
Interview
27.06.22
Bilbija: „Ich lebe seitdem viel mehr im Moment“
In einem ausführlichen Interview spricht HSV-Neuzugang Filip Bilbija über seine Trainingslager-Eindrücke, die Kraft von Büchern und Meditation sowie den Match zwischen seinen Stärken und der Spielidee von Tim Walter.
Dass der HSV mit Filip Bilbija einen äußerst interessanten Offensiv-Allrounder verpflichtet hat, stand ohnehin schon fest. Der 22-Jährige war in der abgelaufenen Zweitliga-Saison an neun (sieben Treffer, zwei Vorlagen) der 30 Ingolstädter Saisontore (30 Prozent) direkt beteiligt und avancierte somit zu einem gefragten Akteur auf dem Transfermarkt. Aber auch abseits des sportlichen Profils hat der Deutsche mit serbischen und montenegrinischen Wurzeln einige bemerkenswerte Denkansätze zu bieten, die er im ausführlichen Trainingslager-Interview kundgetan hat. Wie er die ersten Tage in der Steiermark empfunden hat, welche Verbindungen zwischen der Spielidee von Tim Walter und seinen Qualitäten bestehen und warum er auf Bücher und Meditation statt auf Social-Media-Kanäle setzt, das erklärte der Abiturient mit seiner ruhigen und analytischen Art.
Filip, die ersten Tage im Trainingslager liegen hinter uns. Ist dieser Teil der Saisonvorbereitung auch für dich immer ganz besonders?
Das kann ich gar nicht genau sagen. Ob ich im Trainingslager trainiere oder in Hamburg, spielt für mich keine große Rolle. Natürlich wird hier mehr der Fokus auf den athletischen Bereich gelegt, dafür empfinde ich den Spaßfaktor aber auch als etwas höher, weil wir als Gruppe so eng zusammen sind. Es ist schon etwas Besonderes, denn ein Trainingslager findet in der Regel nur zweimal pro Saison statt.
Wie gefällt es dir hier vor Ort in der Steiermark?
Ich liebe es, in den Bergen und generell an der frischen Luft zu sein, deswegen finde ich es hier sehr schön. Das Hotel ist super, die Trainingsplätze ebenfalls in einem sehr guten Zustand. Hier haben wir alles, was wir brauchen.
Für dich bricht im Sommertrainingslager die zweite Woche beim HSV an. Inwiefern musstest du dich im Vergleich zur Zeit in Ingolstadt sportlich umstellen?
Ich spiele immer Fußball, um zu gewinnen. Natürlich ist das Niveau hier höher als in Ingolstadt, aber mit dem FCI sind wir 2020/21 auch aufgestiegen und haben ständig um Siege gespielt. Deswegen kenne ich diesen positiven Druck und freue mich, ihn hier beim HSV wieder zu verspüren. Jetzt möchte ich den nächsten Step gehen.
Tim Walter hat dich in einer Medienrunde als „Schleicher“ in den offensiven Räumen bezeichnet. Welche Qualitäten willst du konkret auf den Platz bringen?
Am ehesten kann ich meine Stärken im Zentrum einbringen, dort kann ich der Mannschaft am meisten helfen. Ich bin sehr variabel, flexibel und will das Spiel immer selber lenken. In der Mitte finden viele Zweikämpfe statt, man ist viel mehr involviert. In Ingolstadt habe ich meistens am Flügel gespielt, das hat auch seinen Reiz, zumal die Positionen hier im Spielsystem von Tim Walter ohnehin sehr frei interpretiert werden. Das gefällt mir sehr, denn ich kann mich mit diesen Freiheiten gut ausleben. Grundsätzlich mache ich mein Spiel für das Team und versuche da immer intuitiv zu bleiben.

Du sprichst die Spielidee des Coaches schon an. Was macht diese so besonders?
Was mir der Trainer vor meinem Wechsel im Telefonat erzählt hat, das hat sich zu 100 Prozent bewahrheitet. Er will jedes Spiel gewinnen, deswegen gibt es bei ihm auch im Training immer einen Sieger, der entsprechend belohnt wird. Die Bestrafungen für die Verlierer sind ein Ansporn. Mit diesem Ansatz wollen wir auch in die Saison gehen. Mir gefällt die dominante Philosophie, denn ich möchte immer den Ball haben.
Das zeigst du auch hier im Trainingslager, wo du dich sehr selbstbewusst und aktiv präsentierst. Woher kommt dieses Mindset?
In den vergangenen zwei Jahren habe ich mich in meiner Freizeit sehr viel mit mentalen Betrachtungsweisen beschäftigt. Wie geht man mit einer Niederlage um? Wie geht man mit bestimmten Situationen um? In Bezug auf diese Fragen habe ich einiges mitgenommen und lebe seitdem viel mehr im Moment. Aus der Vergangenheit kann man nur lernen, deswegen verschwende ich keine negative Energie. Ich lese sehr gern Bücher und beschäftige mich mit den Inhalten, weil mir das viel Kraft gibt. Zusätzlich meditiere ich auch, das schärft das Bewusstsein für den Moment.
Dazu passt, dass du auf keiner Social-Media-Plattform vertreten bist.
Genau. Mit den Büchern kam auch die Erkenntnis, dass Social Media sich vor allem um das Leben anderer Leute dreht. Ich habe einfach irgendwann gemerkt, dass mich das nicht nach vorn bringt, zu wissen, wer gerade wo essen oder feiern geht. (lacht) Es ist für mich einfach erholsamer, wenn ich mich mit einem Buch beschäftige, anstatt eine Stunde am Handy zu verbringen.
Hilft dir diese Ausgeglichenheit auch, dem Druck beim ambitionierten HSV standhalten zu können?
Auf jeden Fall. Natürlich gehört der HSV auf dem Papier in die Bundesliga, der Blick in die Zukunft bringt jetzt aber noch nichts. Erstmal wollen wir hart trainieren und dann freuen wir uns sehr, wenn die Spiele wieder losgehen. Wenn wir alles reinhauen, werden die Chancen groß sein. Erstmal sollten wir uns aber auch hier auf den Moment konzentrieren.