Interview
13.09.18
Frank Schmidt im Porträt: "Ich bereue keinen einzigen Tag"
Er feiert am kommenden Montag sein elfjähriges Dienstjubiläum und hat seinen Platz in den Vereinsannalen bereits sicher: Frank Schmidt ist eine Institution beim 1. FC Heidenheim. Im Interview mit HSV.de spricht der Fußball-Lehrer über alle relevanten Themen rund um seinen Club.
4.015 Tage – das sind genau elf Jahre. Im Profifußball bedeutet diese Zeitspanne eine halbe Ewigkeit. Zwei Tage nach dem Aufeinandertreffen zwischen dem HSV und dem 1. FC Heidenheim am kommenden Sonnabend wird Gäste-Trainer Frank Schmidt genau diese elf Jahre im Amt sein. Damit ist er der aktuell dienstälteste Übungsleiter im deutschen Profifußball. Eine einzigartige Geschichte, die vor mehr als 44 Jahren ihre Anfänge nahm.
Damals, im Januar 1974, wurde Frank Schmidt in Heidenheim geboren. Schnell galt er als talentierter Fußballer und durfte so unter anderem für den Nachwuchs des SSV Ulm und des 1. FC Nürnberg auflaufen. Auch zu Beginn der Profikarriere blieb Schmidt seinen süddeutschen Wurzeln treu und spielte für den TSV Vestenbergsgreuth – heute bekannt als Greuther Fürth. Der Verein sorgte im August 1994 für eine Sensation, als es gelang, den FC Bayern München aus dem DFB-Pokal zu eliminieren. Damals einer der Eckpfeiler in der Innenverteidigung: Frank Schmidt. Im Verlaufe seiner Karriere war der passionierte Tennisspieler anschließend noch für vier weitere Clubs aktiv, ehe er in seine Geburtsstadt zurückkehrte und sich zum Ende der Karriere dem Heidenheimer SB anschloss. Aus dem HSB ging im Jahre 2007 schließlich der 1. FC Heidenheim hervor, welcher zu dieser Zeit noch in der damals viertklassigen Oberliga Baden-Württemberg antrat. Pünktlich zur tiefgreifenden Veränderung verkündete Schmidt sein Karriereende und hing die Schuhe an den Nagel. Anschließend war der inzwischen 33-Jährige fest entschlossen, eine berufliche Laufbahn fernab des runden Leders einzuschlagen. Ein Familienfreund hatte dem gelernten Bankkaufmann eine Stelle als Versicherungskaufmann verschafft, sodass Schmidt endgültig im zivilen Leben angekommen war.
Dieser Zustand hielt allerdings nur drei Monate vor. Dann wurde Dieter Märkle von seiner Aufgabe als Cheftrainer des 1. FC Heidenheim entbunden und Schmidt als Interimstrainer auserkoren. Nach kurzer Absprache mit seinem Chef und den Verantwortlichen des FCH war klar: Der feine Zwirn muss dem noch gut bekannten Trainingsanzug weichen. Es folgten zwei Siege gegen Normania Gmünd und den VfL Kirchheim. Spätestens dann war für alle Beteiligten klar, dass Schmidt eine Dauerlösung sein kann. Nach der schriftlichen Übereinkunft stürzte sich der Ex-Profi voller Eifer in die neue Aufgabe als Trainer. Letztendlich war dies der Beginn einer Erfolgsgeschichte, die bis heute anhält. In den seitdem vergangenen beinahe elf Jahren schaffte der kleine Club nicht nur den Durchmarsch von der Oberliga bis in die Zweite Bundesliga, sondern machte sich auch bundesweit einen Namen als bodenständiger und nachhaltiger Verein, der den handelnden Personen extremes Vertrauen entgegenbringt. Die Konstante in Person dabei: Frank Schmidt.
Im ausführlichen Interview mit HSV.de beschreibt der langjährige Erfolgstrainer welche Philosophie er mit dem FCH verfolgt, wie er über die 2013 veröffentlichte Doku „Trainer“ denkt, was er an Heidenheim besonders mag und welche Berührungspunkte er mit HSV-Coach Christian Titz in Aachen hatte.
HSV.de: Eigentlich wollten Sie nach Ihrem Karriereende als Spieler in den Beruf des Versicherungskaufmanns wechseln. Dann kam das Angebot des FCH und Sie wurden Trainer - was Sie bis heute geblieben sind. Die vergangenen elf Jahre waren nun äußerst intensiv. Gibt es irgendwelche Dinge, die sie in der Zeit vermisst haben?
Frank Schmidt: Klar, als Trainer im Profifußball bist du ständig unterwegs. Das gilt insbesondere für die Wochenenden. Da bleibt manchmal weniger Zeit für die Familie, als man es sich wünscht. Darüber beschwere ich mich jedoch nicht. Das musst du wissen, wenn du in diesem Geschäft tätig bist. Rückblickend betrachtet, bereue ich keinen einzigen Tag, seitdem ich als Trainer tätig bin. Fußball ist das, was ich am besten kann.
In der Dokumentation „Trainer“ haben sie sich äußerst transparent gezeigt und die Kameras sogar in der Kabine zugelassen. Was war damals die Überlegung bevor Sie die Zusage für das Projekt gegeben haben und würden sie es heute genauso machen?
