Inklusion
Transkript des Podcasts "HSV-Matrix"
Besonderer neuer Service für HSV-Fans: An dieser Stelle finden HSV-Fans ab sofort das Transkript der "HSV-Matrix" - dem Podcast aus dem Bereich Fankultur.
Unter Transkription versteht man im Allgemeinen die Verschriftung von Gesprächen oder die Mitschrift einer Audiodatei. Das Gesprochene wird dabei in Text umgewandelt. Der fertige oder auch transkribierte Text wird als Transkript bezeichnet. Mithilfe der transkribierten Texte können die gesprochenen Inhalte beispielsweise für Menschen mit einer Hörbehinderung zugänglich gemacht werden. Und: Wer visuelle Inhalte besser aufnehmen kann, einfach lieber liest als hört oder der deutschen Sprache nur bedingt mächtig ist, kann die Inhalte gezielt und in Ruhe nachlesen. Mit dem Transkript des Podcasts "HSV-Matrix" möchte der HSV die Inhalte für alle Rothosen-Fans zugänglich machen.
Die einzelnen Transkripte der verschiedenen Folgen gibt es hier:
Folge 0
In der Folge 0 unseres neuen Podcasts "HSV-Matrix" erklären Lukas Rind und André Fischer stellvertretend für den Bereich Fankultur beim HSV, wie die Idee zu diesem Format entstand, was das Ziel dieser Reihe ist und worauf sich alle interessierten Hörer in Zukunft freuen können.
André:
Herzlich willkommen zur Folge 0 der HSV Matrix, dem Podcast für Fankultur aus Hamburg. Mir gegenüber sitzt mein, seit dem 01.04.2020, neuer Kollege Lukas. Ich möchte es nicht versäumen ihn euch in diesem Rahmen nochmal gebührend vorzustellen. Lukas ist schon seit vielen Jahren im Umfeld des HSV unterwegs und passt deshalb ganz wunderbar zu uns. Wir freuen uns, dass Du da bist! Lukas was meinst Du? #0:48
Lukas:
Moin, moin zusammen! Mir gegenüber sitzt Andrè Fischer, mein geschätzter Kollege aus der Abteilung Fankultur. André und ich kennen uns schon viele Jahre mittlerweile und arbeiten jetzt quasi als Kollegen miteinander. #1:08
André:
Wer hätte das gedacht? #1:09
Lukas:
Wer hätte das gedacht. #1:09
André:
Das es mal soweit kommt… (lacht) #1:09
Lukas:
Wir haben die Ehre euch hier durch die Folgen unseres Podcastformates „HSV Matrix“ zu führen. #1:21
André:
Jo. Da sind wir gleich schon am nächsten Punkt. Wer steckt dahinter? Stellvertretend für unsere Abteilung „HSV-Fankultur sind das Lukas und ich, die sich hier die nächste Zeit um Kopf und Kragen reden werden. Die Abteilung „Fankultur“ hieß bis vor geraumer Zeit Abteilung „Fanbetreuung“. Aus einer ganzen Reihe von Gründen haben wir uns von diesem Begriff verabschiedet, weil wir ihn nicht mehr für zeitgemäß hielten. Ich könnte auch noch viel mehr zu unserer Abteilung sagen und erklären, wer wir sind, was wir machen… das lernt ihr aber alles noch kennen. Ich finde, dass an dieser Stelle so durchzudeklinieren voll öde und widersetze mich den Vorgaben, die ich mir selber gemacht habe. (lacht) und würde lieber den Content, der hoffentlich die nächsten Wochen in Form von weiteren Folgen für sich sprechen lassen. Das erklärt dann, glaub ich, ganz gut, womit wir uns so in der Abteilung auseinandersetzen. Für wen machen wir das hier? Zum einen für die, die sich als Teil dessen begreifen, über das wir hier reden wollen. Aber natürlich auch für Diejenigen die mit Fankultur und Subkultur so noch gar keine Berührung hatten. Auch die sind natürlich herzlich eingeladen sich das hier anzuhören. „HSV-Matrix“ – was soll das? Lukas, magst Du uns das näher erläutern? #2:52
Lukas:
Ja, ich gehe jetzt mal direkt auf den Namen ein. Wieso „HSV-Matrix“? Der HSV hat sich in den letzten Jahren in den Medien nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Wir sind der Meinung, dass diese Außendarstellung dem HSV so nicht gerecht wird, wie wir ihn empfinden. Wir sind der Meinung, dass da noch weitere Dimensionen existieren, in die wir gerne eintauchen möchten. Die viel Faszination bergen und darauf möchten wir genauer eingehen. Diese Dimensionen sind für viele Fans teilweise auch bedeutsamer als einzelne Spieler oder Manager, die das ein oder andere Jahr für den Verein tätig waren. #2:37
André:
Ja, genau. Ich will dich gar nicht abbrechen. Aber um da nochmal einzuhaken. Wir sind ja auch der Meinung, dass es da auch schon genug Podcasts gibt, die sich gut mit dem Thema der sportlichen Dimension befassen. Die lassen wir hier ganz bewusst raus. Uns geht es hier um was Anderes. Das hattest Du ja auch gerade schon gut angerissen über was wir hier reden wollen. Vielleicht macht es Sinn so ein paar Worte über unser Logo zu verlieren. Was ist mit dem Dino? Soll die Hummel den Dino ablösen? ….Natürlich nicht! Aber warum haben wir uns „Harry die Hummel“ als unser kleines Podcast Maskottchen überlegt? Das erklärt uns jetzt auch nochmal Lukas… #4:24
Lukas:
Ja, Harry, die Hummel hat in seiner aktiven Zeit als Maskottchen nicht all zuviel Zuspruch erhalten. Bei mir war das ein bisschen anders. Mein erster Fanartikel vom HSV war ein Jutebeutel mit Harry, der Hummel drauf. Und ich werde fast immer ein bisschen nostalgisch wenn ich dieses Motiv sehe… #4:54
André:
Ja, geht mir genauso. Ich werde auch immer nostalgisch, wenn ich die Hummel sehe. Obwohl ich diese Nostalgie gar nicht in mir habe. Bei mir war es so. Meine Erinnerung an Harry ist so eine schlecht aufgeblasene Hummel, die ihr tristes Dasein auf der Tartanbahn fristete bei irgendwie 8 Grad Regen und 12000 Zuschauern. Aber mir geht’s da genauso wie dir- ich habe trotzdem ein nostalgisches, gutes Gefühl. #5:27
Lukas:
Ja, und es ist ja auch einfach Fakt, dass Harry Hummel aktuell so eine Art zweiten Frühling erlebt und aus allen Teilen der aktiven Fanszene als mögliches Motiv genutzt wird für Aufkleber, T-Shirts und so weiter. Und das spiegelt ja auch ganz gut wider, was wir hier in unserem Podcast darstellen wollen - So eine Verbindung aus der Vergangenheit und höchst aktuellen Themen. #6:01
André:
Ja, er erlebt auf jeden Fall so eine Art Renaissance und erlebt gerade so einen subkulturellen Relaunch, möchte man meinen. Und deshalb passt es ganz gut zu dem, worüber wir hier reden wollen als kleines augenzwinkerndes Moment. Eben haben wir darüber gesprochen, für wen wir das machen. Vielleicht nochmal zu der Frage: Warum machen wir das? Zum einen die Einsicht, dass es ohne Podcast nicht geht. Alle haben Podcast. (lacht) Und da können wir ja jetzt nicht hintenanstehen. Ich finde, das steht uns irgendwie nicht gut zu Gesicht. Das wollen wir uns nicht nachsagen lassen. (lacht) wir haben uns irgendwie lange dagegen gewährt, aber Corona erfordert besondere Maßnahmen. Und um diese Situation etwas einzuordnen – ohne groß Bezug auf das Für und Wider von Geisterspielen zu nehmen- sind für uns, glaub ich, alle einig, dass uns noch eine triste Zeit bevorsteht, in der wir Spiele ohne Zuschauer sehen werden. Und genau deswegen halten wir es für wichtig etwas zu liefern, was ein bisschen Sonne in diese triste Zeit zu bringen. Und vielleicht, Lukas, hast Du Lust schon mal einen kleinen Teaser zur nächsten Folge zu liefern? #7:33
Lukas:
Genau. In der nächsten Folge möchten wir die Europapokal Geschichten der vergangenen Tage etwas beleuchten. Dabei geht es nicht um die sportlichen Erfolge, sondern um die Geschichten, die im Drumherum passieren. Es ist ja doch immer wieder erstaunlich, was für verrückte Geschichten passieren, wenn mehrere HSVer zusammen reisen. Und das in Kombination mit dem ein oder anderen Kulturschock sind da ziemlich viele Geschichten geschehen, die es sich lohnt ans Tageslicht zu holen. #8:17
André:
Auf jeden Fall. Bevor wir jetzt zum Ende kommen – einen ganz herzlichen Dank an Ovi, der, wie wir finden, uns einen übertrieben geiles Podcast-Logo gebaut hat. Und zu guter Letzt noch ein paar Hinweise zur freiwilligen Selbstkontrolle. In diesem Podcast soll es darum gehen, Fankultur beim HSV in erster Linie authentisch darzustellen und weniger darum einer pädagogischen Aufgabe nachzukommen. Fußball ist nach unserer Meinung nicht keimfrei und bei uns schon mal gar nicht. Und noch weniger je weiter man in die Vergangenheit zurückblickt. Aber genau darin liegt für uns der Reiz und unsere Liebe zum HSV begründet. Daher der Hinweis, dass es in den kommenden Folgen durchaus sein kann, dass Ereignisse geschildert werden oder auch mal Worte gebraucht werden, die für mache durchaus anstößig sein könnten. #9:17
Lukas:
Wir als „HSV-Matrix“ müssen uns natürlich auch Gedanken machen, wie wir wahrgenommen werden und uns geht es überhaupt nicht darum, dass wir uns jetzt von allem distanzieren was Ecken und Kanten hat. Sondern ganz klar definieren, welche Rolle Andrè und ich hier haben- und das ist die der Moderatoren. Das heißt, dass jeder Gast, der hier zu Wort kommt, erstmal nur für sich spricht. Es ist zwar durchaus möglich, dass man zwischen den Zeilen auch unsere Meinung und Haltung raushört. Aber das ist nicht unsere primäre Intension. Wir wollen als authentisches Medium, die Geschichten, die hier rund um den HSV passiert sind, wahrheitsgetreu wiedergeben. #10:05
André:
Genau. Es kann auch sein, dass an der einen oder anderen Stelle in den zukünftigen Folgen mit unseren Gästen in die Diskussion zu bestimmten Themen gehen. Das halten wir uns alles frei. Aber für uns war es wichtig, hier einen Rahmen und Raum zu geben für auch abseitige Dinge, ohne gleich die Schere im Kopf anzusetzen. In diesem Sinne wünschen wir euch viel Spaß bei den nächsten Folgen! #10:38
Folge 1, Teil 1: Durch's wilde Transnistrien
In der ersten Folge unseres neuen Podcast aus dem Bereich Fankultur werfen wir mit drei Groundhoppern aus der HSV-Fanszene einen Rückblick auf die Europapokal-Touren in den 2000er Jahren. Dabei erzählen die Protagonisten von skurillen Erlebnissen in fremden Ländern und Stadien und ihre Erinnerungen an Planungen, Reisen und unterschiedliche Kulturen.
