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Verein

06.01.23

70 Jahre einzigartig – 70 Jahre „Manni“ Kaltz

Der erfolgreichste Spieler der HSV-Geschichte feiert am heutigen 6. Januar seinen 70. Geburtstag. Seine Erfolge und Rekorde sind dabei ebenso unvergessen wie seine besondere Spielweise und sein ganz eigener Typ.     

Große Sportler tragen meist ihre eigene Handschrift. Ihr Spiel ist von einer gewissen Einzigartigkeit gekennzeichnet, die sich nicht selten in einem besonderen Bewegungsmuster äußert, das kaum zu verteidigen ist: Michael Jordans Fadeaway, Zinedine Zidanes Marseille turn oder Roger Federers einhändige Rückhand – die Größten ihres Sports besitzen ihr eigenes Markenzeichen, verfügen neudeutsch über einen unnachahmlichen Signature Move. HSV-Legende Manfred „Manni“ Kaltz hatte eine solche Bewegung bereits anno Ende der 70er- und Anfang der 80er-Jahre drauf, als er wie kein anderer Akteur im deutschen Profifußball für die sogenannte „Bananenflanke“ stand und gar als ihr Erfinder galt. Seine Flanken mit der berühmt-berüchtigt gekrümmten Flugbahn verliehen ihm nicht nur den Spitznamen „Bananen-Manni“, sondern prägten auch einen der kultigsten Fußballsprüche aller Zeiten: „Manni Banane, ich Kopf – Tor“, fasste Horst Hrubesch, heute Direktor im Nachwuchs des HSV und seinerzeit als wuchtiger Mittelstürmer Hauptabnehmer der mustergültigen Kaltz-Vorlagen, das unschlagbare Angriffsmuster des HSV einst zusammen.

Titel- und Rekordmann 

Gemeinsam bildeten Kaltz und Hrubesch nicht nur ein kongeniales, sondern vor allem überaus erfolgreiches Duo, wenngleich der Außenverteidiger, der von 1971 bis 1989 und 1990 bis 1991 fast zwei Jahrzehnte lang die Fußballschuhe für den HSV schnürte, noch einen Tick erfolgreicher war: dreimal Deutscher Meister (1979, 1982 und 1983), zweimal DFB-Pokalsieger (1976 und 1987), je einmal Europapokalsieger der Landesmeister (1983) und Europapokalsieger der Pokalsieger (1977) – im mitunter illustren Kreis der zahlreichen HSV-Legenden sammelte niemand seit Beginn des Profifußballs so viele, nämlich alle in diesem Zeitraum errungenen, Trophäen des Clubs ein. Darüber hinaus bestritt niemand so viele Bundesliga-Spiele mit der Raute auf der Brust – 581 an der Zahl. Damit ist Kaltz bis heute HSV-Rekordspieler! 

Auch ligaweit hält der am 6. Januar 1953 in Ludwigshafen geborene Pfälzer mehr als 30 Jahre nach seinem Karriereende noch mehrere Rekorde. So traf in der Bundesliga kein Spieler häufiger vom Punkt als Elfmeterspezialist Kaltz, der 53 (bei 60 Versuchen – ebenfalls Rekord) seiner insgesamt 76 Bundesliga-Treffer per Strafstoß erzielte. Ein weiterer Signature Move, wenngleich ohne ein festes Muster, da der 1,84 Meter große Rechtsfuß beliebig in alle Richtungen versenkte. Funfact: Mit sechs Eigentoren teilt sich Kaltz gemeinsam mit Nikolce Noveski (1. FSV Mainz 05) auch die „Bestmarke“ für die meisten Treffer ins eigene Netz. Der Rechtsverteidiger, der oft mit heruntergekrempelten Stutzen äußerlich lässig, aber sehr wohl extrem emsig die Bahn rauf und runter marschierte, verkörperte schon damals den modernen Außenverteidiger, zählte auf dieser Position zu den besten Akteuren des gesamten Jahrhunderts.

