Interview
11.07.23
Elijah Krahn: "Das hat mich extrem gepusht"
Eine spannende Entwicklung, der Glaube als Anker und die Mentalität vom Straßenfußball: Youngster Elijah Krahn spricht im HSV.de-Interview ausführlich über seine aufregenden vergangenen Wochen und Monate beim HSV.
Startelfdebüt, Profivertrag und Trainingslager: Hinter Elijah Krahn liegen spannende Wochen und Monate. Und das alles nach zwei schweren Knieverletzungen binnen kürzester Zeit, die auch für Zweifel gesorgt haben. Doch mit dem Glauben als festen Anker und ganz viel Biss hat sich der Youngster stetig zurückgekämpft und geht seit der Unterzeichnung seines ersten Arbeitsvertrages als Lizenzspieler den nächsten Schritt. Gerade in den Einheiten im Trainingslager in Österreich präsentiert sich der 19-Jährige extrem fokussiert. Mit hsv.de hat sich der gebürtige Hamburger über seine Entwicklung und seinen bisherigen Werdegang unterhalten. Ein Gespräch über Straßenfußball, Glaube, Rückschläge und Comebacks.
HSV.de: Elijah, für das Foto des Trainingslagers (siehe oben) hast du bereits gesorgt. So gelenkig muss man erstmal sein. Können wir dem Bild entnehmen, dass du bereits zum jetzigen Zeitpunkt der Vorbereitung körperlich maximal fit bist?
Elijah Krahn: Das Foto ist stabil. (schmunzelt) Auf jeden Fall, ich bin körperlich und athletisch sehr fit aus der Sommerpause zurückgekehrt. Das habe ich auch bei den Leistungstests zu Beginn der Vorbereitung gesehen. Ich habe in der Pause sehr viel trainiert und an meiner Athletik gearbeitet. Ich habe richtig Gas gegeben, denn in den vergangenen Vorbereitungen war ich immer verletzt, deshalb wollte ich richtig fit zurückkommen – und das hat gut geklappt.
Hier in Kitzbühel legt ihr den Grundstein für die kommende Saison. Bis zu drei Einheiten am Tag – teilweise mit einer Länge von zweieinhalb Stunden – spult ihr in Österreich ab. Geht ihr schon ans Limit oder wie intensiv sind die Einheiten bisher für dich?
Wir gehen schon an unser Limit und trainieren sehr viel, aber auch richtig intensiv. Das ist ein guter Grundbaustein für die Saison. Wenn wir in unserer Fitness sehr weit vorne sind und mehr laufen als unsere Gegner, kann das nur ein Vorteil für uns als Mannschaft sein. Vor allem in den Spielformen auf kleineren Feldern geht es ordentlich zur Sache. In diesen Übungen arbeiten wir auch an unserer Fitness mit dem Ball am Fuß, das ist auch für den Kopf sehr gut, als nur das klassische Laufen. Gerade als Mittelfeldspieler bin ich auf engeren Feldern sehr häufig am Ball, da kann man sich nicht verstecken oder sich erlauben, müde zu sein.
Neben dem Platz wirkst du sehr fokussiert, auf dem Platz überzeugst du mit kompromisslosen Zweikampfverhalten und gehst in den Einheiten voran. Was hast du dir speziell für das Camp, aber auch für die kommende Saison vorgenommen?
Ich möchte zeigen, was ich kann. Durch meine Verletzungen bin ich noch fokussierter und möchte mich in eine gute Position für die kommende Saison bringen. Ich merke, dass ich das Vertrauen vom Trainerteam bekomme und auch, dass ich gut in die Vorbereitung gestartet bin – das fühlt sich gut an. Ich bekomme auch entsprechendes Feedback von den Trainern oder auch den Spielanalysten. Sie zeigen mir anhand von Videosequenzen, was ich schon gut mache, aber worin ich mich auch noch verbessern kann – das ist schon sehr hilfreich.
"Es erfüllt mich mit Stolz, dass ich hier verlängert habe und zum Profi geworden bin."
Erst kürzlich hast du deinen Vertrag bis 2025 beim HSV verlängert und erstmals einen Profivertrag unterschrieben. Was war das für ein Gefühl für dich?
