Nachwuchs
29.12.23
Horst Hrubesch: „Wir sind auf einem sehr guten Weg“
Der Direktor Nachwuchs des Hamburger SV blickt im Interview auf ein aufregendes Jahr zurück, spricht über die enge Verzahnung zwischen Nachwuchs und Profis sowie seine Aufgabe als Interims-Bundestrainer der deutschen Frauen-Nationalmannschaft.
Wenn Horst Hrubesch über Fußball, den Hamburger SV und die deutsche Frauen-Nationalmannschaft spricht, dann ist der 72-Jährige voll in seinem Element. Gestikulierend geht der Direktor Nachwuchs und Interims-Bundestrainer der DFB-Frauen bei seinen Ausführungen ins Detail und lässt keine Frage unbeantwortet. Vor allem dann nicht, wenn der Europameister von 1980 auf ein aufregendes und intensives 2023 mit vielen Highlights und einer Doppel-Funktion zurückblicken kann. Gemeinsam mit DFB.de hat sich HSV.de zum Gespräch mit Horst Hrubesch getroffen.
Herr Hrubesch, ein bewegtes Jahr neigt sich dem Ende. Mit welchem Gefühl schauen Sie auf 2023?
Horst Hrubesch: Wenn ich auf das Jahr 2023 zurückblicke, muss ich sagen, dass ich sehr zufrieden bin. Natürlich waren die letzten zwei Monate sehr intensiv, seitdem ich die Frauen-Nationalmannschaft übernommen habe. Aber mir macht die Aufgabe einfach viel Spaß. Beim HSV sind wir mit der U21 fast Regionalliga-Meister geworden und mit den Frauen sind wir aufgestiegen, das waren natürlich zwei Highlights. So kann ich einfach sagen, dass ich mit der Entwicklung sowohl bei uns im Nachwuchs als auch bei den Frauen sehr zufrieden bin. Wir haben die Mannschaften nochmal verjüngt und spielen zum Teil mit jüngeren Jahrgängen in den Altersklassen. Wenn ich zum Jahreswechsel nun auf die vergangenen Monate zurückblicke, muss ich ein großen Kompliment an all meine Mitarbeiter beim HSV machen. Durch die Funktion beim DFB war ich zuletzt immer mal wieder raus – und wie die ganze Geschichte trotzdem reibungslos fortgeführt wurde, ist klasse. Wir sind auf einem sehr guten Weg!
Wieder einmal sind auch an diesem Jahr einige Jungs aus dem Nachwuchs an den Profibereich herangerückt und haben sich mit ihren ersten Profiminuten belohnt. Wie bewerten Sie die Durchlässigkeit und die Verzahnung von Nachwuchs und Profis?
Horst Hrubesch: Wir haben uns in den zurückliegenden drei bis vier Jahren in diesen Bereichen kontinuierlich weiterentwickelt. Dass dieser eingeschlagene Weg ein Prozess sein wird, der mindestens drei bis fünf Jahre dauern wird, haben wir von Anfang an immer wieder betont. Aber wenn es dann soweit ist, dass Jungs aus unserem Nachwuchs bei den Profis trainieren und sich Schritt für Schritt an den Profibereich herantasten, dann freut uns das natürlich sehr. Wir haben eine sehr junge U21, bei der die Jungs, die bei den Profis trainieren, aber am Wochenende noch nicht zum Einsatz kommen, wichtige Spielpraxis sammeln. Das gilt auch für Freundschaftsspiele mit den Profis, bei denen sich die Jungs zeigen und unter Wettkampfbedingungen beweisen können. Das hat in der Vergangenheit sehr gut geklappt und ich bin davon überzeugt, dass wir da auf einem richtig guten Weg sind – und wenn wir diesen kontinuierlich weitergehen, werden wir Jahr für Jahr unsere Jungs aus dem Nachwuchs an die Profis heranführen und dort immer mal wieder einen fest etablieren. Wenn uns das gelingt, sind wir für die nächsten Jahre gut aufgestellt.
Neben Mannschaftserfolgen, die U21 spielte beispielsweise ihre beste Regionalliga-Saison der Vereinsgeschichte, gab es in 2023 auch mehrere Einzelauszeichnungen für Trainerinnen und Trainer sowie Jugendspieler vom HSV. Sind das logische Folgen einer gut funktionierenden Nachwuchsarbeit?