Wir haben die Entscheidung im Verein gemeinschaftlich getroffen. Damals waren wir ein unbekannter Drittligist. Überspitzt formuliert, wusste keiner wo Heidenheim eigentlich liegt. Deshalb haben wir diesen Film auch als Chance für uns gesehen, den Zuschauern den FCH näher zu bringen. Außerdem hätte es mir als Außenstehender selbst gefallen, Einblicke in die tägliche Arbeit eines Profitrainers zu erhalten. Hinzu kam, dass ich Aljoscha Pause, den Regisseur, schon aus meiner aktiven Zeit als Spieler kannte. Ob wir es heute nochmals genauso machen würden? Ich denke so etwas macht man nur zu einem richtigen Zeitpunkt und nur einmal in dieser Form, alles eben zu seiner Zeit.
Sie haben noch einen gültigen Vertrag bis Sommer 2020. Sollte sich einmal eine andere Traineraufgabe auftun, was müsste Ihnen dieser Verein bieten bzw. welche Punkte wären Ihnen am wichtigsten, um bei einem anderen Club anzufangen?
Für mich geht es im Leben wie im Fußball immer um Konstellationen. Die Konstellation beim FCH war in der Vergangenheit nie so, dass ich den Verein verlassen wollte oder musste. Wichtig ist mir immer, dass ich mich zu einhundert Prozent mit dem Verein und der Aufgabe identifizieren kann. Ich möchte nichts verwalten und immer den nächsten Schritt machen, wie alle handelnden Personen beim FCH. Deshalb passt diese Konstellation in Heidenheim so gut.
In Bezug auf die aktuelle Situation und den Kader des FCH fällt auf, dass sich dort ausschließlich Spieler finden, die der deutschen Sprache mächtig sind. Was ist die Überlegung hinter dieser Konstellation?
Uns ist wichtig, dass unsere Spieler unsere Spielauffassung und unsere Vereinsphilosophie genau verstehen. Dafür ist es auf jeden Fall von Vorteil, wenn unsere Spieler vom ersten Tag an bei uns alles problemlos verstehen und keinen Dolmetscher oder zusätzliche monatelange Sprachkurse brauchen.
Marc Schnatterer ist die zweite große Identifikationsfigur beim FCH. Natürlich ist es für Verein und Trainer positiv, dass Schnatterer trotz diverser Angebote nie in die Bundesliga gewechselt ist. Wie konnten Sie ihn von einem Verbleib überzeugen?
Ich glaube, Marc schätzt am FCH einerseits das familiäre Umfeld, andererseits aber auch die immer wieder neuen und ehrgeizigen Ziele. Er fühlt sich in Heidenheim einfach wohl und kann sich hier voll auf seinen Job konzentrieren. Wir sind froh, solch einen absoluten Leistungsträger und Führungsspieler in unseren Reihen zu haben, der Jahr für Jahr seine Leistungsstärke mit einer unheimlichen Konstanz abrufen kann.
Was gefällt Ihnen an Heidenheim eigentlich am besten?
Wir sind eine Mittelstadt mit 50.000 Einwohnern, in der es einem an nichts fehlt. Drum herum haben wir eine tolle Natur und wer es auch mal größer mag, die nächsten Großstädte wie Stuttgart oder München sind auch nicht weit entfernt. Hinzu kommt, dass ich in Heidenheim geboren bin, meine Familie um mich habe und die Mentalität der Menschen ganz genau kenne. Ich fühle mich hier sehr wohl.
Christian Titz ist in Mannheim geboren und hat in Sandhausen im Jugendbereich gespielt. Gab es im Laufe ihrer Karriere irgendwelche Berührungspunkte mit dem jetzigen HSV-Coach?
Ja, die gab es in der Tat. Zu meiner Zeit als Spieler bei Alemannia Aachen hatte Eugen Hach, unser damaliger Trainer, ihn als U19-Trainer sozusagen mitgebracht. Teilweise war er auch bei den Profis dabei. Deshalb kennen wir uns schon sehr lange, hatten in den letzten Jahren jedoch keinen Kontakt zueinander.
Die Wege des HSV und des FCH könnten kaum unterschiedlicher sein. Hier der große Traditionsverein, der den eigenen Ansprüchen in den letzten Jahren häufig nicht gerecht werden konnte, dort der bodenständige Emporkömmling, der gefühlt immer am Leistungslimit agiert. Was sind die größten Unterschiede zwischen den Clubs und welche Parallelen lassen sich vielleicht erkennen?
Die Unterschiede könnten in der Tat kaum größer sein – das Stadion, das Medieninteresse, die Kaderzusammenstellung oder die Zuschauer und- Mitgliederzahlen, alles eine gewaltige Dimension im Vergleich zu unserer Stadt bzw. unserem Verein. Der HSV denkt und handelt in allen Bereichen größer als wir, muss zurück in die 1. Bundesliga. Außerdem wirkt in einer Metropole wie Hamburg mit Sicherheit ein Vielfaches an Einflussfaktoren auf solch einen großen Verein ein. Dass es jetzt am Samstag im Auswärtsspiel beim HSV, trotz aller Unterschiede, um wichtige Punkte geht, macht uns schon ein bisschen stolz.