Nachwuchs
20.01.25
„Das ist genau das, wofür wir das hier machen“
Erstmals seit ihrem Wechsel im Sommer 2023 zum Hamburger SV spricht Julia Brinkschröder, Teamleiterin Strategie und Trainerentwicklung im Nachwuchs, mit der HSVlive-Redaktion über die Verzahnung zwischen NLZ und Profis, die strategische Ausrichtung im Nachwuchsbereich sowie über Eigengewächse, die im Volksparkstadion einen Impact haben sollen.
Julia, als Eigengewächs Otto Stange im Heimspiel der Profis gegen Darmstadt in der Nachspielzeit bis zur Grundlinie durchbrach und im Volksparkstadion die Fans aus ihren Sitzen riss, was hat das mit dir als Verantwortliche aus unserem Nachwuchs gemacht?
Ganz rational gesagt, hätten wir uns alle natürlich das Tor gewünscht, das ist ja klar (schmunzelt). Aber am Ende sind das natürlich die Momente, die wir kreieren wollen, wenn wir über unsere Vision sprechen. Wir wollen Spieler ausbilden, die im Volksparkstadion einen Impact haben. Über die Aktion von Otto und die anschließenden Reaktionen der Fans, habe ich mich im Stadion natürlich sehr gefreut. Auch schon als Otto und vorher auch Fabio (Fabio Balde, Anm. d. Red.) eingewechselt worden sind. Das ist eine schöne Momentaufnahme für uns und wir streben nach mehr von solchen Momenten. Genau diese Szenen schauen wir uns auch in den Trainersitzungen nach den Wochenenden an und sagen, das ist genau das, wofür wir das hier machen. Davon wollen wir mehr, deshalb müssen wir auch immer weiter mit den Jungs arbeiten. Damit es immer mehr Minuten werden, die unsere Jungs im Volksparkstadion absolvieren.
Otto Stange ist ein gutes Beispiel: Neben ihm sind mit Fabio Balde, Nico Oliveira, Bilal Yalcinkaya und Luis Seifert weitere Jungs aus dem Nachwuchs fester Bestandteil der Profis. Wie wichtig ist diese enge Verzahnung für eine erfolgreiche Nachwuchsarbeit?
Das ist die entscheidende Komponente für eine erfolgreiche Nachwuchsarbeit. Wir können im Nachwuchs noch so gut arbeiten – wenn die Tür nach oben zu den Profis geschlossen ist, wird es schwierig sein, Profifußballer aus dem eignen Nachwuchs auszubilden, die für besondere Momente im Volksparkstadion sorgen. Am Ende ist es die Aufgabe des gesamten Vereins, erfolgreiche Nachwuchsarbeit zu machen – und da sind wir gerade an einem Punkt, an dem es bei uns beim HSV sehr gut funktioniert.
Wenn wir mit dir und über dich sprechen, geht es aber nicht nur um die Spieler, sondern vor allem um die Trainer, für die du seit Juli 2023 als Trainer-Ausbilderin verantwortlich bist. Welche Aufgabenbereiche und Themen stehen da in der täglichen Arbeit im Vordergrund?
Wir haben ganz unterschiedliche Trainer, die an unterschiedlichen Punkten in ihrer Ausbildung und Entwicklung stehen. Die Kernaufgabe bzw. die Kernarbeit ist, dass jeder Trainer bei uns einen individuellen Entwicklungsplan hat – genauso wie es bei den Spielern der Fall ist. Während einer Saison gibt es pro Trainer fünf verpflichtende Reflexionsgespräche. Zwischen diesen Gesprächen hat der Trainer die Aufgabe, an seinen Entwicklungszielen eigenständig zu arbeiten. Dabei können die Trainer jederzeit auf mich oder unsere Experten im NLZ – je nach Entwicklungsschwerpunkt – zukommen. Das geht von Trainingsreflexion über Coaching-Stile, die wir mit Mikrofoneinsatz aufzeichnen und auswerten, bis hin zu Gesprächen über Leadership und Führungsstile. Das sind ganz viele Themen, die wir in Einzel-, aber auch in Gruppengesprächen mit den Trainern behandeln. Auch wöchentliche Termine mit Basil More-Chevalier (Co-Trainer U21 & Koordination Methodik und individuelle Entwicklung, Anm. d. Red.) zur Umsetzung unserer HSV-Trainingsmethodik gehören für die Trainerteams in diesem Bereich dazu. Dabei ist das Feedback aus meiner Perspektive richtig gut, wir haben sehr offene Gespräche und es wird total gut angenommen. Es geht neben der Entwicklung und Reflexion unserer Trainer in den Reflexionsgesprächen auch immer darum, was wir als Organisation besser machen können. So haben die Trainer jederzeit die Möglichkeit, ihr Feedback zu geben und selbst mitzugestalten. Das sorgt bei uns zurzeit für eine richtig gute Feedbackkultur.