André:
Herzlich willkommen zur ersten richtigen Folge der HSV- Matrix, dem Fankultur Podcast aus Hamburg. Es begrüßen euch Andrè und Lukas. Hallo Lukas! #0:48
Lukas:
Moin, moin. #0:49
André:
…von der Abteilung Fankultur beim HSV. Und wie schon angekündigt soll es in dieser Folge um die Teilnahme des HSV in den Nullerjahren an den Europa Cup Tour gehen. Was wichtig zu wissen ist und in der Folge 0 schon angekündigt: Hier geht's nicht um die sportliche Dimension. Sondern es soll vielmehr darum gehen heitere Geschichten zu präsentieren, rund um diese Spiele gehen, was sich so zugetragen hat und hoffen, dass wir euch damit eine kleine Freude in dieser schwierigen Zeit machen können. An dieser Stelle ist es vielleicht noch mal wichtig ein besonderes „Hallo“ nach Transnistrien zu schicken. Transnistrien ist bestimmt vielen von euch kein Begriff- war es mir in der Form auch nicht. Wir entschuldigen uns in aller Form! Ich weiß nicht, ob es eine „Vertretung“ hier in Hamburg gibt. Aber diese Gegend kommt nicht so richtig gut in diesem Podcast weg. Ich lese mal vor, was in „Wikipedia“ zu dieser richtig schönen Gegend in Europa steht: „Transnistrien, in der Eigenbezeichnung Pridnestrowische Moldauische Republik, ist ein hauptsächlich östlich des Flusses Dnister gelegenes, stabilisiertes De-facto-Regime.“ Einer unserer lieben Gäste, Nico, hat es „das kleine Nordkorea mitten in Europa“ bezeichnet. Naja, und auf diese Gegend wird nochmal besonders Bezug genommen. Aber wer zwischen den Zeilen lesen kann, weiß, dass es eigentlich eine Liebeserklärung sein soll. Soviel nur Vorweg, falls es Menschen gibt, die diesen Podcast hören und aus dieser, sehr speziellen, Gegend in Europa stammen. Großes „Sorry“ schon mal vorweg! War nicht so gemeint! #02:49
Lukas:
Ja, wir haben heute wirklich hohen Besuch hier in der HSVMatrix und der ist niemand geringeres als personifiziert „Der Prof“, Bastian und Niko. Und ich würde euch jetzt einfach mal bitten euch vorzustellen. #03:10
Der Prof.:
Moin, erst mal. Hier ist euer, vielen in der HSV-Fanszene als „Prof“ bekannt und Teil der Gerner-Bande. Seit 1995 fahre ich zum HSV. Ich bin gespannt, was meine Mitstreiter und ich über die Jahre um die Zweitausendwende, die goldenen Jahre und die sogenannten „Nuller Jahre“ zu berichten haben. #03:35
Bastian:
Moin. Ich bin Bastian und bin ebenfalls Mitglied der Gerner- Bande. Ich bin ein Teil der Leute, die jahrelang regelmäßig international auswärts gefahren sind. Gleichzeitig bin ich aktives Mitglied bei der „Chosen Few“ gewesen und freue mich heute mal bisschen über alte Touren und alte Geschichten plaudern zu dürfen. #04:01
Der Prof.:
Gut siehst Du aus! Muss man mal sagen… mit dem offenen Hemd und dem Schnauzer. Gefällt mir richtig gut! Der Prof ist begeistert. #04:08
Bastian:
Das freut mich. (lacht) #04:09
Niko:
Moin. Schönen guten Tag auch. Ich heiße Niko. Seit Anfang der neunziger Jahre bin ich HSV-Fan. 1996 meine erste Dauerkarte. Und dann kamen ja auch schon bald die Zweitausender mit diesen ganzen Europapokalfahrten, über die wir hier heute eines bisschen berichten wollen. In den Zweitausendern bin ich auch Mitglied der „Chosen Few“ geworden und bin heute immer noch in Ultrakreisen aktiv bei den Castaways und freue mich auch so ein paar alte Geschichten wieder aufleben zu lassen, die schon fast verblasst sind, aber wir geben uns Mühe… #04:46
André:
Schönen Dank für die Vorstellungsrunde und diesen hanseatischen Aufschlag! Jetzt dürfen wir auch Lukas nicht vergessen… der sitz ja auch noch neben mir. Und den wollen wir herzlich begrüßen. #04:57
Lukas:
Moin, moin auch von mir. Ich würde dann direkt zum Inhaltlichen übergehen. Der HSV hatte ja in seiner jüngsten Europapokalgeschichte einige spannende Gegner, die ihre Heimat tief im Ostblock haben oder auch in südlicheren Gefilden. Und würde das gerne als Ansatz für die erste Frage nehmen: Bei welchen Touren wurden denn die größten kulturellen Unterschiede erlebt? Was fällt euch da ein? Was war damals noch ein bisschen extremer als heutzutage? Legt einfach mal los.. #05:35
Der Prof.:
Ja, man muss ja da ein bisschen ausholen. Wenn man sich diese goldenen Zeiten, diese Dekade von 2000 bis 2010 anguckt, wo man gegen Fulham im Halbfinale rausgeflogen ist, dann waren das ja wirklich unglaubliche Zeiten. Da kamen so viele Geschichten zusammen. Das waren 44 Spiele, das kann sich kein Mensch vorstellen. Letztendlich konnte man nichts gewinnen, nicht mal eine goldene Ananas. Trotzdem waren es unglaublich geile Zeiten. Und wenn du nach kulturellen Unterschieden fragst, weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Aber auf jeden Fall muss 2003 den FK Dnipro Dnipropetrowsk erwähnen. Ich hoffe ich habe den Namen richtig ausgesprochen. Das war ein ganz starkes Ding. Willst Du darüber was erzählen, Bastian? #06:40
Bastian:
Ja, ich will da einmal ein bisschen ansetzen. Also, wenn man das mit der heutigen Zeit vergleicht und überlegt, dass wir seit 10 Jahren international nicht mehr vertreten sind und das wohl auch in der nächsten Zeit nicht mehr passieren wird, können wir uns eigentlich glücklich schätzen, dass wir zur goldenen Generation gehören… #07:00
Der Prof:
…die goldene Ananas Generation… (lacht) #07:02
Bastian:
Ja, aber im Prinzip muss man sagen, wenn man diese ganzen UI-Cup Fahrten, auf die wir wahrscheinlich nochmal detaillierter eingehen- das ist für mich eigentlich wirklich Europacup. Also ich persönlich brauche nicht sagen, ich spiele jetzt bei Barcelona oder Real Madrid. Das mag vielleicht mal interessant sein, dass man sich dort mal messen dürfte. Also ich finde Europapokal ist, wenn man irgendwo nach der Auslosung erstmal überlegen muss, wo der Verein eigentlich herkommt. Das ist das, weswegen man halt gerne gefahren ist. 2003 in Dnipropetrowsk, das war schon eine ganz, ganz andere Welt als Osteuropa vielleicht heute noch vermitteln mag. Wir sind ja als Groundhopper mitunter in Polen und auch in anderen Ländern noch unterwegs. Man merkt halt schon ein Unterschied wie es noch vor 15, 16, 17 Jahren gewesen ist und gerade in der Ukraine war es damals völlig wild und nicht mehr vergleichbar, wie es wahrscheinlich heute wäre. #08:01
Niko:
Ja, dem würde ich mich anschließen. Von „Hoppingtouren“ war ja schon ein bisschen was gewöhnt. Aber Osteuropa war natürlich schon ein gewisser kultureller Schock - wenn auch nicht ganz so groß wie man vermuten könnte. Wobei bei mir auf jeden Fall in den Sinn kommt - unser Spiel in Chişinău. Da ging es eher um die Kombination mit dem was noch danach kam. Nämlich, dass wir das sogenannte „Schwarze Loch“ von Europa, Transnistrien, noch besucht haben. Und das schlug nun wirklich dem Fass den Boden aus... #08:41
André:
Magst Du ein bisschen ins Detail gehen? Meinst Du die Anreisewege oder auch das Zusammentreffen mit örtlichen Szenen? Was genau fällt Dir da so ein? #08:50
Niko:
…eher die politischen Gegebenheiten. Also vielleicht zur Erklärung: Transnistriens ist quasi ein abtrünniger Teil von Moldawien. Chişinău liegt in Moldawien - ist die Hauptstadt. Und Transnistrien ist ein Landstrich, in dem eine ein relativ großer Anteil an russischer Bevölkerung lebt… #09:17
Der Prof.:
Deswegen, glaube ich, wird Transnistrien weltweit auch nur von Russland anerkannt. Alle anderen Länder sagen: Was soll der Rotz da? Die haben eine eigene Währung, die haben ein eigenes Militär und man denkt schon in Chişinău: „Wie scheiße sieht das eigentlich hier aus?“ Ist ja schon ein richtiges Drecksloch… #09:24
Niko:
Ja, das mag sein, dass es international nicht weiter anerkannt ist. Das war ja auch die Problematik. Wenn man sich dort irgendwas erlaubt hätte und in irgendeinem Gefängnis gelandet wäre- man hätte nicht auf diplomatische Vertretung durch die Bundesrepublik hoffen können. Da wurde man auch drauf hingewiesen. Und so war es nicht unbedingt die Kultur oder die Fanszene, obwohl die ja auch für eine ganz gute Unterhaltung gesorgt haben. Sondern eben die Tatsache, dass sozusagen ein kleines Nordkorea doch halbwegs mitten in Europa liegt. Damals gab es noch keine YouTube Videos und trotzdem hatte man eine grobe Ahnung was einen dort erwartet. Aber da kommen wir vielleicht später noch einmal drauf zurück. Aber das war dann schon eine ganz neue Erfahrung. Auch im Vergleich zu anderen osteuropäischen Ländern, wo man meinen könnte, dass die Uhren dort ähnlich ticken. #10:18
Bastian:
Also, wir haben uns vorher schon einmal ein paar Gedanken gemacht und auch nachgelesen. Und - in der Tat- seit 2003 sind es 39 Spiele in 26 Ländern gewesen. Da kann man sich mal überlegen, wo man überall hinreisen durfte. Und alles was weit weg ist, wie eben schon angesprochen die Ukraine und Moldawien, aber auch Tel Aviv in Israel, wo wir noch einen Abstecher nach Palästina gemacht haben, ist sehr interessant. Nicht nur, dass man andere Fanszenen kennenlernen durfte, sondern eben auch andere Kulturen. Das ist alles schon alles sehr aufregend gewesen. #10:56
Der Prof.:
Lass uns doch nochmal bei den entsprechenden Stationen angreifen. Wir hatten da die 3 aufgezählten Dnipropetrowsk, Chişinău und Tel Aviv. Wollen wir chronologisch vorgehen? #11:10
Bastian:
Lass uns chronologisch erzählen.. #11:15
Der Prof.:
Also Dnipropetrowsk war 2003, UEFA-Cup, 1. Runde…. #11:20
Bastian:
Du musst dazu sagen, dass ist das erste Mal gewesen, dass die HSV Fans mit dem Mannschaftsflieger fliegen konnten. #11:25
Der Prof.:
Ja, stimmt… #11:26
Bastian:
Wir waren 2 Tage da und es war auch das letzte Mal, dass man mit dem Mannschaftsflieger fliegen durfte. Weil man, wie es sich traditionell gehört, ja 3:0 sang- und klanglos bei so einem Scheißverein ausgeschieden ist. Kurt Jara hatte an diesem Tag Geburtstag und auf dem Hinweg wurde gefeiert, weil er Geburtstag hat und auf dem Rückweg wurde gefeiert weil er rausfliegt. Im Flieger hat keiner ein Auge zugemacht und es wurde nur die Mannschaft, die im Vorderteil des Fliegers saß, beschimpft. Hinten saß der Pöbel. Wir sind 3 oder 4 Stunden geflogen. Es war wirklich herrlich. #12:02
