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05.04.24
Wirbelwind im Aufwind
Mittelfeldspieler Anssi Suhonen hat in der laufenden Rückrunde erneut ein eindrucksvolles Comeback gefeiert. Nach den jüngsten Jokereinsätzen in der 2. Liga und einem Startelfeinsatz bei der Nationalmannschaft will er nun weiter angreifen.
Comeback-Stories gehören im Sport abseits von den großen Titeln und Triumphen zu den absoluten Wohlfühlgeschichten. Eine lange Leidenszeit – zumeist versehen mit einer Operation, einer langen Reha-Phase und etlichen Stunden voller Schweiß und Tränen abseits des Rampenlichts – wird von den Sportlern zurückgelegt, ehe sie sich dann den wohlverdienten Applaus abholen dürfen, wenn ihre Rückkehr geglückt ist. HSV-Mittelfeldspieler Anssi Suhonen kann von solchen Comeback-Stories ein Lied singen, das bei ihm gar in leidvoller Dauerschleife lief. Denn kein Spieler im aktuellen Kader der Rothosen wurde in den vergangenen Jahren derart oft vom Verletzungspech erwischt: Der finnische Nationalspieler (7 Einsätze), der 2017 von seinem Jugendclub Käpylän Pallo in den Nachwuchs des HSV wechselte, erlitt nach einem Kreuzbandriss im Jahr 2020 in den vergangenen Jahren neben einem Sehnenanriss mehrfach Frakturen des linken Wadenbeines, die ihn auch während der vergangenen und der aktuellen Spielzeit arg ausbremsten.
Keine Platte und verstärkter Schienbeinschoner
Umso erstaunlicher ist die Art und Weise, mit der sich die finnische Frohnatur immer wieder und auch dieses Mal zurückkämpfte. Kaum einer weiß das so gut wie Reha-Trainer Sebastian Capel, der Suhonen bei all den Verletzungen im Reha-Prozess entscheidend begleitete. "Anssi ist für die Mannschaft unheimlich wichtig, weil jeder Spieler an ihm sehen kann, dass man Rückschläge gut verarbeiten und sich trotz allem immer wieder aufrappeln kann", betont der 38-Jährige. "Dabei versprüht er diese unheimliche Spielfreude, die zugleich seine größte Stärke ist. Er ist ein Spieler, der es einfach instinktiv liebt, Fußball zu spielen. Ich glaube, dass in seinem Kopf gar keine Alternative zu seinem Tun besteht und er deshalb von jeder Verletzung zurückkommt. So eine Mentalität überträgt sich auf andere Spieler, weshalb er ein absolutes Vorbild für positive Besessenheit ist."
Spätestens seit dem Wintertrainingslager in Sotogrande ist dies auch wieder für die Außenwelt sichtbar. Denn seither präsentiert sich Suhonen im Training mit der Mannschaft und zuletzt auch wieder im Spielbetrieb frischer denn je: Sprint-, zweikampf- und spielfreudig wirbelt der 1,70 Meter große Wirbelwind mit seinem tiefen Körperschwerpunkt über die Rasenfläche, als wäre in den vergangenen Monaten und Jahren nichts gewesen. Dabei hat der 23-jährige während seiner Comebacks immer wieder an verschiedenen Stellschrauben gedreht: Vor mehr als einem Jahr passte er etwa seine Ernährung an, aß fortan glutenfrei und verzichtete unter anderem auf seine heißgeliebte finnische Milch. Für sein jüngstes Comeback ließ er sich nun extra einen robusten Schienbeinschoner anfertigen, der die Struktur am linken Wadenbein noch mehr schützt und seither sowohl im Training als auch bei den Spielen ein treuer Begleiter geworden ist. Zudem wurde die Platte, die das Wadenbein stabilisieren sollte, nach dem letzten Bruch herausgenommen. Ein Gamechanger, wie Reha-Coach Capel erklärt: "Das ist zwar ein massiver Eingriff in die Biomechanik und Statik, aber für Anssi fühlte es sich im Vergleich zu den vorherigen Rehabilitationen komplett anders, viel freier und natürlicher an. Dementsprechend war es ein riesiger Booster, um ihn nach vorn zu pushen."
Endlich wieder 90 Minuten
Und das mit Erfolg, wie die letzten Wochen gezeigt haben. Im fünften Spiel unter Neu-Trainer Steffen Baumgart folgte in Fürth zuletzt Suhonens fünfter und zugleich längster Jokereinsatz (26 Minuten). Um Haaresbreite wäre der 45-fache HSV-Spieler dabei auch selbst zu einem Tor gekommen, schoss flach am linken Pfosten vorbei. "Wir müssen noch konsequenter vor dem Tor sein, die Dinger reinmachen. In Fürth hatten wir diese Chancen, haben sie aber nicht genutzt und den Gegner damit im Spiel gehalten. Am Ende haben wir noch das 1:1 kassiert. Das tat natürlich weh", sagt der 23-Jährige im aktuellen HSVtv-Spieltagscheck und gibt damit zugleich die Marschroute für das Heimspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern (Anstoß um 13 Uhr) vor.
Auch Cheftrainer Baumgart fordert dieser Tage noch mehr Zielstrebigkeit von seinen Spielern, steht dazu auch mit Suhonen im permanenten Austausch. "Wir sprechen natürlich über die Dinge, die ich im Training und Spiel noch besser machen kann", bestätigt Suhonen. Wohlwissend, dass die intensive und temporeiche Spielidee des Fußballlehrers sehr gut zu seiner quirligen und nimmermüden Spielweise passt. Dass er dabei wieder ein richtig gutes Gefühl auf dem Platz hat, liegt auch an der vergangenen Länderspielphase, in der er mit Finnland in Wales (1:4) zwar das Ticket für die EM 2024 in Deutschland verpasste, im darauffolgenden Freundschaftsspiel gegen Estland (2:1) aber erstmals seit dem 19. Juni 2023 (ebenfalls für die Nationalmannschaft beim 6:0 gegen San Marino) wieder über die volle Distanz eingesetzt wurde. "Es war ein gutes Gefühl, wieder über 90 Minuten zu spielen. Ich habe mich richtig gefreut über den Sieg und die lange Zeit auf dem Platz", erklärt der beidfüßige Akteur und nimmt das EM-Aus wie einer echter Sportsmann: "Wales war einfach zu stark und besser als wir. Zudem ist ein Auswärtsspiel dort nicht einfach. Sie haben direkt am Anfang getroffen. Das hat das Spiel für uns einfach enorm schwer gemacht."
Ein Ziel für den Sommer 2024 ist damit verpasst, ein weiteres will Suhonen mit dem HSV unbedingt erreichen. Letztmals stand er für die Rothosen am 28. Spieltag der Vorsaison beim 0:2 in Kaiserslautern in der Startelf. Mit möglichst viel Einsatzminuten - am besten dann gleich erneut am kommenden 28. Spieltag gegen die Pfälzer - will der Finne im Schlussspurt nun dazu beitragen, dass die Saison ein positives Ende nimmt. Denn dass er die Comeback-Story schreiben kann, hat er nun in Goethe-Manier zu genüge bewiesen. "Es war eine schwere Zeit für mich", sagt Suhonen. "Und es ist jedes Mal eine Herausforderung, nach einer langen Verletzungspause wieder auf 100 Prozent zu kommen. Aber jetzt bin ich wieder voll da und einfach glücklich." Und bereit, endlich sein Aufstiegskapitel mit dem HSV zu schreiben.
Den HSVtv-Spieltagscheck, präsentiert von AdmiralBet, seht ihr hier im Video.