
Nachwuchs
21.02.18
Zuhause in zwei Welten
Ein Gespräch mit den ehemaligen HSV-Profis Profis und heutigen Rothosen-Nachwuchstrainern Mehdi Mahdavikia und Vahid Hashemian über die Veränderungen der Nachwuchsarbeit, Unterschiede zwischen Deutschland und dem Iran sowie ihre Bekanntheit in ihrem Heimatland.
Entspannt zurückgelehnt im grauen Sessel sitzen Mehdi Mahdavikia und Vahid Hashemian in der Mensa der Alexander-Otto-Akademie. Beide tragen dunkle Trainingsklamotten, auf der linken Brust prangt die HSV-Raute, auf der rechten ihre Initialen. Während des Gesprächs kommen immer wieder Nachwuchsspieler auf sie zu, begrüßen sie mit Handschlag. Und es fällt auf: Mahdavikia und Hashemian werden nicht nur wegen ihrer erfolgreichen Profi-Vergangenheit von den jungen Spielern geschätzt, sondern weil sie unglaublich höflich sind. Insgesamt strahlt die Atmosphäre im HSV-Campus Vertrautheit aus, jeder kennt hier jeden. So wie sich auch unsere beiden Interviewpartner bestens kennen – und das nicht erst seit sie beim HSV als Nachwuchstrainer tätig sind.
Bereits 1998 spielten Mahdavikia und Hashemian gemeinsam für die Iranische Nationalmannschaft, ehe es beide im Sommer 1999 zum HSV verschlug. Nach einigen anderen Stationen sowohl während der aktiven Zeit als auch nach dem Ende der Fußball-Karriere kamen beide zurück in ihre zweite Heimat Deutschland und leiteten damit das Wiedersehen an der Elbe ein. Vahid Hashemian kehrte vor einem Jahr zunächst als Individualtrainer zu seinem ehemaligen Club zurück, seit sechs Monaten ist der 41-Jährige Co-Trainer der U17. Landsmann Mahdavikia ist bereits seit Juni 2015 Individualtrainer beim HSV, übt mit den Teams der U12 bis U19 insbesondere Standards, wie Ecken und Freistöße, und feilt mit den Spielern an ihrer Technik. Eine Art des Trainings, die beide so während ihrer aktiven Laufbahn gar nicht kennengelernt haben. „Als wir noch Profis waren, gab es individuelles Training in dieser Form noch nicht. Für die Jungs heute ist es in meinen Augen aber überragend, dass sie solch ein Training erhalten“, sagt Mahdavikia. Und Hashemian ergänzt: „Die Spieler haben dadurch die Möglichkeit, sich individuell in den Bereichen zu verbessern, bei denen sie noch Defizite haben.“
Ob die Spieler deshalb heute besser sind, als es die beiden früher waren? Beide müssen lachen und sind sich einig: Wirklich vergleichen kann man das nicht. Insbesondere in der Nachwuchsförderung hat sich in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren extrem viel entwickelt. „Wenn ein junger Spieler Profi werden will, dann findet er hier die besten Voraussetzungen“, sagt Hashemian, „durch die guten Trainingsplätze, die vielen gut ausgebildeten Trainer und die gute Organisationsstruktur haben die Jungs einfach mehr Möglichkeiten als früher.“ Die Konkurrenz in Deutschland ist deshalb mittlerweile sehr groß geworden, Talent alleine ist nicht mehr ausreichend. Das macht es für ausländische Spieler schwerer in der Bundesliga Fuß zu fassen. „Deutschland hat viele Talente und fördert diese mittlerweile auch entsprechend“, meint Hashemian.
Im Iran sieht das anders aus. Die Nachwuchsarbeit beschränkt sich auf U14-, U16- und U19-Mannschaften – so fallen viele Talente hinten runter und kommen nicht zum Zug. „Selbst die großen Vereine im Iran stecken ihr Geld lieber in die erste Mannschaft“, sagt Mahdavikia und eine Spur Enttäuschung schwingt mit. Eine der Ursachen ist das fehlende TV-Geld. Während die Fußball-Vereine in Deutschland mit den Ausstrahlungen ihrer Spiele Umsatz machen, herrscht in den Kassen der iranischen Clubs gähnende Leere. Dadurch steht den Vereinen kein richtiges Jahresbudget zur Verfügung. „Das ist ein großes Problem“, gibt Hashemian zu, „deshalb können sich die Vereine im Iran nicht so schnell weiterentwickeln wie in Deutschland. Dafür bräuchten wir so gut ausgestattete Trainingsstätten wie den HSV-Campus und mehr gut ausgebildete Trainer, aber das kostet nun einmal Geld.“ Geld, das dem iranischen Club-Fußball fehlt.
Beide erhielten bereits Angebote von iranischen Vereinen, dort als Trainer in der höchsten iranischen Spielklasse, der Persian Gulf Pro League, zu arbeiten. Doch sie lehnten dies bisher ab. „Ich wollte unbedingt in Deutschland meine Lizenz machen. Denn aus meiner Sicht kann nicht jeder gute Spieler einfach auch ein guter Trainer sein, wir müssen wieder von null anfangen und alles lernen“, erklärt Mahdavikia und erhält Zustimmung von Hashemian: „Man kann jeden Tag etwas dazulernen, insbesondere beim Nachwuchs des HSV, weil hier viele gute Trainer und ausgezeichnete Bedingungen sind. Aber irgendwann einmal werde ich vielleicht Trainer im Iran sein.“ Ein verständlicher und sogar naheliegender Schritt, denn Hashemian genießt genau wie Mahdavikia im Iran auch heute noch einen hohen Bekanntheitsgrad. Kein Wunder, galten und gelten sie doch als wichtige iranische Fußball-Botschafter im Ausland und absolvierten zahlreiche Spiele für die Iranische Nationalmannschaft: Hashemian insgesamt 50, Mahdavikia gar 110. Damit gehört Mehdi zu den fußballerischen Volkshelden – im Iran ist er sogar in einer Fernsehwerbung für Yoghurt zu sehen. Darauf angesprochen muss er lachen: „Die habe ich nur wegen meiner Fußball-Akademie gemacht.“ Vor drei Jahren gründete Mahdavikia nämlich den Club Kis FC, der ausschließlich junge Talente von der U12 bis zur U19 ausbildet. So wie er es auch beim HSV tut. Für die zwei Iraner beim HSV ist es eben ein Leben für den Fußball, verteilt auf zwei Welten.