Der Prof.:
Ich muss ganz ehrlich dazu sagen. Ich war auch in dem Flieger anscheinend drin. Ich weiß nicht wie sonst angekommen bin. Das muss ja dann der Rückflug gewesen sein. Mir war das so nicht mehr bewusst. Ich muss wieder so viel getrunken haben und das ist ja auch schon 17 Jahre her. Ich habe mir nochmal das Buch „Kinder der Westkurve“ angeguckt. Da steht auch noch ein Artikel darüber drin. Und am Flughafen, da ging es dann richtig zur Sache. Nach dem Spiel war die Stimmung richtig gereizt und die Mannschaft, inklusive Kurt Jara, war denn auch irgendwann zugegen. Der HSV Mob wartete schon und hatte sich sehr kreatives Liedgut ausgedacht. Jojo versuchte dann, als damaliger Capo, ein bisschen zu vermitteln. Und dann musste die Mannschaft ja noch mit diesem angesoffenen Krawallmob zusammen nach Hause fliegen… da hatte jeder dann schon 1 und 1 zusammengezählt, dass das kein ruhiger Rückflug werden sollte. Und „der Prof“ ist irgendwann im Wodka Rausch da eingepennt. Ich weiß das gar nicht mehr. Das ist alles schon so lange her… ich musste mir das heute alles nochmal in einem Bericht durchgucken. Das war schon eine richtige Schlagzeile damals in den Zeitungen. #13:05
André: (lacht)
Das würde mich jetzt mal interessieren… gab es da sowas, wie eine Bannmeile die da gezogen wurde im Flieger? Wurden da ein paar Reihen freigelassen? #13:12
Bastian:
Das weiß ich gar nicht mehr. Ich weiß die Mannschaft saß wirklich vorne und die durften auch als erstes einsteigen in den Flieger. Weil sie halt ja dann was Besseres waren als der Pöbel. Und der kam hinterher und natürlich hat jeder Spieler wirklich schon einen Spruch vom Mob bekommen. Wir saßen im hinteren Teil vom Flieger und waren circa 150 Leute. Kann man sich ja vorstellen, wie es da abging. Zur damaligen Zeit haben Getränke vor Ort ja auch nichts gekostet. Alle waren voll betrunken im Flieger und haben Parolen rausgehauen. Das war ist großartig! Ich muss aber sagen - es gab ein Tagesflieger, wir waren 2 Tage da, und es gab eine Bahnreise. Also Respekt an die Leute! Damals noch mit Doktor Schorle… #14:01
Der Prof.:
War der auch im Zug? #14:02
Bastian:
Ja, der war auch im Zug. Die waren, glaube ich, sieben Tage unterwegs. Drei Tage hin, dann 2 Tage Alarm gemacht und ja dann entsprechend auch zurück. Weltklasse. Die sahen wirklich fertig aus als sie ankamen. Wir hatten ein Hotel und da waren alle untergebracht. Es war super mit Fahnen zugehangen. Und wir haben uns 2 Tage in der Stadt aufgehalten und konnten uns benehmen, wie wir wollten. Wir waren im Irish Pub und ja das war großartig. Wir waren mal als Szene geschlossen da und haben alle zusammen gefeiert und scheiße gebaut, wie es sich gehört. Es war eine bomben Fahrt. Das war großartig. #15:00
Der Prof.:
Ja, das war in der Tat großartig. Ich feiere ist das auch ab. Und das war ja auch wirklich eine eingeschworene Gemeinde damals gewesen. Gerade die Leute die mit dem Zug runtergefahren sind. Ich weiß gar nicht genau, wieviel das wirklich waren, 10 oder 15 völlig Durchgeknallte. Und dann kam halt noch der restliche Mob dazu. Das war ja auch was wirklich nur was für die Extremfälle. Also es waren letztendlich ungefähr 350 HSVer im Stadion, im Meteor Stadion von Dnipropetrowsk. Und das waren natürlich wirklich die damaligen Allesfahrer, die die sogenannten Alten wie ich sie nenne. Es war eine Generation vor uns gewesen. Wir waren ganz junge Heißdüsen, die noch nichts auf die Kette gekriegt haben. Das war schon beeindruckend. Es war ein guter Mob und das hat sich dann auch im Laufe der Zeit weiter gefestigt. Durch die Jahre und die diversen Spiele, die danach noch so kamen… #15:52
Bastian:
Erinnerst du dich noch an die Toilette im Gästeblock? #15:55
Der Prof.:
Ohhh… ohne Scheiß. Ich kam da rein. Da war ein ukrainischer Soldat. Die Tür war nicht zu. Die Tür stand sperrangelweit auf. Und es waren ja nur Kacklöcher. Genau das hat er in dem Moment auch gemacht. Also ich habe die Wurst gesehen, die daraus kam. Dem Soldaten war das sowas von egal. #16:09
Alles lacht...
Der Prof.:
Wo wir wieder beim Kulturschock sind… Also, das war wirklich ganz stark. Und so will der Mob das ja auch haben. So was hast du hier in Deutschland ja nie gesehen. Da machst Du mindestens die Tür zu. Aber dass da ein Soldat reinkommt und da richtig ein abledert, das war schon bombenmäßig. Dieses ganze Stadion, das war so ein typisches Ostblock Ding. Völlig runtergekommen, gefühlt 600 Jahre alt, alles voller Schimmel und Siff und überall tanzte da das sogenannte Teller Mützen Ballett. Die Staatsorgane, die Polizisten hatten so riesige Mützen auf. Das war schon sehr beeindruckend. Wenn du halt vorher noch nie so richtig im Ostblock drin warst. Und das war ja nicht Kiew oder so. Das war ein industrieller Siffort der Dnipropetrowsk heißt. Ich glaube, der heißt heute auch gar nicht mehr so... #17:05
Bastian:
Doch, doch... #17:06
Der Prof.:
Ich glaube der heißt jetzt nur noch Dnipro… guck dir das mal an. Die haben das noch zwischenzeitlich umbenannt, um internationale Gäste anzuziehen. (lacht) Den Verein gibt es übrigens als solches auch nicht mehr. Der heißt jetzt nur noch Dnipro 1 oder irgendwie so…, weil die Stadt, wie gesagt, auch so heißt. Das war schon echt strange und ich weiß nicht, ob du das in Europa heutzutage noch irgendwie so krass halt hast. Wie da dieser Gammel vorherrschte. Ist aber, wie gesagt schon 17 Jahre her… #17:26
Bastian:
Also 2000 davor war ja Champions League. Dann war 3 Jahre halt Scheiße. Da bist Du hier auch mal 10 oder 11. geworden. Und dann kam ja die Zeit, in der du international spielen durftest. Da war man halt schon heiß, weil wir uns international präsentieren durften. Stuttgart als Beispiel – die hatten immer nur geile Europacuplose gehabt. Die haben auf Island gespielt, mehr geht überhaupt nicht. Dann haben wir uns international qualifiziert und haben auch so ein Los gezogen- besser geht es halt nicht. #17:58
Der Prof.:
Das wollte ich gerade fragen. Nico, wie siehst du das so? Hast du damals auch immer bei der Auslosung vor der Glotze gesessen? Es war ja nachher so ein Ritual, was man immer machen musste. Und dann hat man teilweise die Lose, die Namen der Verein noch nie gehört. Also ich kann von mir sagen. Da ging er wirklich das Herz auf. Weil, das waren wirklich solche Exoten, die da gezogen wurden. Das schon richtig, richtig stark. #18:22
Niko:
Klar hat man das damals mitverfolgt. Und ich wäre auch gerne mitgefahren. Aber damals ist es an den finanziellen Mitteln gescheitert. Ich weiß nicht was damals eine Fahrt im Flieger oder im Zug gekostet hat. Aber ich glaube im Flugzeug war zu teuer und Zug war dann doch eine Nummer zu krass. Wie gesagt, da kamen die Leute ja als Zombies sozusagen wieder heraus getorkelt... #18:43
Der Prof.:
… und die wahren Perlen kamen ja noch erst danach… #18:45
Niko:
Ja, klar. Vielleicht habe ich das in weiser voraus Ahnung gemacht, dass jetzt so ein kleines goldenes Zeitalter beginnt und dem war ja dann auch so. Insofern habe ich das Geld für spätere Touren gut angelegt. #18:55
Der Prof.:
Also für mich war das immer das Größte, wenn eine Auslosung kam. Und da wurden solche Scheißvereine rausgesucht, gerade in dem sogenannten UI-Cup. Man musste immer in die zweite oder dritte Runde einsteigen. Und hatte vorher schon ganz genau beobachtet welche Mannschaften da spielen. Immer in der Hoffnung, dass man dann auch wieder so ein Sifflos zieht. Und dann ging es los. Uns sind dann irgendwann bei Dacia Chişinău in Moldawien angekommen. #19:18
Niko:
Das war tatsächlich verbunden mit einem ganz großen privaten Losglück. Also wir waren oder wollten sowieso nach Rumänien fahren und dort ein Freund besuchen. Also der Millionär und ich, der ja vielleicht einigen hier auch bekannt ist. Und dann kam plötzlich ans Tageslicht, dass da eben dieser moldawische Hauptstadtverein, von dem noch niemand gehört hat, irgendwie in die nächste Runde gekommen ist. Und jetzt gegen die Fußballmacht FC Sankt Gallen antritt. Wir hatten uns überhaupt gar keine Hoffnung gemacht, dass die Moldawier irgendwie die St. Gallener rauskegeln könnten. Und dann hatten wir es tatsächlich noch in irgendeinem antiken Liveticker im Internet mitverfolgt, wie Chişinău dann tatsächlich irgendwie das Rückspiel noch 2:1 gewonnen hat. Und dann war natürlich großer Jubel in der damaligen Veddel WG, wo der Millionär und ich gewohnt haben. Wir sind da also fast vor Freude an die Decke gesprungen. #20:15
Der Prof.:
..zurecht… #20:17
Niko:
Denn jetzt war klar, dass wir den Rumänienurlaub noch mit einem HSV-Auswärtsspiel in Moldawien verbinden können. Ja, und das war natürlich Bombe und mehr ging im Moment gar nicht. Und wir dachten, dass wird eine relativ leichte Nummer das Ganze zu kombinieren. Das hatte sich dann aber schnell relativiert, als wir die ganzen Zugfahrtpläne herausgefunden hatten. Auch auf der Karte sah das gar nicht so extrem aus. Da würde man sich in Mitteleuropa wahrscheinlich 3 ½ Stunden in den Zug setzen. Das ist heute auch anders. Aber damals musste man mit dem Nachtzug 16 Stunden von Bukarest nach Chişinău fahren. Und das war natürlich so ein kleiner Schock als so die ersten Gedankenspiele losgingen. Aber wir fanden das recht attraktiv- bis wir irgendwann im 50 Grad heißen Abteil für die nächsten 16 Stunden saßen. Aber so etwas gibt es heute garantiert nicht mehr. Man konnte die Fenster damals nicht aufmachen. Frag mich nicht wieso… Die Schaffnerin durfte man sowieso nichts fragen – die hatte einen immer böse angeguckt. Lachen verboten. Es war mega stickig. 50 Grad. Wir hatten irgendwie eine Flasche Ballantines. Die war nach einer Stunde weg. Und dann musste man immer noch 15 Stunden in diesem Zug sitzen. Und langsam meldet sich bei dem ein oder andern dann doch das Bedürfnis aufs Klo zu gehen. Aber es gab keine wirklichen Klos in diesen Wagons. Aber irgendwann haben wir dann Stop gemacht, mitten in der Pampa. Und da war dann ein kleiner Bahnhof, wo wir dann alle rein gestürmt sind. Alle aufs Klo- und dann haben wir gemerkt, dass es auch dort kein Klopapier gab. Also quasi alle mit runtergelassener Hose wieder zurück zum Zug und aus irgendeinem Wagon kam dann durch ein offenes Fenster plötzlich eine Klopapierrolle geflogen, auf die wir uns alle gestürzt haben. Da war das Problem zumindest erstmal gelöst und dann sind wir tatsächlich irgendwann alle gesund und zufrieden in Chişinău eingerollt. Das war auf jeden Fall eine sehr spezielle Anfahrt. Aber auch ein sehr schönes Erlebnis, weil keiner damit gerechnet hatte, dass wir dieses Spiel sozusagen einfach nebenbei mitnehmen können. #22:55
