
Nachwuchs
07.07.20
"Die Wiedersehensfreude war unglaublich"
Sebastian Harms, sportlicher Leiter im NLZ, über den Status Quo im Nachwuchs und die Vorbereitungen der kommenden Saison.
Mit der U21 konnte in der zurückliegenden Woche das erste HSV-Team in die Vorbereitung auf die kommende Spielzeit einsteigen, die anderen Campus-Mannschaften der U19, U17 und U16 folgen im Laufe des Monats. Im August sollen schließlich auch die jüngeren Teams aus dem Grundlagen- und Aufbaubereich wieder ein Mannschaftstraining absolvieren können. Auch wenn der konkrete Zeitpunkt des Saisonbeginns 2020/2021 noch unklar ist, fiebern die Mannschaften dem Start bereits entgegen – und auch Sebastian Harms, sportlicher Leiter des Nachwuchsleistungszentrums, ist positiv gestimmt. Im Interview berichtet der 41-Jährige von den Herausforderungen der Corona-Pandemie, die Planungen für die neue Spielzeit und die große Wiedersehensfreude im NLZ.
Sebastian, die aktuellen gesetzlichen Vorgaben erlauben nach und nach eine Rückkehr in den Alltag. Dennoch steht auch unser fußballerischer Alltag im NLZ immer noch ganz im Zeichen der Corona-Pandemie. Viele Mitarbeitende arbeiten aus dem Home Office heraus, Mannschaftstraining ist nur bedingt möglich und wann die neue Spielzeit für die Jungs startet, ist ebenfalls noch völlig offen. Hast du dich an diese Umstände mittlerweile eigentlich gewöhnt?
So richtig an die Situation gewöhnen möchte ich mich auch nach all den Wochen gar nicht, dazu fehlt momentan einfach zu viel, was unsere Arbeit im Alltag ausmacht. Allem voran der fast tägliche Kontakt zu den Jungs und der Trubel hier im NLZ. Aber natürlich haben wir uns in den zurückliegenden Wochen auf gewisse Arbeitsabläufe und Strukturen, die sich durch Corona verändert haben, eingestellt. Dennoch empfinde ich es bis heute so, dass wir ein Stück weit nur von Woche zu Woche schauen können. Langfristige Planung bleibt schwierig. Wir wissen zum Beispiel nicht: Wann gibt es von Seiten der Politik neue gesetzliche Vorgaben? Sind große Spielformen im Training vielleicht bald wieder erlaubt? Wie viele Personen dürfen am Trainingsbetrieb teilnehmen? All das sind Fragen, die wir regelmäßig neu ausloten müssen. So jonglieren wir momentan mit den Informationen und müssen uns häufig anpassen.

Liegt genau darin, in dieser Spontanität und Anpassungsfähigkeit, aktuell die größte Herausforderung für eure Arbeit?
Ja, das ist ein ganz zentraler Aspekt. Für mich ist die größte Herausforderung aber der fehlende persönliche Kontakt zu den Jungs und Mitarbeitenden. Auch auf Distanz mit allen Leuten in Kontakt zu bleiben, erfordert einen hohen Aufwand. Mannschaftssitzungen, Trainerbesprechungen, Mitarbeitergespräche, Gespräche mit Lehrern und Eltern – all das hat zuletzt online oder per Telefon stattgefunden. Dabei ist uns aufgefallen, wie viel wir hier vor Ort normalerweise auf den Fluren im Campus klären können. Wir haben vieles auch über die technischen Tools abgedeckt, aber der persönliche Kontakt fehlt mir dabei schon sehr. Es war insgesamt gar nicht so einfach, diese enge Verbindung, die uns ausmacht, zu halten und parallel die Planungen für die neue Saison voranzutreiben. Deshalb bin ich jetzt total froh, dass wir uns in Norderstedt wieder sehen können und auch zusammen auf dem Platz stehen dürfen.
Wie genau liefen die Planungen der Kader für die neue Spielzeit unter den geänderten Voraussetzungen ab?
Zum Glück waren wir Mitte März mit unseren Planungen bereits sehr weit, so dass die Teams von der U19 abwärts größtenteils standen. Aber ein paar Gespräche mit externen Spieler standen noch aus, diese haben wir dann per Videotelefonie durchgeführt.
Und mit den eigenen Spielern?