Das war natürlich ein sehr besonderer Moment. Als Hamburger Jung beim HSV meinen ersten Profivertrag zu unterschreiben, hat mich, aber auch meine Familie sehr glücklich gemacht. Ich bin dieser Stadt aufgewachsen und habe hier das Fußballspielen erlernt. Es erfüllt mich mit Stolz, dass ich hier verlängert habe und zum Profi geworden bin.
Inwiefern hat dir diese Vertragsverlängerung auch einen zusätzlichen Push gegeben?
Das hat mich extrem gepusht. Wenn ich Vertrauen von Menschen bekomme, dann gibt mir das generell Selbstvertrauen. Auch meine Familie hat sich sehr für mich gefreut, das macht mich natürlich glücklich. Und diese Glücksgefühle habe ich mit in die Vorbereitung genommen. Ich merke, dass ich mehr aus mir herauskomme, selbstbewusster im Team auftrete, vorangehe und auch mehr Witze mache – ich fühle mich einfach noch integrierter im Team. Das merke ich auch in den Einheiten auf dem Platz: Ich gebe mehr Kommandos und fordere häufiger den Ball. Wenn ich in einer Aktion lautstark den Ball fordere und auf mich aufmerksam mache, ist es wahrscheinlicher, dass die Kollegen mich anspielen, als wenn ich ruhig in der Ecke stehe. Das ist der nächste Entwicklungsschritt, auch in meiner Persönlichkeit, den ich gehe.
Hinter dir liegen bewegende Monate mit zwei schweren Verletzungen, einigen Kurzeinsätzen – unter anderem beim 4:3-Derbysieg gegen St. Pauli – und deinem Startelfdebüt in Magdeburg. Hast du in der Sommerpause Zeit gefunden, das Erlebte einmal in Ruhe zu verarbeiten?
Wenn es sich bei mir gerade mal nicht um Fußball oder zusätzliche Fitnesseinheiten dreht, dann steht die Religion bei mir an erster Stelle. So auch zum Beispiel in der Sommerpause, als ich mit meinen Schwestern in den Niederlanden bei einem großen kirchlichen Event war. In den Gebeten mit der Familie oder Freunden schalte ich am besten ab. So auch bei der Reise nach Holland: Da habe ich viel Zeit mit meinen Schwestern verbracht, wir waren essen, haben viel gelacht und einfach die Zeit genossen. Während der Saison habe ich nicht so viel Zeit, da sind solche Momente umso wichtiger.
Welche Rolle spielt generell der Glaube in deinem Alltag?
Ich bin Gott dankbar, dass er mir hilft. Der Glaube ist für mich ein Anker. Gott ermöglicht mir meine Profikarriere und hat mir ein Talent geschenkt. Ich versuche immer am Wochenende in die Kirche zu gehen und versuche so oft wie möglich zu beten und die Bibel zu lesen. Dabei verfolge ich aber kein System. Ich habe mir beispielsweise bei Mo Salah, auch wenn er zwar Moslem ist, einiges abgeschaut, wie er den Fußball und den Glauben miteinander kombiniert.
"Beim Straßenfußball habe ich am meisten gelernt - das merke ich auch heute noch. "
Du hast schon im frühen Kindesalter beim SC Concordia im Verein gespielt, aber am liebsten warst du mit deinen Jungs auf der Straße am Zocken…
Das stimmt, auf der Straße habe ich am meisten gelernt. Das merke ich auch heute noch: Vor allem in engen Situationen muss ich nicht viel nachdenken, das habe ich von klein auf einfach so drin. Das sieht man auch bei den ganz großen Spielern, die auf der Straße gezockt haben, dass sie auf dem Platz Vorteile haben. Sie handeln einfach instinktiv.
Wie sahen die Tage damals im Detail aus?
Die Zeit im Käfig war einfach geil. Wir waren bei uns zu Hause, standen am Fenster und haben zum nächsten Nachbarn geschrien. Dann sind wir rausgegangen, haben Teams gewählt und einfach Fünf-gegen-fünf auf kleine Tore gespielt. In der Zeit habe ich auch viele YouTube-Videos von Zidane, Messi oder auch Neymar geschaut und dann versucht auf der Straße einige Tricks nachzumachen.
Wenn wir bei diesem Thema bleiben: Wie sehr haben dich die Tugenden vom Bolzen in den Käfigen und auf der Straße geprägt?
