Interview
09.04.24
„Für mich ist das ein Geben und Nehmen“
Im HSV.de-Interview spricht Andras Nemeth über seine Startelf-Premiere im Volksparkstadion, sein Mindset als teamdienlicher Mittelstürmer und seinen Umgang mit vergebenen Chancen und Verletzungsrückschlägen.
HSV.de: Andras, am vergangenen Sonnabend habt ihr mit 2:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern gewonnen. Wie hast du diesen Sieg erlebt?
Andras Nemeth: Es war kein einfaches Spiel. Der Gegner stand sehr tief und war zugleich durch Konter immer wieder gefährlich. Wir haben es gerade im ersten Durchgang dennoch geschafft, immer wieder zu attackieren und das Spiel schnell zu machen. In der zweiten Hälfte war es dann vor allem eine kampfbetonte Partie, die wir als Team gut angenommen haben. Wir haben gemeinsam dagegengehalten und viel für die drei Punkte gearbeitet. Das war sehr wichtig, denn wir alle wissen, was wir erreichen wollen.
Für dich war es zugleich eine Premiere im HSV-Trikot: Du bist erstmals als Startelfspieler ins ausverkaufte Volksparkstadion eingelaufen. Wie hat sich das angefühlt?
Das war ein sehr besonderes Gefühl, ich war voller Adrenalin. Die Fans sorgen in diesem Stadion immer für eine großartige Stimmung. Da hat es einfach Spaß gemacht, vor dieser Kulisse auflaufen zu dürfen. Und es tat umso mehr gut, am Ende mit den Fans auch einen Sieg zu feiern.
Vor dem Spiel in Fürth warst du der Spieler, der mit 21 Einwechslungen ligaweit am häufigsten eingewechselt wurde. Durch den Ausfall von Robert Glatzel standest du nun zuletzt zweimal in der Startelf. Inwiefern hat sich dadurch dein Mindset verändert?
Wenn du weißt, dass du in der Startelf stehst, dann gehst du automatisch mit einem anderen Mindset ins Spiel. Du hast einfach mehr Adrenalin im Körper und bist zugleich durch das Warm-Up mit den Torabschlüssen noch einmal anders auf das Spiel vorbereitet. Hier besteht wohl auch der größte Unterschied zu der Rolle als Einwechselspieler. Denn wenn du als Joker auf den Platz kommst, dann sind alle anderen Feldspieler bereits voll drin, während du dich an das Tempo und die Intensität kurz gewöhnen musst. Das macht einen Unterschied.
Mit Robert Glatzel hast du auf deiner Position einen sehr erfolgreichen Top-Torjäger als Konkurrenten. Du kannst auf der einen Seite viel von ihm lernen und zugleich sind deine Einsatzzeiten begrenzt. Wie nimmst du diese Situation wahr?
Ich kann viel von „Bobby“ lernen und mitnehmen. Allein, wie er sich in der Box bewegt und verhält. Jeder weiß, wie gut er ist und wie wichtig er für unser Team ist. Wir sprechen auch viel miteinander. Er ist beispielsweise vor dem Fürth-Spiel zu mir gekommen, um mir zu sagen, was auf mich zukommen wird. Das hat mir geholfen. Zugleich ist es klar, dass ich meine Startelfchancen bestmöglich nutzen möchte. Letztlich will jeder Profifußballer möglichst viel spielen.
Und als Stürmer will man am liebsten viele Tore schießen. Du wartest nun schon längere Zeit auf einen Treffer im HSV-Dress. Wie gehst du mit dieser Situation um?
Für mich ist das Wichtigste, dass ich mit meinem Einsatz dem Team helfe und generell ein gutes Spiel mache. Erst danach zählen für mich individuelle Statistiken wie Tore oder Assists. Natürlich warte ich seit langer Zeit auf ein Tor und mein Ziel ist es, wieder zu treffen. Aber die Serie ohne Treffer erhöht für mich nicht den Druck, da ich gelernt habe, dass ich als Stürmer auch ohne eigenen Treffer ein gutes Spiel machen kann. Ich arbeite für meine Teamkollegen und sie arbeiten für mich. Für mich ist das ein Geben und Nehmen.
Wenn du Spiele wie in Berlin oder Fürth hast, in denen du Top-Chancen hast, diese aber knapp nicht nutzt, wie sieht dann die Aufarbeitung dieser Szenen aus?
Vorab: Wenn ich solche Chancen vergebe, dann bin ich echt angefressen. Dann braucht mich nach dem Spiel niemand mehr darauf anzusprechen. Mit etwas Abstand, etwa am Tag danach in der Analyse, werden diese Szenen aber natürlich aufgearbeitet. Dann spreche ich mit den Coaches darüber, was ich gut gemacht habe und was ich besser hätte machen können. Und danach zählt dann nur das Training: Du trainierst, um in solchen Situationen besser zu werden und simulierst immer wieder die Abschlüsse.
Hast du darüber hinaus besondere Tricks, mit denen du dich zusätzlich motivierst?
Ich gucke mir gern Videos von meinen Toren an. Da sind auch Highlights aus der Jugendzeit dabei, die ich mir vor dem Spiel als Motivationsspritze angucke. Solche Dinge helfen mir neben den vielen Gesprächen mit Freunden, der Familie und Förderern. Mit ihnen spreche ich fast täglich über Fußball. Manchmal kann es aber auch hilfreich sein, wenn man wie zum Beispiel am gestrigen freien Tag einmal komplett vom Fußball abschaltet, um den Kopf wieder freizukommen und die Akkus für die nächsten Trainingseinheiten und Spiele aufzuladen.
Fast exakt vor einem Jahr hast du mit einem Knöchelbruch die erste schwere Verletzung deiner Karriere erlitten und daher die Crunchtime in der Vorsaison verpasst. Wie hast du das damals erlebt?
Das war eine sehr schwierige Zeit für mich. Ich war gut in Form, hatte insgesamt eine gute Energie und dann kam die Verletzung dazwischen, sodass ich all die wichtigen Spiele zum Saisonende verpasst habe, darunter zum Beispiel das Stadtderby gegen St. Pauli. Ich war zum Zuschauen verdammt und ganz ehrlich: Das liegt mir einfach nicht. Ich kann wirklich jeden Fan verstehen, der oben auf der Tribüne mit uns fiebert und leidet.
Umso schöner ist es, dass du in diesem Saisonfinale dort unten auf dem Platz eingreifen kannst.
Ja, Gott sei Dank. Ich bin wieder vollständig hergestellt und merke auch keine Nachwehen der schweren Verletzung. Die Operation, der Reha-Prozess und die Wiedereingliederung liefen gut. Ich bin glücklich, dieses Mal voll eingreifen zu können. Mein erstes Jahr beim HSV war nicht zuletzt wegen der Verletzung sehr lehrreich. Ich habe gelernt, immer positiv zu bleiben: Es wird immer schwere Zeiten geben, aber wenn man hart arbeitet, dann kommen auch wieder bessere Zeiten. Mit diesem Gefühl gehe ich jetzt auch in den Saisonendspurt.