Der Prof.:
Das ist das Nächste.. du musst ja innerhalb von gefühlt 6 Tagen eine komplett neue Toure ins Ostblockgebiet ausdenken… #23:00
Bastian:
…weil, man hat ja gedacht man fährt mit einem 9er nach St. Gallen. #23:02
Der Prof.:
Ja, genau. #23:03
Niko:
Die ganze Fanszene hatte damals richtig abgekotzt. Sie haben sich auf einen schönen Tag in der Schweiz gefreut. Und nur wir haben das damals abgefeiert, dass wir nach Chişinău konnten. Die Anderen haben das, glaube ich, irgendwann dann auch gefeiert, die das geschafft haben dorthin zu fahren. Aber ja - für die einen war es großes Pech - die wollten eigentlich einen schönen Tag in den Bergen verbringen und ja – wir fanden es richtig gut damals. (lacht) #23:27
Bastian:
Also ich habe es auch abgefeiert. Wir sind geflogen- ich glaube ich war damals mit Jojo, Peppi und Krokette unterwegs. Alles CFHH Leute. Und ja, das war ein Bombentrip. Die Stadt war grau, es gab nur Plattenbauten. Die Menschen waren grau. Es war alles grau. #23:47
Niko:
Kurz zuvor hatte auch eine Hoppingtour stattgefunden, wo wir ein Hopper aus der Hamburger Fanszene eine Dame aus Chişinău kennengelernt hatte, die da jetzt auch noch als Reiseführerin fungieren konnte. Das war auch sehr witzig… #24:09
Der Prof.:
Besonders weil man ja auch bedenken muss, was daraus dann noch entstanden ist…#24:11
Niko:
Genau. Die hat also nicht, nachdem die Hamburger Horde dort eingefallen ist, die Flucht ergriffen. Sondern die haben dann tatsächlich geheiratet. Solche Geschichten entstehen dann auch. #24:22
Der Prof.:
Aber nicht sofort in Chişinău vor Ort. Das hat sich ja alles noch entwickelt. #24:25
Niko:
Na, das wäre ja noch der Oberhammer gewesen, wenn wir dann noch auf eine moldawische Hochzeit eingeladen worden wären. Das wäre zu viel des Guten gewesen. #24:31
Lukas:
Da würde ich gerne einmal kurz einhaken... Ihr habt gerade erzählt, dass dort die Welt gefühlt anders ablief als ihr es hier gewohnt wart. Wie lief denn dort so der Kontakt zur einheimischen Bevölkerung ab? Haben die sich in ihren Plattenbauten vor dem wilden HSV Mob versteckt oder wie kann man sich das vorstellen? Oder wurde man mit offenen Armen empfangen? #24:56
Bastian:
Ja, ich erzählte ja schon. Die liefen in grauen Klamotten rum. Und wir halt kunterbunt. Und eben laut. Das war für die Bevölkerung, glaube ich, so eine Art Zirkus als wir in der Stadt waren. #25:07
Der Prof.:
Und andersrum ja auch… #25:09
Bastian:
Für uns das Gleiche. Aber es war kein feindseliger Kontakt. Es war alles kernentspannt. Die haben keinem was getan und wir fühlten uns wohl so. Und abends in der Disco war halt auch Alarm. #25:27
Niko:
Also heute würden natürlich solche Touren anders sein. Weil quasi jeder Dorfverein mittlerweile in Osteuropa über eine respektable Fanszene verfügt. Damals war das überhaupt nicht der Fall. Ich kann mich noch erinnern- da saßen ein paar Normalos im Stadion und das einzige Konfliktpotential war, dass sich ein Moldawier dem Auswärtsblock genähert hat und als es 1:0 für Chişinău gestanden hat rüber rief: „Na Hamburg, wie steht's?“ und Kartman zurückrief: „0:1 für deine Mutter“ und er dann meinte: „Geh nach Hause du Arschloch!“ Das war sozusagen die einzige Feindseligkeit, die uns damals aus Osteuropa entgegengeschlagen ist. Ich fand das sehr entspannt. Heute ist das sicherlich ein ganz anderer Schnack bei vielen Gegnern. Wenn ich da an Budapest oder Bukarest denke…Also das würde sicherlich heute anders laufen. Damals sind wir einfach in die Kneipe rein - nicht groß Gedanken machen. Manche Leute haben angeguckt als wären wir Marsmenschen. Manchmal haben wir so zurück geguckt. Aber insgesamt war das alles sehr harmonisch, fand ich. #26:39
Bastian:
Also mit großen Fanszenen und in großen Städten, wie Zagreb, Moskau oder Budapest- da ist natürlich schon bekannt, dass man dort nicht wie die Axt im Walde durch die Stadt läuft, sondern weiß, wie man sich entsprechend verhalten soll. Diese Fahrten, wie nach Chişinău oder auch nach Urziceni waren sehr kernentspannt. Urziceni in Rumänien- dort gab es mehr Pferdekutschen als Einwohner. Ein grandioses Los. Wenn wir alle mal abends beim Grillen zusammensitzen – Chişinău ist noch bis heute ein geiles Thema. Man verbindet damit geile Geschichten – wir haben sehr viel Spaß gehabt. #27:27
Der Prof.:
Ich erinnere mich - ich habe fast alle Spiele mehr oder weniger gefilmt in dieser Zeit und daraus dann DVDs für die Fanszene gemacht. Ich hatte immer einen anderen Blickpunkt als die Fanszene als solches. Weil ich meistens dann den Block gefilmt habe und nicht vom Block heraus. Sondern von einer gegenüberliegenden Tribüne auf den überschaubaren Haufen. In Chişinău waren letztendlich nur 95 Fans aus Hamburg angereist. Und wenn man sich das vorstellt - diese Haupttribüne, wenn man sie überhaupt so nennen darf, weil Daciá selber halt ein ganz kleiner Verein war. Das war zu damaligen Zeit so ein komisches Werbekonstrukt aufgrund der rumänischen Automarke gewesen. Wenn ich mir aber diese heruntergekommenen Ostblock-Plattenhäuser da im Hintergrund von dieser Tribüne nochmal angucke oder mir diese Bilder durch den Kopf gehen lasse- das war wirklich unglaublich wie es in der ganzen Stadt so aussah. Alles so runtergekommen …Wir haben ein Hotel gehabt und waren bei einer Oma in so einem Plattenbau irgendwo im 18. Stock. In irgend so einem kleinen Zimmerchen. Da hingen Gardinchen und standen so Plastik Blumen. Und selbst die knickten schon den Kopf ab. Das war alles so Oma und russisch mäßig da zusammengebastelt. Das was ja kein Standard, den man aus Deutschland und Europa gewohnt war. Es war eine ganz andere Welt und- ja, die wenigen Leute mit denen du Kontakt hattest, die waren den ganzen Tag bei McDonald. Es waren ja auch über 50 Grad, weiß ich noch an dem Tag. Es war superheiß. Man ist den ganzen Tag zu McDonald's gegangen und hat Mc Flurry gefressen oder warst halt in einer Kneipe. Aber mehr konnte man auch nicht machen. Ich weiß, ich wollte CDs kaufen- damals gab es noch CDs. Die waren damals 2007 ganz groß bei denen. Ich bin dann in das sogenannte größte Einkaufszentrum der Stadt und bin da reingekommen und das sah aus wie so ein Tante-Emma-Laden… #29:12
Niko:
Jetzt kommen langsam die Erinnerungen wieder. Wir hatten uns damals aufgeteilt und ich war mit ein paar Leuten unterwegs. Traditionell suchen wir ganz gerne mal ein Schwimmbad auf und weil es eben so heiß war wollten wir dort ins Freibad. Das war ein total abgewracktes Schwimmbad, keine Ahnung womit das Becken verkleidet war. Aber es rostete alles. #29:33
Bastian:
… und es roch auch alles…#29:34
Niko:
Unglaublich. Und wir polterten dann dort auch mit einem Dutzend Leuten rein. Wie die Axt im Walde, zugegebenen Maßen. Aber trotzdem habe ich gedacht, dass wir mit unserer harten Währung da reingelassen werden. Aber nix da. Die Einlasskontrolle hat uns dann den Zugang verwehrt, weil wir zu dreckig seien. (Alles lacht) #29:52
Der Prof.:
Und das ausgerechnet von einem Moldavier sich sagen zu lassen - das ist schon richtig stark. #29:57
Niko:
Naja, ganz unrecht hatte sie nicht. Na gut, wir konnten ja nicht auf Moldawisch erwidern, dass ihr Schwimmbad auch nicht besser aussieht. Aber wir hatten einen Alternativplan aus einem Reiseführer aufgetan. #30:12
Bastian:
Ich überleg gerade- dass war ein anderes Schwimmbad. Das war eher so ein Porno-Schwimmbad mit so Launches aufgebaut, die da überhaupt nicht hingehören. #30:21
Niko:
…und dann sind wir noch zu diesem einem Badesee der in dem Touri-Führer als Sehenswürdigkeit drinstand. Aber es sah eher aus wie ein Einschlagloch von einer Atombombe, wo glaube ich, du noch interviewt wurdest und behauptet hast, dass man in Deutschland für ein Schwimmbad Besuch 50 Euro ausgeben muss. Und der moldawische Reporter, der uns da gerade interviewt hat, fast aus den Socken gekippt wäre. (Alles lacht) #30:47
Bastian:
.. ein Jahresgehalt für ihn… #30:48
Niko:
Der Ausflug war ein absoluter Reinfall aber das hat sie dann wieder wettgemacht … (lacht) #30:52
André:
Mich würde interessieren… wo kam der Reporter auf einmal her? (lacht) #30:55
Niko:
Wie gesagt, das war eine offizielle Sehenswürdigkeit. Vielleicht hat er eine Reisedoku oder sowas gedreht und da kamen wir Vögel ihm gerade recht... #31:02
Bastian:
Reisedoku in Moldawien… (lacht) #31:05
Niko:
…und da hat Bastian sich natürlich nicht zweimal bitten lassen und hat irgendwelche Geschichten über deutsche Schwimmbäder erzählt. #31:11
Der Prof.:
Ja, das war schon herrlich, dass man sich dann immer noch so interessant vor Ort verhalten muss. Das macht das Ganze nochmal doppelt interessant. Also gerade in Chişinău konnte man machen was man wollte. Chişinău ist ja wirklich eines der schmutzigsten Hauptstädte, die ich jemals in Europa gesehen habe. Da fühlt sich der Mob ja gleich wohl. Das war rundum eine ziemlich gelungene Tour. #31:39
Bastian:
Ihr müsst dazu aber auch wissen, die Fanszene war damals schon anders als es heute so der Fall ist. Heute spielt der traditionelle Ultragedanke und auch die Politik an einigen Stellen eine entscheidende Rolle. Und der Großteil der Leute, die damals international gefahren sind, sind halt überwiegend zum Saufen gefahren. Und da sind natürlich dann die Spiele in Osteuropa das Salz in der Suppe. #32:04
Der Prof.:
Ja, und man musste immer in den Irisch Pub. #32:08
Alle:
Ja, das stimmt... #32:09
Bastian:
Das große Mysterium der HSV- Fanszene... #32:10
Der Prof.:
Ich versteh das nicht… Immer Irish Pub und einfach immer sauteuer. Obwohl in Chişinău ein Bier 8 Cent kostet. Man musste trotzdem in den Irish Pub und dann das Zehnfache zahlen. Das habe ich nie verstanden. #32:18
Bastian:
Ich denke mal an Olmütz. In Olmütz haben wir 2006 im UI-Cup gespielt. Auch so eine geile Sache. Die haben davor gegen Dortmund gespielt. Und eigentlich war sicher, dass wir in Dortmund spielen. Muss man sich mal vorstellen - Europa Pokal in Dortmund. Das schon richtig beschissen. So, und Dortmund fliegt aber einfach in Olmütz raus. Und dann war alles klar, dass wir danach dahin dürfen…Wir sind mit unserem Mob damals losgefahren. Ich glaube wir sind nachts mit einem 9er Bus losgefahren. Da morgens auch gleich ins Schwimmbad, Sommer 30 Grad, eingefallen. Viel und richtig krass und vorher noch aufm Gammel-Markt an der tschechischen Grenze allen möglichen Scheiß gekauft. Und ja- das war Hardcore Europa Pokal-Party im Schwimmbad. Im Gästeblock gab es dann später Schnaps. Und wenn ich dann so an Leute wie Rautenheinz, Cartman und Brigade Bavaria denke- da ging überhaupt nichts mehr. Die lagen nachher am Bierstand, Schnaps war alle. Da funktionierte nichts mehr. Und Cartman, geiler Typ, war bei uns für die Tourorga verantwortlich und somit auch die Reisekasse. Das war ziemlich dämlich. Und aufm Rückweg war der so dicht –verwunderlich, dass er überhaupt noch zum Auto gekommen ist. Und wenn Cartman voll ist, strengt er manchmal an und wenn er granatenvoll ist, macht er überhaupt nichts mehr. Und den wach zu machen, damit er die Tankrechnung irgendwo in Tschechien bezahlt… der wurde nachher geschlagen, weil er keine Regung gezeigt hatte, um wach zu werden. Irgendwann ist er dann aufgestanden, so im Voll- Delirium und schmiss das ganze Portemonnaie über den Tankstellenhof. Und der restliche Mob konnte das dann wieder zusammenkratzen. Ja- Schnaps im Stadion- das passiert dann halt… #34:07
Der Prof:
Ja, das letzte Mail in Chişinău. Seitdem habe ich das auch nie wieder so gehabt. Dass Du Hochprozentiges im Stadion zechen darfst… und da sagt der HSV Mob natürlich nicht “nein“. Bei den Preisen vor Ort- da wurde halt richtig gebechert. #34:18
Niko:
Aber ich würde trotzdem wetten… wenn wir irgendwann mal wieder, so in 15 Jahren, so in einer Art UI Cup spielen – der HSV Mob wird trotzdem wie eine Art Zombies in die Irish Pubs marschieren…#34:30
Bastian:
Na klar…#34:31
Niko:
Das war immer so. Egal ob in der Schweiz und das Bier kostet 10€ oder irgendwo in Dnepro und das Bier kostet 1€. Vollkommen egal… einer der großen Mysterien…#34:42
Lukas:
So. Unabhängig von den kulturellen Unterschieden würde uns jetzt mal interessieren, wo die Hamburger Fanszene so in diesem Zeitraum so die beste Performance hingelegt hat? Wo man die besten Mobs und die meisten Leute gestellt hat und so? Da gehen die Meinungen ja vielleicht doch weit auseinander… #35:04
Niko:
Ja, das ist tatsächlich eine sehr subjektive Bewertung, die ich gerne abgeben wollen würde,… für mich war es auf jeden Fall in Bergen, Norwegen, 2007 im Herbst. Da waren wir sicherlich auf jeden Fall nicht der größte Mob. Da waren damals auch nur 300, 400 HSVer dabei… #35:21
Der Prof:
600 #35:22
Niko:
600. Ok. Aber ist ja trotzdem beileibe nicht der größte Mob gewesen. #35:27
Der Prof:
…für norwegische, damalige Verhältnisse ja schon… #35:29
Niko:
Für damalige Verhältnisse schon. Man muss ja auch immer unterscheiden zwischen heute und damals. Also heute fährt Frankfurt mit 20.000 Leute nach Bordeaux und Gladbach mit 10.000 Leuten überall hin. Das sind Dimensionen, die man damals auch bei attraktiven Zielen zugegebenen Maßen nicht erreicht hat. Aber, ja, das waren noch andere Zeiten. Und da muss man auch damit rechnen, dass man mit hundert Leuten in Sofia oder eben mit 600 Leuten in Norwegen war. Aber das Coole war damals diese Pyro Show, die wahrscheinlich viele Leute noch von den Fotos kennen. Die wurde dort aus dem Hut gezaubert. Zu einer Zeit, die auf jeden Fall nicht zur Hoch- Zeit der Pyro Shows zählte… Also Anfang der 2000er gab es ja diese schwarzen Rauchbomben, wo einfach jemand irgendwie 5 Kilo Rauch stumpf im Block angezündet hatte. Dann hat sich das Ganze ja ein bisschen kultiviert und, ich weiß noch… so die 1, 2 Jahre vor diesem Spiel in Bergen ist das eigentlich immer weniger geworden. Und dann hauen wir das auf einmal so gefühlt am anderen Ende der Welt raus. Bei einem ganz normalen Kick, wo es keiner erwartet hätte. Das fand ich schon sehr cool und das sah ja auch noch echt gut aus. Und wenn irgendwo dieses Bild auftaucht, sagt auch jeder, der dagewesen ist: „Ja, irgendwie war es total cool und total geil.“ Es war auch alles relativ entspannt in Norwegen. Alles lief dort relativ locker ab und da kam jetzt irgendwie nicht die Miliz anmarschiert und hat stundenlang den Block gesperrt. Das war schon ganz lässig die Nummer und sah halt echt cool aus. Am Ende haben wir das Spiel auch gewonnen. Ja, der Support wir jetzt sicherlich auch nicht am Brachialsten, auch wenn er ok war. Aber in der Nachbetrachtung und das hängt vielleicht auch mit der Tour insgesamt zusammen, ist mir dieser Auftritt sehr positiv in Erinnerung geblieben. #37:21
Der Prof:
Ja, das war einer der Highlights. Ich habe mir die DVDs gestern nochmal angeguckt und ich weiß, dass die CFHH zu der Zeit angefangen hat, so kleine Schwenkfähnchen zu produzieren und das erste Mal in Bergen zu präsentieren. Und das sah, zusammen mit der Pyro Show und den 3 großen Schwenkern, damals noch vom SC, richtig gut aus. Dann noch Ultra -Stilmittel von der CFHH damals - das passte alles wunderbar zusammen. #37:58
Niko:
Damals sind natürlich auch schon viele Leute auswärts gefahren. Aber es war überhaupt nicht an der Tagesordnung, dass im Ausland großartig gezündelt wurde. Das war echt ein Novum, dass wir da auf einmal ein Dutzend Fackeln angerissen haben. #38:10
Der Prof:
Das ist es. Es waren eben nicht nur 2 Fackeln, die irgendjemand irgendwo angezündet hatte, … #38:21
Niko:
Das gab es natürlich immer. Aber dass da so organisiert auf einmal abging- das war schon stark. #38:25
Der Prof:
Das war schon stark. Sehr gut. Wie siehst Du das Bastian? #38:28
Bastian:
Ich sag Kopenhagen. Das war der beste Mob, den wir hatten. Das war 2005. Ich glaube 7000 HSV…#38:37
Der Prof.:
.. ja ich hatte 5000 im Kopf, aber wahrscheinlich hast Du recht…#38:40
Bastian:
Die hatten eine richtig geile Hintertor-Tribüne in Kopenhagen. Die war komplett voll. Heute sieht das ja anders aus. Also ich fand, das war zahlenmäßig der größte Auftritt. Wir haben zuhause 1:1 gespielt und das stand dann 90 Minuten lang 0:0. Dann gab es in der 94. Minute einen Elfmeter für uns vorm Gästeblock. Ich kriege jetzt noch eine Gänsehaut, wenn ich mir die ganzen Videos angucke…#39:05
Der Prof.:
…unheimlich stark war das…#39:06
Bastian:
…super geil. Geiler Support von uns. Auch von Kopenhagen Seite war gut. Hatte sich auch nachher noch eine geile Freundschaft daraus entwickelt. Was natürlich den Nebeneffekt hatte, dass man sich dann näher gekommen ist beim Spiel. #39:15
Der Prof:
Die hatten aber auch eine gute Choreo zum Anfang, ne? #39:17
Bastian:
Ja, die war super. #39:19
Der Prof.:
Dieses Stadion, dieser Stadionsong… das war schon ziemlich stark. Und, wie du schon sagst, die HSV-Szene war bestens aufgelegt und es war ja auch nachher super spannend. Und was dann nach dem Spiel los war - wirklich unglaublich. So viel Leute waren zu der Zeit, das war 2005, nicht mal beim Bröndby Derby. Die waren teilweise vielleicht mit 800 Leuten da. Und das war ja der größte Hassgegner und das sind die größten Spiele in Dänemark damals gewesen. Aber die Dänen waren ja auch völlig überrascht, was wir für eine Invasion gestartet haben. Mit so vielen Leuten… und wir die Hütte da ja auch wirklich abgerissen. Das war schon bombenmäßig. Muss man ganz klar sagen. #39:56
Bastian:
Dann würde ich sagen: Zürich Sonderzug. #39:59
Der Prof.:
2008, ja. #40:01
Niko:
Ja, also das war auf jeden Fall ein geiler Mob, der durch die Stadt gezogen ist. Und auch im Stadion- wieviel waren das eigentlich? 3.000? 4000? #40:10
Der Prof.:
Das waren 3100. Das war Valentinstag. Und eine gute Choreo gemacht. Man muss dazu aber auch sagen, der FC Zürich war auch unheimlich stark gewesen. Die haben so eine weltklasse Fanszene. Eine kleine, aber sehr kompakte Fanszene, die so ihr eigenes Ding macht. Ich bin dann auch mal aufgrund der Aufnahmen rübergegangen und habe mir deren Block von der Nähe angeguckt… Aber überlege mal... Europa Pokal Sonderzug… wo gibt`s denn so etwas? Also wie Weltklasse ist das denn? Das ist schon bombenmäßig. Ich weiß gar nicht- wie seid ihr angereist? Ich bin, glaube ich, mit Auto hin und wieder zurück. #40:40
Bastian:
Wir sind mit dem Auto gefahren und sind, glaub ich, irgendwie noch nach Frankreich weitergefahren. #40:43
Niko:
Das war, glaube ich, Bern 2006… nach Zürich bin ich auf jeden Fall mit einem 9 Sitzer. Das weiß ich noch…#40:54
Bastian:
Wir haben ja Europa Pokal immer donnerstags gespielt und sonntags war dann Bundesliga irgendwo auswärts. Das war für uns ganz prächtig, weil man Freitag, Samstag irgendwo noch was hoppen konnte. Ich war auch nie ein Freund von Tagesfliegern oder mit dem Auto hin und wieder nach Hause. Weil ich eigentlich noch immer ein bisschen was von der Stadt sehen wollte. Und man musste halt irgendwie abends noch immer irgendetwas machen. Das gehörte zum Pflichtprogramm. Zürich war, glaube ich, mit dem Auto. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe. Aber Sonderzug, wie du schon sagtest- also da war halt alles da was zur Szene gehörte. Wir haben einen guten Auftritt hinterlassen. Zahlenmäßig hab ich die beiden englischen Vereine noch auf Zettel stehen, Arsenal und und Manchester City. Da waren wir auch immer mit einer großen Masse. Und bei Celtic, in Glasgow waren ganz viele „Alte“ mit –aufgrund der Freundschaft zu den Rangers. Da finde ich, haben wir ein ganz, ganz üblen Mob gehabt. Haben uns auf der Straße auch ziemlich gut präsentiert. Celtic hat ja den Ruf, ganz fanatisch zu sein. Am Anfang war es auch ziemlich gut und dann verpuffte das halt irgendwie. Das war supportmäßig von uns schon einer der besten Auftritte international. Von der Lautstärke her... #42:16