Natürlich unterscheidet sich ein Zweitliga-Spiel vom Bolzen in den Käfigen, aber von der Mentalität her ist es wiederum relativ ähnlich. Ich habe schon immer gegen ältere Jungs gespielt und musste mich durchsetzen. Ich wollte nie klein bei lassen, weil ich der jüngste oder kleinste war, da habe ich schon viel gelernt. Auch auf meine Technik bezogen, habe ich in dieser Zeit einiges mitgenommen, denn wenn man gegen körperlich überlegene Spieler spielt, muss man die Situationen anders lösen.
Neben den Zweikämpfen auf dem Platz hattest du zu Hause auch einige Duelle zu meistern. Mit deinen vier Schwestern, die am liebsten eigentlich nur Tanzen und dich nicht auf den Fußballplatz begleiten wollten. Inwiefern hat dich auch das in deiner Entwicklung geprägt?
Als Junge hat man sicherlich andere Vorlieben, aber dennoch war beziehungsweise ist es eine schöne Zeit mit meinen Schwestern. Wir waren schon sehr eng als Familie zusammen. Gerade meine kleinere Schwester (15 Jahre) wollte ich immer als großer Bruder beschützen. Denn in dieser Rolle musste und wollte ich Verantwortung übernehmen. Ebenso konnte ich mir bei meinen älteren Schwestern (22, 28, 35 Jahre) auch – gerade, wenn ich mal durchgedreht bin – Ratschläge holen. (lacht) Nach wie vor stehe ich mit allen vier in Kontakt, auch wenn zwei gar nicht in Hamburg leben.
Du hast dein Abitur gemacht, die Führerscheinprüfung erfolgreich absolviert und nun wie bereits erwähnt einen Profivertrag bei deinem Verein als Hamburger Junge unterzeichnet. Man könnte meinen, dass im Leben von Elijah Krahn alles nach Plan läuft, oder?
Ich bin auf einem guten Weg. Der Profivertrag war ein großer Meilenstein für mich. Das motiviert mich, einfach mehr zu machen, weil man in solchen Momenten merkt, was im Leben alles möglich ist, wenn man immer dranbleibt und trainiert. Das ist ein guter Anfang und nun kommen die nächsten Ziele, die es zu erreichen gilt: Ich möchte mehr Spielzeit bekommen, mich aber auch als Mensch weiterentwickeln. Ich möchte eine Persönlichkeit werden, ein besserer Fußballer werden und mit dem HSV aufsteigen.
"Nach der Rückkehr dachte ich mir: Jetzt bin ich hier, habe nichts mehr zu verlieren und gehe All In."
Gab es auf deinem bisherigen Weg besondere Schlüsselmomente und auch Situationen, in denen du ins Zweifeln gekommen bist?
Meine beiden Verletzungen innerhalb kürzester Zeit, würde ich da schon als Schlüsselmomente bezeichnen. Nach der Rückkehr dachte ich mir: Jetzt bin ich hier, habe nichts mehr zu verlieren und gehe „All In“. Seitdem lief es viel besser. Das liegt auch daran, dass ich mehr im athletischen Bereich gearbeitet habe. Auf der anderen Seite hatte ich nach diesen beiden Verletzungen, die ich mir ja am selben Knie zugezogen hatte, natürlich auch Zweifel, ob es mit diesem Knie überhaupt reicht. Aber es gab für mich keine andere Option als weiterzumachen.
Abschließend: Hier in Kitzbühel stehen noch intensive Einheiten an, zudem in Hamburg noch knapp zwei Wochen Vorbereitung, ehe ihr am 28. Juli im Volksparkstadion gegen den FC Schalke 04 die neue Zweitliga-Saison eröffnet. Wie groß ist die Vorfreude auf den Auftakt der neuen Spielzeit?
Die Vorfreude ist schon jetzt groß. Das wird ein riesiges Spiel vor ausverkauftem Haus im eigenen Stadion – das ist eine geile Saisoneröffnung. Da freuen wir uns als Mannschaft drauf und wollen einen erfolgreichen Start in die Spielzeit hinlegen. Natürlich möchte ich gerne spielen, dafür gebe ich in der Vorbereitung weiterhin Vollgas.