treffer aus dem Mittelstürmer-Lehrbuch war im Anschluss grenzenlos: Beide Zeigefinger hinter die Ohren, ein Zeigerfinger wiederholt in Richtung des heimischen Rasens und letztlich ausgebreitete Arme gen Haupttribüne. Die Nummer 9 der Rothosen wusste nicht, wohin mit all ihrem Glück und reagierte umso fassungsloser, als Schiedsrichter Dr. Matthias Jöllenbeck seinem Jubelausbruch ein abruptes Ende setzte. „Offensivfoul“, so die zumindest fragwürdige Entscheidung des Referees, die Glatzel völlig ungläubig im falschen Film zurückließ.
Déjà-vu mit Happy End
Und das nicht zum ersten Mal: Am 23. Spieltag der Vorsaison hatte er beim 3:0-Heimsieg gegen den 1. FC Nürnberg nach einer vergleichbaren Situation, auf das gleiche Tor und in die gleiche Ecke schon einmal getroffen. Auch damals wurde der Treffer nach einem – vor allem in Realgeschwindigkeit – eher handelsüblichen Kreuzen des Stürmers gegen den Verteidiger aufgrund eines vermeintlichen Offensivfouls aberkannt. „Ich musste sofort an diese Szene denken. Andersherum würde ich bei so einer minimalen Berührung niemals ein Foulspiel kriegen“, erklärte der gebürtige Münchener nach dem Abpfiff des Stadtderbys.
Doch Glatzel, dessen gesamte Karriere vom Wiederaufstehen geprägt ist, wäre nicht Glatzel, wenn er sich von solchen Widerständen aus der Bahn werfen ließe. Im Gegenteil: Er und seine Teamkollegen behielten im Stadtderby auch nach einem weiteren aberkannten Tor sowie zweimaligem Aluminium-Pech die Nerven und kamen doch noch spät auf die Siegerstraße. Passenderweise mit einem erneut typischen Stürmertor des 30-Jährigen, der nach einer Muheim-Ecke am zweiten Pfosten auf einen Faust-Fehler Vasiljs spekulierte und die Kugel per Kopfball-Aufsetzer über die Linie drückte (siehe Foto). Der Jubel fiel ebenso grenzenlos wie mehr als eine Stunde zuvor aus, nur mit dem entscheidenden Unterschied, dass er dieses Mal auch zählte. „Man hat gespürt, dass die ganze Mannschaft einfach immer weiter Gas gegeben hat. Wir haben uns, den Fans und der ganzen Stadt gezeigt, dass wir nicht klein beigeben", so Glatzel. „Es ist ein richtig geiles Gefühl, den Fans etwas zurückzugeben – vor allem nach den enttäuschenden letzten Wochen.“
Bestmarke in Aussicht
Wochen, in denen selbst dem treffsichersten Hamburger das Glück im Abschluss gefehlt hatte. Vier Spiele ohne Treffer bedeuteten Glatzels längste Torlos-Durststrecke in der laufenden Saison, zudem verpasste er erstmals nach 94 Zweitliga-Spielen in Serie mit muskulären Problemen zwei weitere Punktspiele. Doch auch dieser Phase trotzte der unbändige HSV-Torjäger, meldete sich bereits am vorangegangenen Spieltag mit einem Doppelpack zum zwischenzeitlichen 2:0 beim 4:0-Auswärtssieg in Braunschweig eindrucksvoll zurück. Wohlgemerkt gesundheitlich angeschlagen und damit nicht im Vollbesitz seiner Kräfte.
Nun folgte ausgerechnet im Stadtderby das Goldene Tor und Saisontreffer Nummer 19. Dabei traf „Bobby“ zum fünften Mal in dieser Saison in aufeinanderfolgenden Spielen. Der beidfüßige Mittelstürmer, der in dieser Zweitliga-Saison neunmal mit rechts, fünfmal mit links, viermal mit dem Kopf und einmal mit der Brust einnetzte, hat also passend zum bevorstehenden Saisonfinale seinen Torriecher wiedergefunden. Und diesen gleich wieder hochempfindlich eingestellt.
Mit 19 Treffern hat Robert Glatzel seine Torausbeute aus der Vorsaison damit bereits eingestellt, mehr Buden waren es nur in seiner Premieren-Saison mit der Raute auf der Brust – damals 22. Zwei Punktspiele, am kommenden Freitagabend in Paderborn und am darauffolgenden Sonntag gegen Nürnberg, bleiben, um diese persönliche Bestmarke ebenfalls einzustellen und dabei womöglich nochmal entscheidend ins Aufstiegsrennen einzugreifen. „Wir wollen die Saison positiv abschließen. Natürlich haben wir noch den Glauben daran, die letzten beiden Spiele zu gewinnen“, sagt Glatzel. „Das ist erst einmal die Grundvoraussetzung, bevor wir auf Düsseldorf gucken. Klar ist: Die Hoffnung stirbt zuletzt.“ Kaum einer verkörpert dieses Mantra so lebendig wie er selbst.