Der Prof.:
Man hatte natürlich das Glück, dass wenn bei Celtic gespielt hat, man immer gewonnen hat. Trotz, dass man vorher eigentlich echt desolate Leistung in der Liga gezeigt hat, hat es zum Glück dann immer irgendwie gegen Celtic gereicht…#42:26
Niko:
Wir hatten halt Markus Berg…#42:28
Der Prof.:
Ja, zum Beispiel. Das war ja 1996 genauso. Das ist halt unser großes Glück gewesen. Und dieses Stadion und natürlich an den Scheiß, den sie beim Einlaufen der Mannschaften singen oder der Moment kurz vor dem Spiel. Und dann bist du da mit dem Mob und gibst richtig Gas und hast die Leute von den Rangers dabei- das ist schon sehr stark. Das war schon eines der großen Highlights. Ich weiß noch, dass bei Celtic die Mannschaft am Ende nicht mit uns die „Uffta“ machen wollte oder durfte vielmehr. Das war ja immer das Ding nach dem Spiel, wenn es erfolgreich war. Dass man sich immer hingesetzt hat und der Capo hat dann immer zur „Uffta“ gestimmt. Die Cops dort waren aber super nervös und wollten die Spieler sofort weg vom Mob haben. Da gab es noch rege Diskussion zwischen den Spielern und den Cops. Und am Ende wurden die dann aber doch zur Kabine zurückgeschickt. Das fand der Mob nicht geil. Da gab es dann zum Schluss ein bisschen Knatsch. Das waren Sachen wo du denkst: „What the fuck. Wie kann das sein? Was sind das für Bullen hier? Warum wollen die nicht, dass mit der Mannschaft zumindest noch kurz der Sieg gefeiert wird?“ #43:36
Bastian:
Es gab ja Stunk mit der Zaunfahne, ne? Die fanden das überhaupt nicht gut, dass die Zaunfahne irgendwo rüber gehangen worden ist. Es gab sogar noch 2 Festnahmen nach dem Spiel. Also in Großbritannien mit den Bullen ist oftmals unentspannt gewesen. Es ist schon eine andere Autorität, die dort genossen wird als es hier der Fall ist. Alles ein bisschen stressig. Andererseits - unsere ältere Fanszene ist sehr britisch geprägt. Für die waren es natürlich die bomben Fahrten. Für uns war Osteuropa immer das Geile. Die Älteren sind gern auf die Insel geflogen. Ja, war für jeden was dabei. #44:14
Der Prof.:
Ja, das stimmt. Ich erinnere mich noch an Valencia, 2005. Das war UEFA- Intertoto-Pokal, hieß es noch. Es war das Finale. Wir haben das Hinspiel 1: 0 im Volkspark gewonnen. Und dann das 0:0 über die Zeit in Valencia gerettet. Und Valencia hat ja auch so ein Weltklasse Stadion. Also wirklich ein Traum, wie viele Stadien in Spanien. 700 HSVer waren da. Und das zum Ende hin, wo man gemerkt hat, jetzt schmeißt man hier Valencia raus… was ja auch damals schon eine Hausnummer war. Und nach wie vor ein großer Verein ist in Spanien. Das war schon ganz schön stark. Da hat der Mob auch richtig Gas gegeben. Da erinnere ich mich auch dran. Das war sehr geil, auch wenn wir eine Blocksperre hatten und ein bisschen länger noch ordentlich Singsang in dem leeren Stadion von uns geben konnten. Das blieb mir auch positiv in Erinnerung. Habt ihr noch? Ich hab noch ein Geheimtipp... Was ist mit Randers? Randers 2009? Das war auch stark. So 4:0 locker flockig gewonnen. Wir hatten einen guten, kompakten Mob und die Ultra-Dinge waren schon sehr ausgefeilt. Auch mit PT und der CFHH zusammen. Über 1000 HSVer waren da. Wir hatten eine Wurfrollen-Choreo als Intro und haben viel gezündet. Da hatten wir einen echt guten Support hingelegt. Gut, Randers ist kein großer Gegner, mit dem man sich messen kann. Aber so vom Bild her ist mir die Tour positiv in Erinnerung geblieben. War eine gute Tour, kurz hin und wieder zurück, viele HSVer… haben eine Top-Action da gemacht. #45:37
Bastian:
Gab ich keine Erinnerung daran, muss ich gestehen. Dann würde ich eher noch sagen- Lüttich. #45:40
Niko:
Ja, Lüttich.. #45:41
Bastian:
Lüttich hat echt eines der geilsten Stadien Europas. #45:44
Niko:
Ist so…#45:44
Bastian:
Super steile Ränge. #45:46
Der Prof.:
Drei denn sogar. #45:47
Bastian:
Super gut. Freunde von Sankt Pauli – da haben wir ja mehrere Vergleiche gehabt. Ich glaube 3 an der Zahl von 27 Freunden…#45:56
Der Prof.:
Mindestens…#45:57
Bastian:
Da war natürlich eine zusätzliche Brise mit drin. Aber das war eine coole Fahrt nach Lüttich. Wenn ich auch sagen muss, dass ich eigentlich kein Freund von diesen Fahrten nach Holland oder Belgien gewesen bin. Weil wenn man bei den Großen hätte antreten müssen - Ajax oder in Rotterdam. Dann hätte man, glaube ich, mit Bussen fahren müssen, die direkt einen vor das Stadion fahren. Ohne dass man irgendwo eine Bewegungsfreiheit gehabt hätte. Weiß ich nicht, ob ich mir so einen Scheiß angetan hätte. Die Vereine, die wir hatten, ich glaube, Anderlecht, Eindhoven und Nimwegen noch dazu- dahin konnten wir mit dem Auto fahren. Das war relativ entspannt. #46:33
Der Prof.:
Man konnte dann auch immer ins Outlet nach Roermond. Das war damals für uns immer wichtig. Ich bin bei jeder Tour, gefühlt alle 2 Wochen, dorthin. Irgendwann war es halt langweilig. Aber es lag halt immer aufm Weg. Man hat ja wirklich Lüttich, Eindhoven, Neimegen- das war ja gefühlt alle 2 Wochen hintereinander jeweils. #46:56
Niko:
Da ist auch irgendwann die Übersättigung eingetreten irgendwann. Deshalb war das Lüttich-Spiel auch ganz cool. Diese Benelux- Vereine waren ein ganz anderer Schnack. Das war eher so ein bisschen italienisch anmutend. #47:10
Der Prof.:
Lüttich ist ja auch ein guter Verein. #47:11
Niko:
Das Spiel hat gepasst. Es gab viel Pyro. Damals war es in der Fanszene noch nicht so gewöhnlich. Dann gab es ein wenig Knatsch, weil immer und immer wieder irgendwelche Blinker gezündet wurden. #47:22
Der Prof.:
Das war schon ein starker Auftritt. Muss man sagen... War echt gut. #47:25
Bastian:
Aber ansonsten kann man Benelux auch gut mit der Bundesliga vergleichen. Das ödet dich halt an. Hab ich neulich so drüber nachgedacht. Wir sind ja die „Goldene Generation“, die die geilen Europacup- Jahre sehen durften. Haben wir ja vorhin schon gesagt. Heute kotzt du ja schon ab, wenn Du 3mal nach Wolfsburg musst. #47:41
Der Prof.:
Zurecht…#47:43
Bastian:
Völlig berechtigt- ja klar. Übrigens auch so eine Geschichte-fällt mir gerade ein. Wolfsburg hätte uns auch mal international begegnen können. Die sind allerdings aber zu blöd gewesen und in Thun rausgeflogen. Was uns auch einen geilen Schwimmbadbesuch in Thun beschert hat. #47:54
Der Prof.:
2006, ne? Oder 2004? #47:56
Bastian:
Nee, 2004. Wir haben zweimal in Thun gespielt. #47:59
Der Prof.:
Ja, wir haben einmal in Thun und einmal in Bern gespielt. 2004 nach Thun war so einer der ersten Europapokal Touren für mich. Und das war ja vom Prinzip, also eineinhalb Stunden länger als Freiburg. Also es war jetzt auch keine Weltreise. Aber auch da konnte man sich halt benehmen, wie du wolltest. #48:14
Niko:
Da stellt sich doch auch die Frage, warum Thun damals immer europäisch gespielt hat? #48:17
Der Prof.:
Die waren ja mal ganz gut…#48:19
Bastian:
Und in Bern war Porno Messe.. Da durfte sich der ein oder andere HSVer auch mal als Porno Darsteller ausprobieren. (lacht) #48:30
Niko:
(lacht) Das war eine großartige Alternative für die Leute, die halt kein Geld mehr in der Tasche hatte, nachdem, wie wir schon angesprochen hatten, den ganzen Tag im Irish Pub gezecht wurde… Blick aus dem Hotelfenster - im Hinterhof war da so ein riesen Erotikmessenzelt. Da war das Abendprogramm auf jeden Fall schon mal ins Auge gefasst. #48:48
Bastian:
War das nicht genau gegenüber? #48:49
Niko:
Ja, ja genau. Da war unser Hotel. Auf der einen Seite das Stadion auf der anderen Seite die Erotikmesse. Das war für einige HSVer das Paradies. #48:59
Der Prof.:
Ja, wir lassen jetzt einige Namen weg. Aber ich sehe auch noch ein paar Bilder vor mir…#49:04
Niko:
Da wurde versucht mit allen Mitteln reinzukommen. Mit irgendwelchen Ausweisen… Das war stark auf jeden Fall. #49:12
(alle lachen)
Das war ein Zelt. Und eine Gruppe, das weiß ich noch, hat den Zeltzipfel hochgehoben und hat sich da wie im Comicfilm reingeschlichen... #49:22
Bastian:
(lacht) HSVer eben…#49:23
Niko:
Das war schon richtig stark. Da drinnen wurde sich dann hauptsächlich gelangweilt. Also auch typischer HSVer. (lacht) Aber war schon stark insgesamt. #49:32
André:
Wo ihr gerade die verschiedenen Reiseorte angesprochen habt. Was würdet ihr sagen, was war so die außergewöhnlichste An- und Abreise? Vor allem, vor dem Hintergrund, alle noch ein bisschen jünger, nicht richtig Kohle dabei…Was fällt euch dazu ein? #49:47
Bastian:
Leverkusen… (lacht) #49:48
Der Prof.:
Das war Europapokal pur. Wir haben ja auch Englisch mit den Leuten gesprochen und nach der Arena gefragt auf Englisch. Weil wenn du Europapokalspiel spielst und musst dann nach Leverkusen…dann machst du natürlich trotzdem Europa Pokal daraus und fragst an der Tankstelle auf dem feinsten Englisch, wo es denn jetzt eigentlich zum Stadion geht. Und du sahnst dann auch noch Freundschaftsschals ab und machst das Beste daraus. Vom Ergebnis war es nachher nicht so cool, aber, das war ja, glaube ich, im Vorfeld heraus abzusehen, dass du halt gegen Leverkusen rausfliegst. Das sind dann die Momente - die bittere Pille musst du halt auch schlucken. Sowohl, dass es eine langweilige Tour war, als auch dass man so gut wie rausgeflogen ist. Zwischen all den schönen Perlen muss dann auch mal Leverkusen geben. Ist einfach so. #50:31
Bastian:
Also zum Budget. Wir hatten uns damals immer 9er angemietet von der Firma „PS-Cars“, glaube ich, hießen die. #50:39
Der Prof.:
Ja, in Eidelstedt…#50:42
Bastian:
In Eidelstedt. Und die haben sehr günstig 9er rausgehauen. Und das war die einzige Autovermietung deutschlandweit, mit der du auch die EU-Grenze verlassen durftest. Heute ist es so, dass wenn du nach Serbien fahren willst, dann darfst du nur bis Ungarn mit einem deutschen Wagen fahren. Danach ist finito. Und damit durften wir überall hinfahren. Aber wenn man mit 9 Leuten das Auto vollgemacht hat und dann international in Osteuropa gespielt hat – da hat ein Hotel 15€ die Nacht gekostet. Ja- ich habe keine hundert Euro ausgegeben, wenn ich damals mal 3 Tage unterwegs gewesen bin. #51:49