Stiller Vertreter 

Titel, Tore, Triumphe und zugleich die besagte unverwechselbare Spielweise – Kaltz avancierte damals automatisch zu einem Star, wenngleich er den Trubel um seine Person eher ablehnte und als stiller Vertreter galt. Nach außen eher ein Schweiger und daher ironisch auch „Schwätzer“ genannt, was nicht bedeutete, dass sein Wort innerhalb der Kabine kein Gewicht gehabt hätte. Im Gegenteil, wie kein geringerer als Franz Beckenbauer einmal verriet: „Wir alle diskutierten stundenlang über ein Thema und kamen einfach nicht zum Ende. Kaltz hörte die ganze Zeit zu, dann sagte er einen einzigen Satz und anschließend war Ruhe. Wir anderen haben dann erst einmal über Mannis Worte nachgedacht.“ 

Im großen Rampenlicht standen beim HSV und in der Nationalmannschaft, für die „Manni“ 69 Länderspiele (acht Tore) absolvierte und mit der er 1980 Europameister und 1982 Vizeweltmeister wurde, dennoch andere. Dazu passt, dass Kaltz´ Karriere keineswegs nur von Höhepunkten gekennzeichnet war. Nicht zuletzt mit dem Adler auf der Brust gab es auch Tiefen, darunter ein Zerwürfnis mit Bundestrainer Jupp Derwall, die „Schmach von Cordoba“ oder die „Schande von Gijon“. „Schauen Sie sich meinen Karriereverlauf mal genau an. Dann werden Sie sehen, dass ich auf fast genauso viele erste wie zweite Plätze komme. Es ging immer hin und her“, blickte der HSV-Rekordmann einst selbst zurück.  

Noch immer HSV

Hin und her ging es auch zum Ende seiner aktiven Karriere mit seiner Beziehung zum HSV. 1989 verließ der damals 36-Jährige den Club, dem er sich 1970 vom TuS Altrip kommend als A-Jugendlicher angeschlossen hatte, da ihm kein langfristiges Angebot mehr gemacht wurde. Nach zwei französischen Intermezzi bei Girondins Bordeaux und dem FC Mulhouse kehrte die Legende bereits eine Saison später in den Volkspark zurück und beendete nach 13 weiteren Bundesligaspielen im HSV-Dress und nach insgesamt 19 Jahren seine Laufbahn – bekanntlich ohne ein Abschiedsspiel. Ein Versäumnis des Clubs und berechtigtes Ärgernis aus Sicht des Rekordspielers, der davon abgesehen die höchsten Auszeichnungen des Clubs allesamt erhielt: Selbsterklärend eröffnete er gemeinsam mit Charly Dörfel und Hermann Rieger am 5. Mai 2006 mit dem Abdruck seines rechten Fußes den „Walk of Fame“ am Uwe Seeler-Fuß. Zudem erhielt er als einer der ganz wenigen den HSV-Ehrenring in Gold. 

Auch fernab des HSV und der rechten Spielfeldseite fasste Kaltz nach seiner aktiven Karriere schnell Fuß. Umtriebig in vielerlei Geschäftszweigen als Vertriebsdirektor, Immobilienmakler oder Vermögensberater blieb er dabei auch dem Fußball immer treu – sowohl als Co-Trainer mit Besitz einer Fußballlehrerlizenz als auch mit seiner eigenen Fußballschule in Hamburg. Den HSV hat Rekordspieler Kaltz ebenfalls nicht aus den Augen verloren, wenngleich es nie zu einem erneuten Engagement kam und der ehemalige Rechtsverteidiger des Öfteren kein gutes Haar an seinem Club ließ. Seine damaligen Kritikpunkte: immer neue Leute, aber wenig Konzepte und Strategien. Ein typischer Kaltz – sagt er doch, was er denkt.

An der gegenwärtigen sportlichen Situation, die von personeller Kontinuität und einer großen Durchlässigkeit im Nachwuchs geprägt ist, dürfte der Ludwigshafener wiederum Gefallen finden. Kein Wunder, benötigt es doch nicht allzu viel Fantasie, um sich Manfred Kaltz in der mutigen HSV-Mannschaft mit ihrer ganz eigenen Spielidee auf der rechten Außenbahn vorzustellen. Ein großer Sportler mit seiner eigenen Handschrift und einer Bewegung, die nicht zu verteidigen ist. Robert Glatzel würde sich im Zentrum über reichlich „Bananenflanken“ freuen … 

Alles erdenklich Gute zum 70. Geburtstag und bleib so, wie du bist, lieber „Manni“!