Nachbericht
02.04.17
Weiter Schlag auf Schlag
Nach dem emotionalen Sieg gegen Köln bleibt den Rothosen keine Zeit zum Verschnaufen. Bereits am Dienstag (Anstoß 20:00 Uhr) wartet beim Tabellenvierten aus Dortmund die nächste schwere Aufgabe.
Als Lewis Holtby den HSV in der 92. Minute zum Last-Minute-Sieg gegen Köln schoss, kam es im ausverkauften Volksparkstadion zu einer Gefühlsexplosion, die bis in die tiefen Winkel von Stellingen, Bahrenfeld und Eidelstedt zu spüren war. Die gut 50.000 HSV-Anhänger auf den Rängen, die elf Spieler auf dem Platz sowie die weiteren Protagonisten auf der Bank - sie alle hatten es geschafft: Sie hatten diesen Sieg in den Schlussminuten erzwungen, den Ball gemeinsam irgendwie über die Linie gebracht. Die 92. Minute war ein Sinnbild für die Entwicklung der letzten Wochen, den großen Zusammenhalt zwischen Fans und Mannschaft und die verinnerlichte Philosophie, dass mit Kampf und Teamgeist bis zur letzten Sekunde immer alles möglich ist. "Es ist fantastisch, wie wir von den Fans getragen werden. Du hattest bei dem Tor das Gefühl, dass das Stadion zusammenbricht", erklärte HSV-Trainer Markus Gisdol nach der Partie, drückte aber prompt auch auf die in diesem Fall schwer zu tretende Euphoriebremse."Zeit für Party ist nicht. Wir können uns heute freuen, aber müssen gleich auch wieder gut regenerieren, weil am Dienstag das nächste Spiel ansteht."
Und so kam es, dass am Tag nach dem 2:1-Sieg rund um das Volksparkstadion nicht mehr viel von der gestrigen Gefühlsexplosion zu spüren war. Die Spieler widmeten sich mit einem Waldlauf oder einer Einheit auf dem Fahrrad der Regeneration, die Blicke des Trainerstabs gingen bereits auf das nächste Spiel am Dienstagabend bei Borussia Dortmund (Anstoß 20:00 Uhr).
HSV.deblickt noch einmal auf das gestrige Spiel gegen Köln zurück, gibt einen Überblick über die Personallage und wagt einen Ausblick auf die anstehende Woche.
Zum Spiel: Am 26. Spieltag der laufenden Spielrunde begegneten sich der HSV und der 1. FC Köln mit offenem Visier. In einem unterhaltsamen Bundesliga-Spiel schlichen sich allerdings auf beiden Seiten viele Fehler und Ungenauigkeiten ein, die jeweils der Gegenseite in die Karten spielten. Nicolai Müller setzte dabei in der 13. Minute den ersten Treffer zum 1:0, Kölns Milos Jojic (25.) egalisierte die Führung per Kopf zwölf Minuten später. "Wir haben gestern nicht unser bestes Spiel gezeigt, gerade unser Defensivverhalten mit der ganzen Mannschaft war nicht gut", erklärte Markus Gisdol heute in einer Presserunde. "Wir haben das mit der Mannschaft klar besprochen und analysiert. Denn wir können es besser. Egal ob Sieg oder Niederlage, wir müssen selbstkritisch bleiben und das emotionale Ende der Partie darf über die Fehler nicht hinwegtäuschen."
Nach dem leistungsgerechten Remis zur Pause bekamen die Rothosen im zweiten Durchgang mehr und mehr Zugriff auf das Spiel. Die eingewechselten Albin Ekdal (46.), Michael Gregoritsch (53.) und Gotoku Sakai (69.) brachten dabei Struktur und frischen Wind ins Spiel. Defensiv ließ die Gisdol-Elf so kaum noch Chancen zu, offensiv erarbeitete sie sich am Ende ein Plus von 14:7-Torschüssen. An vorderster Front ackerte dabei der selbsternannte "Duracell-Hase" Lewis Holtby. Mit zwei beherzten Grätschen in der 87. Minute heizte er den Volkspark nochmal richtig an, sein Siegtreffer in der 92. Minute setzte dem Ganzen dann die Krone auf. "Wir haben gezeigt, dass wir gut im Saft sind und körperlich voll da sind. Wir waren in der Schlussphase erneut in der Lage, nochmal anzuziehen und das gibt uns viel Zutrauen für die kommende Aufgaben", lobte Gisdol den Fitnesszustand und die Mentalität seiner Jungs.