Unsere Jungs mit auslaufenden Verträgen wollten natürlich früh wissen, ob und wie es für sie weitergeht. Wir haben versucht, Entscheidungen schnell zu treffen, sofern uns das möglich war. Es gab insbesondere in den älteren Jahrgängen aber auch Spieler, bei denen wir keine schnelle Entscheidung treffen konnten, solange gewisse Rahmenbedingungen nicht geklärt waren. Wir haben versucht, immer mit offenen Karten zu spielen und die Jungs up-to-date zu halten. Auch für uns Mitarbeitende war es ein Spannungsfeld, Professionalität und Menschlichkeit so zu vereinbaren, dass wir leider – auch wenn es uns schwer gefallen ist – einigen Jungs keine schnelle Entscheidung mitteilen konnten und sie ein Stück weit hinhalten mussten.

Nun stehen die Kader größtenteils fest. In Norderstedt ist seit einigen Wochen unter strengen Auflagen sogar wieder ein Mannschaftstraining möglich. Auch da musstet ihr flexibel agieren, um allen Teams an den Paul-Hauenschild-Sportplätzen ein Training zu ermöglichen…
Absolut, das ging alles sehr schnell. Von der Verkündung der neuen Regelungen bis hin zu unserem ersten Training in Norderstedt sind drei Tage vergangen, in denen wir nahezu den ganzen Apparat vom Campus nach Norderstedt verlegen mussten. Dort waren auf einer Anlage, auf der ansonsten fünf Mannschaften trainieren, zehn Trainingsgruppen angesiedelt. Teilweise haben sich auch in den Funktionsteams neue Konstellationen ergeben, vor allem durch die Back-Up-Gruppe, die wir neu installiert haben. Es ging darum, innerhalb kürzester Zeit all die Absprachen und Hygienevoraussetzungen in den Alltag zu übersetzen. In den ersten Tagen in Norderstedt war dann eine unglaubliche Wiedersehensfreude spürbar. Einige der Jungs haben schließlich wochen- und monatelang ihre besten Kumpels nicht gesehen, die sie teilweise seit sechs, sieben Jahren kennen und die sie normalerweise fast täglich in der Schule oder auf dem Platz sehen. Der Austausch und die Freude waren extrem.
Apropos auf dem Platz: Wie nimmst du die Mannschaften dort wahr?
Unsere Trainer haben in der trainingsfreien Zeit versucht, den Fitnesszustand der Jungs möglichst hoch zu halten. Was sich von zu Hause aber nur schwer trainieren lässt, sind die Erfahrungswerte aus dem Wettkampfmodus. Das haben wir vor allem in den ersten Wochen gemerkt. Die Jungs hatten zunächst Probleme, wieder in den Rhythmus zu finden. Nach zwei bis drei Wochen Training war dann spürbar, dass die Jungs gerne die nächste Stufe nehmen würden. Sprich mit Zweikämpfen und mit Spielformen.
Welche Schlüsse nimmst du aus den zurückliegenden Monaten und dem Umgang mit der Corona-Pandemie mit?
Um ein Fazit zu ziehen, ist es sicherlich noch zu früh. Aber aus heutiger Sicht kann ich sagen, dass wir die erste Krisenphase ganz gut gemeistert haben. Allerdings haben die Jungs unter dem Strich eben auch einige Monate ihrer fußballerischen Ausbildungszeit verloren, die wir nicht zurückholen können. Spannend wird deshalb jetzt sein, wie es weitergeht. Wie können wir die Saisonvorbereitung für unsere Teams inhaltlich gestalten? Welche Unterschiede gibt es an unseren NLZ-Standorten in Schleswig-Holstein und Hamburg? Dürfen wir Testspiele absolvieren? Wann geht es überhaupt wieder in den Spielbetrieb? Und wie bringen wir die Jungs nach so langer fußballerischer Pause wieder in Wettkampfform? Das sind die Fragen, um die meine Gedanken momentan kreisen. Es geht nicht nur darum, wie wir durch diese Krise kommen, sondern vor allem darum, wie wir aus der Krise rauskommen.
Mit welchen Wünschen und Hoffnungen gehst du in die neue Saison?
Ich hoffe sehr, dass wir alle gesund bleiben und uns eine zweite Welle der Pandemie erspart bleibt. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wäre es, dass wieder ein gewisses Maß an Alltag mit Schule, Arbeit und Fußball möglich wird.