
Nachwuchs
29.04.20
Reaktionstraining für zu Hause
Die Torwart-Trainer Tino Dehmelt und Arvid Schenk zeigen auf, wie die Reaktionsfähigkeit auch in der fußballfreien Zeit zu Hause trainiert werden kann.
Die Komplexität des modernen Torwartspiels ist enorm. Neben den Grundfähigkeiten der Tor- und Raumverteidigung haben sich in den vergangenen Jahren auch die Qualitäten mit dem Ball am Fuß fest im Profil der Torhüterposition verankert. "Ein guter Torwart muss eigentlich ein gelernter Innenverteidiger oder defensiver Mittelfeldspieler sein und dazu auch die torwartspezifischen Schwerpunkte beherrschen. Das Profil, das heute in einem Nachwuchsleistungszentrum verlangt wird, gab es früher in dieser Form noch nicht", weiß Arvid Schenk, Torwarttrainer der U21 und gleichzeitig Torwartkoordinator beim HSV, um die hohen Anforderungen, die heutzutage an die Torhüter gestellt werden.

Eine dieser Anforderungen stellt die Reaktionsfähigkeit dar. Von der Wahrnehmung der Situation über die Entscheidungsfindung bis hin zur Reaktion dauert es zwischen 150 und 1000 Millisekunden. Ein Torhüter hat demnach maximal eine Sekunde Zeit, um auf einen bestimmten Reiz zu reagieren. Sei es ein strammer Schuss, ein Abpraller oder eine scharfe Flanke: Ein Torwart muss in kürzester Zeit die richtige Entscheidung treffen, um einen möglichen Gegentreffer zu verhindern. Doch in der momentanen Zeit rund um das Corona-Virus ist an Trainingseinheiten oder Wettkämpfe und somit an Schüsse oder Flanken nicht zu denken. Wie lässt sich die Reaktionsfähigkeit also von zu Hause aus trainieren? "Voraussetzung ist immer ein externer Reiz, auf den reagiert werden kann", weiß Tino Dehmelt, Torwarttrainer im Grundlagenbereich des NLZ. "Dabei kann man sehr kreativ werden, sowohl mit visuellen als auch mit auditiven Reizen spielen." Dehmelt empfiehlt beispielsweise die Arbeit mit Tennisbällen. So kann allein ein versteckter Wurf an die Wand und das anschließende Fangen des Balles die Reaktionsfähigkeit schulen.

Arvid Schenk hat in den eigenen vier Wänden kreative Methoden entwickelt, um seine Reaktion zu verbessern. So setzt der 30-Jährige beispielweise auf das Gesellschaftsspiel Halli Galli, bei dem bei einer bestimmten Kartenkonstellation möglichst schnell auf eine Klingel geschlagen werden muss. "Ich habe die Regeln mit meiner Verlobten noch erweitert, um den Schwierigkeits- und Anforderungsgrad zu steigern", wählt Schenk also einen spielerischen Ansatz, um sein Reaktionsvermögen aufrecht zu erhalten. Auch das Jonglieren in Verbindung mit weiteren Entscheidungs- und Reaktionsreizen stehen bei ihm hoch im Kurs. Die Aufgaben können für Schenk dabei nicht schwer genug sein: "Die Übungen sollen die Jungs ruhig überfordern. Das ist im Training der Reaktionsfähigkeit ein gutes Mittel. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Anforderung zu gering ist und dementsprechend keinen Mehrwert hat."
Auch Tino Dehmelt nutzt die fußballfreie Zeit, um über den Tellerrand hinaus zu schauen. "Ich habe das Zeichnen für mich wiederentdeckt und bin dabei auf eine Übung gestoßen, bei der man einen geraden Strich mit dem Lineal zeichnet und diesen anschließend zwanzigmal mit der freien Hand nachziehen muss. Die damit verbundene Muskelaktivierung hat mich schon jetzt zu neuen torwartspezifischen Übungen für die Zukunft inspiriert." Gesellschaftsspiele, Tennisbälle oder einfache Zeichnungen – der Kreativität sind bei der Weiterentwicklung der koordinativen und kognitiven Fähigkeiten auch in den eigenen vier Wänden keine Grenzen gesetzt.