Horst Hrubesch: Ja, definitiv. Solche Auszeichnungen sind ein Verdienst aus einem gut funktionierenden Zusammenspiel zwischen Trainer, Staff und Mannschaft. Wir haben gute Bedingungen bei uns im Nachwuchs. Ganz wichtig ist, dass wir uns jederzeit hinterfragen, ob das, was wir aktuell machen, reicht oder ob da noch mehr geht. Diesen Anspruch müssen wir an uns selbst haben und auch an unsere Spieler weiter vermitteln. Wir sehen nicht nur unsere Trainer und Mitarbeiter in der Verantwortung, sondern auch die Jungs. Denn schlussendlich müssen sie die Entscheidungen auf dem Platz treffen – und das lerne ich am besten, wenn ich das auch schon vor dem Training in der Kabine so lebe. Da nehme ich unsere U21 als Beispiel: Nach dem Umbruch im Sommer musste sich erstmal eine neue Führungsachse bilden und wenn ich sehe, wie die Jungs in ihre Rollen hereinwachsen, fühle ich mich da auf unserem Weg bestätigt. Und das wiederum kann ich auf unsere gesamte Nachwuchsarbeit beziehen. Unsere Arbeit ist nicht von einzelnen Personen wie mir abhängig, sondern von einem funktionierenden Konstrukt. Wir alle gemeinsam – ob Profis, Nachwuchs, Frauen – sind der HSV! Ich kann nun zum Jahreswechsel guten Gewissens sagen, dass wir insgesamt auf einem sehr guten Weg sind, aber jeder Einzelne – da nehme ich mich nicht aus – kann sich immer weiter verbessern und es gibt noch genügend Baustellen, die wir zu bearbeiten haben.
Auch die HSV-Frauen schreiben ihre ganz eigene Erfolgsgeschichte und haben im Sommer den Aufstieg in die 2. Bundesliga gemeistert und sind nun als Aufsteiger auf dem ersten Tabellenplatz in die Winterpause gegangen. Wie viel Freude machen Ihnen Ihre Mädels mit der Raute auf der Brust?
Horst Hrubesch: Ich bin sehr stolz auf sie und kann ihnen nur ein ganz großes Kompliment aussprechen. Die Art und Weise, wie sie es machen, ist einfach total positiv. Sie haben sich noch nicht ein einziges Mal über etwas beschwert oder gejammert. Sie nehmen die Dinge so an, wie sie sind. Ein gutes Beispiel dafür sind die Heimspiele. Was da drumherum auch von den Eltern aus Eigeninitiative passiert und gelebt wird, ist genau das, was ich mir vorstelle. Mit den Familien, Fans, Unterstützern und natürlich auch den Sponsoren, denen ich sehr dankbar bin, ist das einfach eine Gemeinschaft, die für etwas steht.
Anfang Oktober haben Sie die deutsche Frauen-Nationalmannschaft zum zweiten Mal interimsweise als Bundestrainer übernommen und arbeiten mit den DFB-Mädels an einer erfolgreichen Olympia-Qualifikation. Wie vereinbaren Sie diese beiden Tätigkeiten?
Horst Hrubesch: Ich möchte es gar nicht trennen. Auf beiden Seiten geht es um Elite. Auf beiden Seiten geht es darum, Spielerinnen weiterzuentwickeln und der Qualität angemessene Ziele zu verfolgen. Fußball ist für mich immer eine Angelegenheit, die von innen kommt. Ich mache es mit Überzeugung. Es macht mir einfach riesig Spaß, insbesondere, wenn du siehst, was du verändern kannst. Ich hatte immer den Vorteil, Elite trainieren zu dürfen: Die besten der Besten. Man muss dankbar sein, solche Spielerinnen und Spieler trainieren zu dürfen. Ein Trainer weiß, was möglich ist und was man kriegen kann. Er muss beantworten: „Wie kriegt man es?“ Das sind Fragestellungen, die für einen Trainer und ein Trainerteam spannend sind. Man muss eine Idee haben, wo man hinwill und abwägen, ob es eine Mannschaft umsetzen kann, was zu ihr passt und was nicht. Mir ist dabei immer wichtig, dass alle mit Ehrlichkeit daran gehen: Ehrlichkeit sich selbst, aber auch anderen gegenüber. Dann sind wir da, wo wir hinmüssen. Dann werden wir auch erfolgreich sein.
Blicken wir zum Abschluss aufs nächste Jahr. Was wünschen Sie sich ganz persönlich für 2024?
Horst Hrubesch: Für mich geht es in erster Linie darum, dass ich gesund und munter bleibe, denn dass ich nicht mehr der Jüngste bin, ist kein Geheimnis. Ich wurde erst kürzlich bei einem Hallenturnier von einem kleinen Jungen gefragt, wie alt ich bin, da habe ich gesagt 27 – da haben sie alle gelacht, sie haben natürlich gewusst, wie ich das meine, nur der Kleine nicht. Da habe ich ihm gesagt, du musst die beiden Zahlen umdrehen, dann weißt du es ganz genau (lacht). Und genau darum geht es bei mir, dass ich den Spaß und die Freude an der Arbeit beibehalte. Weil das gilt nicht nur für alle Spielerinnen und Spieler, sondern auch für mich: Wenn wir hart arbeiten und am Ende des Tages die Spiele gewinnen, dann macht es einfach viel mehr Spaß – und das ist auch mein Ziel, was ich mir auf die Fahne geschrieben haben. Es muss Spaß bringen und darf nicht zur Qual werden.