Der Prof.:
Mich wundert, dass „PS-Cars“ nach jeder Tour- die Dinger kamen ja immer wirklich mehr als schrottreif zurück und von oben an vollgesifft- dass die das Ding nach einer Woche so anstandslos und wieder rausgegeben haben, um dieselbe Tour nochmal in irgendeine andere Richtung abzuknallen. Um das Auto dann noch kaputter als vorher abzugeben. Das ist ja auch eine Wertschätzung... ich weiß gar nicht. Also heutzutage wäre das glaube ich nicht mehr möglich. #52:10
Niko:
Das war wahrscheinlich deren Geschäftsmodell. Wahrscheinlich sind die 2010 pleite gegangen, als wir nicht mehr europäisch dabei waren. #52:13
Bastian:
Das wird`s gewesen sein…#52:14
Niko:
Muss man mal recherchieren. #52:15
Bastian:
Das ist genau der Grund. #52:16
(alle lachen)
Niko:
Ich glaube deine ursprüngliche Frage war, was so die heftigsten Rückreisen waren. Oder die günstigsten? #52:25
Der Prof.:
Nee, die günstigsten Ankunftspreise, oder? #52:26
Lukas:
Ich würde gar nicht so auf das Preisliche eingehen. Sondern einfach welche die verrücktesten Fahrten waren. #52:33
Niko:
Also die verrückteste Fahrt, fand ich auf jeden Fall war diese Rückfahrt aus Moldawien. Weil, wir wollten eigentlich ein paar Tage in Odessa verbringen, das da ja auch in der Ecke liegt. #52:45
Bastian:
Liegt ja alles da in der Ecke…#52:45
Niko:
Ja, ja. Ein Blick auf die Karte- und für uns war ganz klar, dass das alles ganz einfach zu machen sein muss. Ja, und da mussten wir mal wieder durch dieses merkwürdige Land Transnistrien. Einen Tag vorher waren wir übrigens schon mal da. Wir sind dann einfach in Chişinău, so wie wir es oft gemacht haben, in einen Minibus gestiegenen und hatten da schon die Grenze übertreten und haben in Chişinău ein Spiel geguckt. Dynamo Bender gegen? #53:19
Bastian:
…wenn ich das noch wüßte…#53:20
Niko:
Ich kann mich ehrlich gesagt nur noch 2 Dinge erinnern…#53:23
Bastian:
Das Manni Bender Trainer war? (lacht) #53:26
Niko:
Schön wäre es gewesen. (lacht) Dort im Stadion war in die Tribüne ein Supermarkt eingebaut. Wir wollten dort eigentlich Mehl kaufen, weil wir es eigentlich lustig fanden uns mit Mehl zu bewerfen, vor den Augen der Transnistrier. Aber wir durften kein Mehl kaufen. Ich kann es mir bis heute nicht erklären. Und es gab einen guten Dorfmob. Und mitten in der 1. Halbzeit kamen 2 halbstarke 16-jährige Dorfjugendliche mit ihren Perlen im Schlepptau und haben ein selbstgemaltes Bettlaken aufgehängt und „ACAB“ skandiert. Mutig von den Jungs muss man sagen, in einem Polizeistaat…Und das war eben dieser Mob von Dynamo Bender – ganz stark. Und dann sind wir, eigentlich relativ normal, in diesem 9 Sitzer wieder zurück nach Chişinău. Und am nächsten Tag wollten wir dann wieder durch Transnistrien durch, nach Odessa. Und dann ging es da wirklich los. Die Grenzer kannten keinen Spaß. Bisher war das an der Grenze relativ lustig. Man stellt sich heute einen Typen mit Laptop vor, der durch den Scanner die Ausweise zieht. Das lief damals noch alles anders. Der Grenzer hatte so ein uraltes Buch rausgeholt, wo er fein sorgfältig alle eingetragen hatte. Das hatte stundenlang gedauert, bis er alle in sein altes Buch eingetragen hatte. Damals wurden wir dann aber raus gewunken und zum Oberboss der Grenzstation geführt. Der hat uns dann quasi in so einer Art Verhörkammer eingesperrt. Natürlich alle einzeln. Dann wurden all unsere Sachen durchwühlt und nach einer Stunde Psychoterror hat er uns dann zu verstehen gegeben, dass wir doch endlich mal Geld „rüberwachsen“ lassen sollen. Oder wir haben ihm das sogar zu verstehen gegeben, dass wir dazu bereit wären, um diese Situation aufzulösen (lacht). Wir hatten uns natürlich schon ein paar Dollar in die Socken gesteckt für solche Situationen. Tatsächlich konnten wir uns dann für umgerechnet 70 € wieder freikaufen. Und durften die Reise durch dieses Land fortsetzen. Als wir dann die ukrainische Grenze passiert haben wurden wir auch nicht gerade hofiert. Aber als der Grenzer dort nur 10€ von uns wollte, haben wir ihn richtig abgefeiert und waren richtig erleichtert…#55:52
Bastian:
..faire Preise, muss man sagen. #55:54
Niko:
Genau. Das haben wir dann auch gerne entrichtet. Haben dann auch einen Stempel bekommen und gut. Wie aus einer anderen Welt alles… Auf einmal sind wir in irgendwelchen Zellen gelandet, haben Bestechungsgelder gezahlt wie im schlechten Film. Ist alles gut gelaufen, muss man sagen. Das war wirklich eine besondere Rückreise…#56:26
Folge 12: Jeder Mensch zählt! Sonderfolge zum Holocaust-Gedenktag
In der Sonderfolge der HSV-Matrix zum Erinnerungstag im deutschen Fußball liegt der Fokus des diesjährigen Gedenkens auf all den Opfern, die aufgrund ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden.
Beginnend mit einer historischen Einordnung der Eugenik-Bewegung, die als Euthanasie ihren tragischen Höhepunkt in der NS-Zeit fand, wird ein thematischer Brückenschlag in die Gegenwart vollzogen. Die Inklusionsbeauftrage des HSV Fanny Boyn erzählt, auf welchen Wegen Menschen mit Behinderungen am HSV-Leben teilhaben und welche Maßnahmen der Verein ergreift, um die Hürden dafür so gering wie möglich zu halten.
Wir hoffen, dass wir mit dieser Folge zum Ausdruck bringen, wie wertvoll Diversität für den HSV ist. Raute ist Vielfalt, denn jedes Leben zählt.
Andrè: (01:29)
Nach dem Versuch herauszustellen, was für uns das Präzedenzlose an der Schoa ausmacht und die daraus resultierende Verantwortung, das Bewusstsein für die Bedeutung der Erinnerungskultur zu stärken, möchten wir euch nun unsere heutigen Gäste vorstellen.
In diesem Jahr, soll besonders an die Menschen erinnert werden, die aufgrund ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden.
Das von der Initiative „!Nie wieder“ gewählte Thema, der diesjährigen Kampagne lautet; „Jeder Mensch zählt, egal auf welchem Platz“.
Und hiermit übergebe ich erstmal an meinen Freund und Kupferstecher, Lukas, der euch jetzt unsere Gäste vorstellen wird.
Lukas: (02:19)
Auch von mir ein herzliches Willkommen zu dieser neuen Folge der HSV-Matrix.
Carola, kannst du dich bitte einmal vorstellen. Wir würden trotz des ernsten Themas heute nicht von unserem Plan abweichen wollen und deswegen stelle ich auch die Frage, ob du überhaupt einen Bezug zum HSV hast und wenn ja, wie dieser aussieht. Aber erzähl doch erstmal, wer du bist und warum du heute hier bist.
Carola: (02:53)
Ja, ich hoffe, ich bin ganz gut zu hören. Danke für die Einladung, danke das ich heute bei euch sein darf.
Ja, ich habe einen Bezug zum HSV, der tatsächlich seit meiner Kindheit schon da ist. Ich bin nämlich gebürtige Hamburgerin und als Hamburgerin bin ich natürlich auch Patriotin. Da mein Vater tatsächlich über 40 Jahre aktiv Fußball gespielt hat und jedes Wochenende auf dem Platz war und kein Spiel der Hamburger Fußballvereine verpasst hat, bin ich natürlich als Tochter eines passionierten Fußballspielers und Fan auch mit dem HSV schon immer ein bisschen verbunden gewesen. Wenngleich ich zugeben muss, selber persönlich erst 2 Spiele live gesehen zu haben. Aber immerhin - ich habe 2 Spiele live mitverfolgt und war in der Kurve und habe mitgegröhlt.
Andrè: (03:49)
Kannst du dich noch erinnern welche Spiele das waren?
Carola: (03:49)
Das ist tatsächlich schon ein bisschen her. Mich hat es nach Lüneburg geweht. Dort bin ich sesshaft geworden, da arbeite ich auch seit 2012 für die Euthanasie-Gedenkstätte als Leitung, als Wissenschaftlerin, aber auch als Vermittlerin. Und ich habe es tatsächlich auch aus familiären Gründen nicht mehr zu irgendwelchen Turnieren geschafft, also weder Fußball noch Handball noch irgendwas. Das ist also alles schon ein bisschen her.
Lukas: (04:22)
Sehr schön. Du hast gerade schon so ein bisschen zu deinem beruflichen Feld gesagt, kannst du da noch ein bisschen mehr zu erzählen?
Carola:
Ja, das kann ich gerne machen. Ich bin Kulturwissenschaftlerin und hab in Lüneburg angewandte Naturwissenschaften studiert. Nach dem Studium habe ich ziemlich schnell in der Gedenkstättenarbeit Fuß gefasst. Das heißt, nach meiner Doktorarbeit habe ich in der Gedenkstätte Bergen-Belsen gearbeitet und habe dort den Bereich Bildung und Begegnung betreut. Danach bin ich dann 2012 nach Lüneburg gewechselt, zu einer sehr kleinen Gedenkstätte, einer Euthanasie-Gedenkstätte. Diese befindet sich auf dem Gelände der heutigen psychiatrischen Klinik Lüneburg. In der Nazizeit war das die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg. Seitdem beschäftige ich mich wissenschaftlich, aber auch pädagogisch ganz intensiv mit dem Thema, Menschen mit Behinderungen, Menschen mit psychischen Erkrankungen und, weil ich in einer Psychiatrie arbeite, eben auch mit einem unmittelbaren Gegenwartsbezug. Das heißt, alles was mit Menschenrechten für Menschen mit Behinderungen zu tun hat, mit Inklusion, und sicherlich auch mit ein paar Themen, die wir gleich noch gemeinsam anpacken werden und worüber wir uns hier austauschen. Ich habe tatsächlich tagtäglich damit zutun, und wir machen selber auch Gedenkstättenarbeit inklusiv. Wir haben sehr viele Angebote die barrierearm bzw. sogar barrierefrei sind.
Lukas: (05:53)
Ja, vielen Dank für die Vorstellung.
Freddie magst du weiter machen, wer bist du und wie sieht deine HSV-Biografie aus?
Frederik „Freddy“ Spindler: (05:54)
Ja, „Moin“ auch von meiner Seite, Freddie mein Name. Ich wohne in Frankfurt am Main. Und verfolge von hieraus leidenschaftlich den HSV, wobei man ja ehrlicherweise sagen muss, dass es in den letzten Jahren eher Leiden war als es eben Freude. Aber wie gesagt, das hält mich nicht davon ab auch hier in Frankfurt die Fahne entsprechend hochzuhalten. Natürlich, aufgrund der Entfernung schaffe ich es nicht so häufig zu den Heimspielen, wie ich es gerne möchte. Ich bin eher auswärts dabei, versuche aber auch so 2-3 mal in der Saison in den Volkspark zu kommen.