Zur Personalsituation: Was sich am gestrigen Abend schon angedeutet hatte, wurde heute durch die Diagnose der medizinischen Abteilung leider bestätigt. HSV-Topscorer Nicolai Müller (Fünf Tore, sieben Vorlagen) hat sich im Spiel gegen Köln schwerer verletzt und wird mit einem Innenbandriss im linken Knie voraussichtlich sechs Wochen ausfallen. "Es wiegt schwer, einen so guten Spieler wie ihn zu verlieren, aber wir haben in solchen Situationen auch immer Stärke bewiesen und haben einen guten Kader", erklärte Gisdol. Michael Gregoritsch, Luca Waldschmidt und Bakery Jatta stellen laut dem 47-Jährigen nun die Alternative für die rechte Außenbahn dar - "Das Rennen ist offen und ich hoffe, dass der nächste Spieler einspringt und die Lücke schließt."
Gideon Jung, der gestern zur Halbzeit mit muskulären Problemen ausgewechselt wurde, ist für das Spiel gegen Dortmund fraglich. "Hier stehen die Chancen heute 50:50", so Gisdol. Auf dem Weg der Besserung befindet sich dagegen Aaron Hunt. Der Kreativspieler absolvierte heute eine individuelle Einheit auf dem Platz und könnte beim kommenden Punktspiel in Dortmund im Aufgebot der Rothosen stehen, wie Gisdol erklärte: "Bei Aaron sah es heute schon ganz gut aus, aber es ist immer kritisch, wenn ein Spieler ohne Training ins Spiel geht. Wir werden das morgen beobachten und dann entscheiden, ob es schon für den Kader reicht."
Der Ausblick: Am Tag nach dem emotionalen 2:1-Sieg gegen Köln stand die Regeneration im Vordergrund. Denn bereits am Dienstagabend (Anstoß: 20:00 Uhr) steht für den HSV mit dem Gastspiel in Dortmund das nächste Punktspiel auf dem Programm. Die Dortmunder sind dabei saisonübergreifend seit 34 (!) Bundesliga-Spielen im heimischen Signal-Iduna-Park ungeschlagen. Die letzte Niederlage gab es vor zwei Jahren am 4. April 2015 gegen den FC Bayern München (0:1). Mit einer jungen Mannschaft steht der Champions-League-Viertelfinalist aktuell auf Platz vier der Tabelle und spielte jüngst im Revierderby gegen Schalke 1:1-Unentschieden. "Mich beeindruckt der stets nach vorn ausgerichtete Spielaufbau der Dortmunder und mit welcher Konsequenz sie das Tempo anziehen. Das ist ein ganz hohes Level und nach Bayern sind sie das beste Team in Deutschland", weiß Markus Gisdol über den Schweregrad der kommenden Aufgabe.
Wie erbarmungslos die Borussen in der Offensive auftreten können bekamen die Rothosen in der Hinrunde am eigenen Leib zu spüren. Die 2:5-Niederlage am 10. Spieltag markiert für viele Beobachter zugleich Tief- und Wendepunkt der laufenden HSV-Saison. Seither haben die Rothosen aus 16 Spielen starke 28 Punkte geholt. "Die zwei Tore aus dem Spiel bleiben für mich hängen", blickt Markus Gisdol zurück. "Das waren die ersten Lichtblicke, weil wir gezeigt haben, dass wir Tore schießen können. Dem Team waren zuvor in neun Spielen ja nur zwei Treffer gelungen."
Wie sich der Glaube ans Team und das eigene Selbstbewusstsein seitdem verändert haben, zeigte am gestrigen Nachmittag nicht zuletzt die 92. Minute. Ein Sieg, der weiter Kraft gibt. Denn für den HSV gilt es, diese Mentalität auch in den kommenden wichtigen Spielen um den Klassenerhalt aufs Spielfeld zu bringen. Nächste Chance dafür: das Spiel in Dortmund.