Interview
22.05.24
„Der sportliche Impuls ist der entscheidende Aspekt“
Michael Papenfuß, Aufsichtsratsvorsitzender der HSV Fußball AG, spricht im Interview mit hsv.de über die Vorstandsentscheidung des Aufsichtsrates, über öffentliche Spekulationen und vermeintliche Kandidaten.
hsv.de: Der Wochenstart nach Pfingsten war aus HSV-Sicht ereignisreich. Der Aufsichtsrat hat Vorstand Jonas Boldt freigestellt und mit Stefan Kuntz einen neuen Vorstand Sport eingesetzt. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Michael Papenfuß: Es war der Abschluss eines Analyse- und Entscheidungsprozesses, dem wir uns im Aufsichtsrat gemäß unserer Verantwortung vor einigen Wochen gestellt haben. Im Rahmen dieses intern abgestimmten und geordneten Verfahrens haben wir uns mit möglichen Alternativen beschäftigt, wir haben natürlich auch die Arbeit unseres für den Fachbereich Sport zuständigen Vorstandes begutachtet und bewertet. Und am Ende, nachdem dann auch der Verbleib des HSV in Liga zwei feststand, haben wir in unserer detaillierten Gesamtanalyse eine Abschlussbewertung vorgenommen. Für uns im Gremium stand fest: Der sportliche Impuls ist der entscheidende Aspekt. Darum haben wir Jonas Boldt freigestellt und uns für Stefan Kuntz als neuen Vorstand Sport entschieden.
Du hast bei der Verkündung dieser Entscheidung die besonderen Verdienste Jonas Boldts erwähnt, die über die sportliche Entwicklung deutlich hinausgehen. Warum kam es trotzdem zu dessen Freistellung?
Jonas hat hier vieles aufgebaut, er hat wichtige Entwicklungen eingeleitet und den Club zuletzt gemeinsam mit seinem Vorstandskollegen Dr. Eric Huwer gut geführt, dabei auch die unerlässliche finanzielle Gesundung der HSV Fußball AG maßgeblich mitgetragen. Diese Verdienste rechnen wir als Rat und auch ich als dessen Vorsitzender und als Vizepräsident des Vereins Jonas sehr hoch an. Das habe ich ihm auch persönlich gesagt. Aber unterm Strich steht eben leider auch, dass der HSV in Jonas’ Vorstandszeit fünfmal hintereinander nicht aufgestiegen ist, wir nun also schon sechs Jahre lang die Rückkehr in die Bundesliga anstreben und diese nicht geschafft haben. Das war und ist für uns als ambitionierter Fußballclub ausschlaggebend gewesen. Wir als Aufsichtsrat haben daher eine gemeinsame Entscheidung getroffen.
Auf dem Weg zu dieser Entscheidung musste sich der Aufsichtsrat, insbesondere du, auch medial einige Kritik gefallen lassen. Die Räte seien zu zögerlich gewesen, hieß es. Und du schienst es nach Medienberichten nicht mal für nötig gehalten zu haben, Felix Magath als einen der potenziellen Alternativkandidaten zurückzurufen. Zudem gab es einige Absagen von anderen gehandelten, namhaften Personen.
Ich habe auch viele dieser Geschichten gelesen oder davon gehört und bin nach wie vor zum Teil überrascht. Bezüglich des Zeitfensters unserer Entscheidungsfindung kann ich nur sagen, dass wir uns schon vor Wochen einen Zeitplan im Aufsichtsrat hingelegt haben, an dem wir uns bis zuletzt orientieren konnten. Nach dem Feststehen der Ligazugehörigkeit haben wir selbstverständlich auch Jonas die Gelegenheit gegeben, seine Analyse mit den aus seiner Sicht notwendigen Anpassungen vorzustellen. Im Anschluss daran haben wir im Rat die finalen Analysen und Bewertungen vorgenommen. Schließlich haben wir den Kontakt zu Stefan Kuntz hergestellt und Jonas Boldt persönlich informiert. Jahrelang war der Vorwurf an den Aufsichtsrat, dass er zu viel spricht und zu viel, teils direkt aus Sitzungen durchsickert. All das ist diesmal nicht passiert. Eher haben sich Außenstehende über die Medien ins Gespräch gebracht bzw. die Situation kommentiert. Und hinsichtlich der vermeintlichen Absagen möchte ich nur so viel sagen: Nach meinem Verständnis kann man Absagen nur dann erteilen, wenn es weiterführende Gespräche und entsprechend ein Angebot gab. Wir haben aber nur einem einzigen Kandidaten ein Angebot unterbreitet – und dieses ging an Stefan Kuntz.
Dann bliebe nur noch dein ausgebliebener Rückruf an Felix Magath.
Zunächst, aus einer Mücke sollte man keinen Elefanten machen. Ja, den ausgebliebenen Rückruf hat es gegeben und dafür habe ich mich bei Felix Magath bei einem Folgetreffen entschuldigt. Dazu möchte ich allerdings anmerken, dass ich Felix Magaths Anruf natürlich nicht ignoriert habe, sondern ihn sofort im Personalausschuss des Aufsichtsrates erwähnt habe. Daraufhin hat einer meiner Kollegen ihn angerufen, so wie wir es gemäß der Aufgabenteilung im Rat besprochen hatten, womit für mich der Rückruf erledigt war.
Im Rahmen der Vorstandsdiskussionen war in der Öffentlichkeit auch immer mal wieder die Rede von einem möglichen dritten Vorstand. Wie ist diesbezüglich der Stand?
Damit beschäftigen wir uns derzeit nicht. Die Organisation und Führung der HSV Fußball AG ist stark und voll handlungsfähig.
Eine Abschlussfrage noch: Was erwartet der Aufsichtsrat des HSV nun von der neuen Vorstandskonstellation?
Gemeinsame Führungsarbeit mit wichtigen und strategisch richtigen Entscheidungen. Wir wollen unseren grundsätzlich eingeschlagenen Weg fortsetzen, mit Stefan Kuntz in sportlicher Regie. Wir müssen die Sommerpause nutzen, um den sportlichen Bereich und natürlich auch die weitere Organisation voll auf die Spielzeit 2024/25 vorzubereiten und einzustimmen. Wir stehen beratend und begleitend zur Seite.
Danke für das Gespräch.