Apropos Trainer: Im Sommer haben bei der U17, U19 und U21 neue Cheftrainer übernommen, bei der U17 und U19 sogar komplett neue Trainerteams. Wie sah da der Auswahlprozess aus und wie zufrieden seid ihr nach knapp einem halben Jahr mit der neuen Konstellation?
Loic (Leiter Sport Loic Fave, Anm. d. Red.) und ich haben seit vergangenem Winter viel analysiert und daraufhin erstmal intern geschaut, welche Profile wir hier bei uns bereits haben. Anschließend haben wir zusätzlich Gespräche mit externen Kandidaten geführt. Das Ergebnis zeigt, dass wir auf der einen Seite auf dem Papier an vielen Stellen erfolgreich sind, auf der anderen Seite – und das ist noch viel wichtiger – gemeinsam mit den neuen Trainerteams gute Schritte in der Spielerentwicklung gegangen sind. Wir haben ein hohes Commitment zu unserer Idee und konnten in den Bereichen schon einiges in die Praxis umsetzen, weil die Kollegen offen dafür sind. Da sind wir in einem hohen Tempo vorangeschritten. So sind wir auch in der Lage, Trainerkollegen für den Profibereich zu stellen – das beweist die Aktualität ja gerade bestens.
Neben den Mannschaften am Campus gibt es auch Teams, die in Norderstedt trainieren. Bei deiner Verpflichtung sagte Direktor Nachwuchs Horst Hrubesch: „Vor allem im Hinblick auf die Konstellation, dass wir mit Norderstedt und dem Campus zwei Standorte haben, haben wir uns gemeinsam mit Julia zum Ziel gesetzt, dass wir als HSV noch weiter zusammenwachsen wollen und unsere DNA weiter schärfen“. Wie weit seid ihr in diesem Prozess nach gut anderthalb Jahren?
Veränderungen und Anpassungen brauchen grundsätzlich immer Zeit. Diese Schnittstellen, die wir zwischen unseren Standorten haben, müssen wir dauerhaft bespielen. Das gelingt uns in der Kommunikation mit Jonas Struckmann in Norderstedt, Stefan Kuntz und Claus Costa für den Lizenzspielerbereich und mit Loic an der Schnittstelle zwischen NLZ und Profis mittlerweile sehr gut. Wir pflegen einen regelmäßigen und zielorientierten Austausch. Wir sind da auf einem sehr guten Weg und das ist auch das Feedback, das wir von unseren Kollegen bekommen. Wir haben jede Woche gemeinsame Sitzungen mit allen Trainern von der U11 bis zu den Profis. Da diskutieren wir zusammen über unsere Idee und dabei leistet jeder unabhängig von seiner Rolle seinen Beitrag. Da haben wir das totale Empfinden, dass da ein hohes Commitment herrscht.
Bei deinem Start sagtest du, dass du schnell gemerkt hast, „was für eine positive Dynamik und große Entwicklungslust im HSV und seinen Mitarbeitenden stecken“. Inwiefern macht sich dieser Antrieb in der strategischen Ausrichtung, die ihr ja die ganze Zeitvorantreibt, bemerkbar?
Die Strategie ist immer das, wonach wir zuerst fragen: Passt das, was wir machen, zu unserer Strategie? Und da muss man sagen, dass wir demgegenüber, was wir vorhaben, eine extreme Offenheit von allen spüren. Wir schaffen es gerade, dass diese Strategie nicht nur auf dem Papier steht, sondern dass wir sie jeden Tag mit Leben füllen und sie uns immer wieder ins Bewusstsein rufen und schauen, ob das mit dem zusammenpasst, wo wir hinwollen. Da richten wir gerade alle Abteilungen bei uns drauf aus und haben beispielsweise auch alle zwei Wochen Strategiemeetings. Insgesamt sind wir da auf einem guten Weg.
Zum Abschluss gefragt und weil du die Formulierung „wir sind auf einem guten Weg“ verwendet hast: Wo soll es auf diesem Weg im Jahr 2025 hingehen?
Unsere klare strategische Idee etabliert sich gerade Schritt für Schritt im Alltag. Hier ist es unser Ziel, auch die nächsten Entwicklungsphasen als Organisation weiter mit der positiven Energie anzugehen, die aktuell zu spüren ist. Wenn wir kurzfristig denken, wollen wir noch weitere Momente im Volksparkstadion erleben, in denen unsere Nachwuchsspieler einen Unterschied machen können und dass vielleicht noch ein dritter oder vierter Spieler in dieser Saison den Sprung schafft und seine ersten Einsätze im Profifußball absolviert. Darüber hinaus wollen wir unsere Idee der Spielerentwicklung konsequent fortführen und das mit der nötigen Ruhe weitermachen, um die nächsten Schritte gehen zu können. Und über allem steht für uns als HSV natürlich, dass wir das große Ziel erreichen – das würde auch uns im Nachwuchs auf unserem Weg noch weiter bestärken.