Ja, wie bin ich zum HSV gekommen…
Tatsächlich über Umwege. Aufgewachsen bin ich ganz im Süden von Deutschland. Eigentlich quasi an der Schweizer Grenze. Die nächstgelegenen Bundesliga-Städte sind Freiburg oder Stuttgart. Da wäre es natürlich naheliegender gewesen hier Fan von diesen Vereinen zu werden. Das war allerdings nicht der Fall. Ich muss gestehen, dass ich tatsächlich, als ich 1992 mit dem Fußball in Berührung gekommen bin, Bayernfan war. Das lag einfach daran, dass mein bester Kumpel mir damals aus einem Urlaub in München, ein Bruno Labbadia Trikot mitbrachte. Und da ich den Spieler so toll fand, war ich dann 2-3 Jahre FC Bayern Fan. Diesen Irrweg habe ich dann allerdings auch für mich beendet. Ich muss allerdings auch gestehen, ich würde mich jetzt nicht als Fan so bezeichnen, natürlich hatte ich diverse Sympathien. Freiburg hat mal eine tolle Saison gespielt, man guckte auf Dortmund etc. Aber so richtig gepackt hat es mich dann 2004. Meine Eltern kommen gebürtig aus Hamburg und da ich jeden Sommer meinen Urlaub dort verbracht habe, sind dann mein Bruder und ich irgendwann mal losgezogen. 2004 im August war es. Wir haben uns ein Spiel im Volksparkstadion angeguckt, und zwar gegen den 1. FC Nürnberg. Das war ein sehr, sehr torreiches Spiel. Wo Benny Laut, glaube ich, dann den Siegtreffer zum 4 zu 3 gemacht hat. Mich hat so diese Stimmung im neuen Volkspark so beeindruckt, dass es da um mich geschehen war. Ein Jahr später bin ich auch Mitglied geworden. Ich kann aber auch sagen, dass ich, Gott sei Dank, die guten Zeiten beim HSV ebenso miterlebt habe. Ich konnte dann auch ein UEFA-Cup Spiel in der Schweiz gegen den FC Thun in Bern miterleben. Also von daher, seitdem verfolge ich den HSV sehr, sehr intensiv. Sehr leidenschaftlich und habe über den HSV tolle Freundschaften geschlossen. Bin auch offizielles Mitglied in einem Fanclub geworden. Alles sehr, sehr positive Erinnerungen.
Lukas: (09:19)
Cool, vielen Dank für die Vorstellung.
Fanny, magst du dich einmal vorstellen? Als geschätzte Kollegin werden dich hier viele Hörerinnen und Hörer bereits kennen. Nichtsdestotrotz möchte ich dir hier nicht die Bühne verwehren, dich einmal ausführlich vorzustellen.
Fanny Boyn: (09:20)
Danke dir.
Andrè: (09:57)
Fanny, auch gerne so ausführlich, wie letztens im „InTeam“, wo du auch so erzählt hast, wie du so zum HSV gekommen bist. Bitte, jetzt hast du nochmal die Bühne.
Fanny: (09:58)
Vielen Dank in die Runde. Vielen Dank für die Einladung an meine geschätzten Kollegen.
Ja, ich bin Fanny. Ich bin Fanbeauftragte mit Schwerpunkt Inklusion, seit 2015 dabei, damals noch auf Minijobbasis angefangen, jetzt auf 30 Stunden.
Ich bin gelernte Krankenschwester, habe danach Pflege und Management studiert.
Das Fußballinteresse fing schon recht früh an, in Kindertagen. Meine beiden großen Brüder sind Fußballer und haben mich schon früh mit zum Platz genommen. Ich bin dort praktisch am Spielfeld groß geworden und so entstand eben das Interesse, die Leidenschaft schon früh. Mit dem Umzug, hier nach Hamburg, ich komme eigentlich aus Usedom, war es natürlich der erste Wunsch, mal ein Fußballspiel live zu sehen. Dann führte der erste Weg ins Volksparkstadion, da hat es mich dann schon ganz schnell gepackt. Mein Mann und ich hatten kurze Zeit danach eine Dauerkarte, hier im Volksparkstadion. Und von daher war das 2015 ein sehr großer Glücksgriff, beides eben miteinander zu verbinden. Also zum einen die Fußballleidenschaft und zum anderen das was ich gelernt und studiert habe. Ich hoffe das war ausführlich genug. (lacht)
Andrè:
Ja, wir sind auch ganz stolz auf dich, obwohl du ganz klar in der Hansa-Zone, sag ich mal, sozialisiert wurdest, trotzdem den Weg zu uns gefunden hast.
Fanny:
Ja, finde ich auch.
Lukas: (11:34)
So, da jetzt alle Gesichter, hätte ich beinahe gesagt, das können unsere Hörerinnen und Hörer ja auch nur auf einem kleinen Foto sehen, bekannt sind, würde ich jetzt gerne in den wirklich inhaltlichen Teil übergehen.
Ich würde dich, Carola, einmal bitten, eine historische Einordnung zum Thema „Euthanasie“ zu geben. Also, wo liegen die Ursprünge, der Gedanken dazu?
Wie hat sich das auch chronologisch entwickelt? Gerne dann auch den Zeitstrahl, möglichst fortführend bis hin zur Gegenwart, wenn das für dich in Ordnung ist.
Carola: (11:36)
Ich versuche das so komprimiert zu machen, wie es irgendwie geht. Es ist natürlich eine super komplexe Geschichte, die man nicht mal eben in 2 Minuten runterreißt. Aber man kann doch schon eine große Linie machen.
Andrè: (11:37)
Lass dir da auch ruhig Zeit, wir haben keinen Stress.
Carola: (12:38)
Okay, also die große Linie beginnt tatsächlich im 19. Jahrhundert. Da machen sich die Ersten im Zusammenhang mit der Industrialisierung, die gerade in großer Blüte ist, Gedanken darüber, wie kann man eigentlich Leistungsbereitschaft steigern. Und alles, was wir im Bereich der Turn- und Sportbewegung haben, alles im Bereich Vereinsgründungen, das sind ja oft auch Gründungen des späten 19. Jahrhunderts, geht auch in diese Richtung. Der Körper gewinnt an Bedeutung. Gesundheit und Fitness bekommen Bedeutung und wir haben es eigentlich so, um die Jahrhundertwende mit so einer richtigen Wellness-Bewegung zu tun. Gleichzeitig entsteht die Psychologie, als neue Wissenschaft. Siegmund Freud, sagt sicher vielen etwas, gründet im Grunde genommen einen neuen medizinischen Bereich.
Auch die Gesundheitsversorgung, das Thema Gesundheit, Ernährung, Körper, Fitness aber auch seelische Gesundheit bekommen im Zusammenhang oder als Begleiterscheinung von Industrialisierung und moderner Leistungsgesellschaft richtig Bedeutung. Das ist eine Linie, die sich bis heute, im Grunde genommen fortsetzt. Die Idee, dass Gesundheit oder ein gesunder Körper, ein makelloser Körper, ein Körper ohne Defizite, angeblich, leistungsbereiter und damit automatisch die Konnotation, die Bewertung bekommt, mehr Wert zu sein als Menschenkörper, menschliches Dasein mit Handicap. Diejenigen, die sich darüber Gedanken machen, wie man den Körper optimieren, wie man Gesundheit steigern kann, wie man Erkrankung und Behinderung überwinden kann, sind interessanterweise nicht die Deutschen, sondern es sind die Amerikaner bzw. die Anglikaner. Also aus Grossbritannien, entsteht die Welle der Eugenik. Das ist eine richtige Bewegung, die Eugenik-Bewegung. Charles Darwin, Francis Galton, das sind Namen, die dem Einen oder Anderen vielleicht schon mal durch den eigenen Biologieunterricht bekannt geworden sind. Sie machen sich tatsächlich als erstes Gedanken darüber, wie man eigentlich Gesundheit optimieren und Behinderung überwinden kann. Diese Eugenik-Bewegung schwappt in die USA, bekam dort so richtig Auftrieb, weil man in Amerika ernsthaft denkt, man könnte mit Eugenik das sogenannte Rassenproblem lösen. Man versucht dann ziemlich schnell, über die Eugenik, also sprich über die Fortpflanzungspolitik, über Familienpolitik, Einfluss zu nehmen auf Separation. Auf die Situation, dass Menschen weißer und schwarzer Hautfarbe sich eben nicht vermischen sollen. Und man gründet ein Institut, das erste Eugenik-Institut. Es entsteht nicht in Berlin, wie viele denken, oder in München, sondern es entsteht tatsächlich in New York, in Cold Spring Harbor, heute ein Stadtteil von New York. Dort betreibt man dann das erste Mal so etwas wie Rassenkunde und Rassenhygiene. Das läuft erstmal sehr theoretisch ab, aber ziemlich schnell wird daraus Praxis. Es entstehen die ersten Sterilisationsgesetze. Das sind Gesetze, die Menschen verbieten, Kinder in die Welt zu bringen und Eltern zu werden. Diese ersten Sterilisationsgesetze werden nicht in der Mitte Europas erlassen, sondern in den USA. Bis 1939 sind schon viele Länder auf diesen Zug aufgesessen und haben Gesetze erhoben, die eben bestimmen, wer Kinder kriegen darf und wer nicht. Wer darf sterilisiert werden und wer nicht..
Und dann kamen die Deutschen, bzw. die Nazis 1933 an die Macht und hinken im Grunde genommen hinterher. Eines der ersten Gesetze, welches die Nazis verabschieden, ist das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses. Das ist ein ziemlich komplizierter Titel, aber definiert ganz konkret, welche Deutschen grundsätzlich Kinder haben dürfen und welche nicht. Diejenigen, denen per Gerichtsbeschluss das Kinderkriegen verboten wird, werden zwangsoperiert, also zwangssterilisiert.
Und jetzt kommt im Grunde genommen die besondere Tücke des Ganzen. Und das setzt dieser ganzen Eugenik-Bewegung die Spitze auf. Und zwar haben die Deutschen diese Zwangssterilisation ziemlich radikal umgesetzt. Also im Unterschied z. B. zu den USA wurden zwischen 1933 und 1945, also innerhalb von nur 12 Jahren, ungefähr 400.000 Menschen gegen ihren Willen operiert. Im Vergleich zur USA, wo es auch Gesetze gab, sind in einem viel längerem Zeitraum, nämlich zwischen 1927 und 1965 etwa 63.000 Menschen gegen ihren Willen operiert worden. Das bedeutet, die Deutschen haben diese Sterilisation sehr viel radikaler umgesetzt. Diese Sterilisation ist so eine Art prophylaktische Maßnahme. Man versuchte, Leben mit Behinderung durch Operationen zu verhindern. Das reichte dann 1939 nicht und man ging noch einen Schritt weiter. Welches auch mit dem Ausbruch des Krieges begründet wurde. Menschen mit Behinderung, Menschen mit seelischen Erkrankungen sollten im Grunde genommen nicht mehr kriegswichtige Kapazitäten binden. Finanzieller Art, aber auch im Bereich der Gesundheitsversorgung, sprich in Kliniken, Krankenhäusern aber auch was Ärzte und Pflegepersonal anbelangt. Und es wird entschieden, dass man den nächsten Schritt geht. Man tötet nicht nur ungeborenes Leben, bzw. verhindert es durch Sterilisation, sondern man tötet eben dann auch Menschen. Die ersten Menschen mit einer Behinderung, die der Euthanasie, das ist der griechische Begriff für das Wort „Patientenmord“, zum Opfer fallen sind die schwächsten Mitglieder dieser Gesellschaft. Das sind Kinder mit Behinderungen, die im August 1939, also 2 Wochen vor Kriegsausbruch, gemeldet werden müssen und dann in sogenannten Kinderfachabteilungen konzentriert und ermordet werden. Nach der Meldepflicht für die Kinder, führt man ganz schnell auch die Meldepflicht für Erwachsene ein. Man stellt Verlegungslisten zusammen und die Erwachsenen, die für die Verlegung in Frage kommen, werden dann in die sogenannte Aktion T4 einbezogen. Das ist die Verlegung von erwachsenen Patienten, von ihrer Herkunftsanstalt in eine sogenannte Tötungsanstalt. Sie werden dort mit Kohlenmonoxid in Gaskammern ermordet.
Das passiert zwischen Januar 1940 und August 1941.
Diese Aktion T4, endet im August 1941 offiziell, geht aber inoffiziell weiter. Man schließt einzelne Tötungsanstalten und macht dann in den Anstalten selber weiter, in dem man Patienten ermordet mit Medikamenten oder durch Verhungerung. Das zieht sich bis weit nach Kriegsende. In Lüneburg, kann ich sagen, haben wir noch Hungersterben bis in den Sommer 1946.
Was vielleicht auch noch von Bedeutung ist und das hängt auch mit dem Holokaust-Gedenktag am 27. Januar zusammen. Es gibt auch eine weitere enge Verbindungslinie zwischen den Euthanasiemorden und der Tötung mit Gas in den Tötungslagern. Im August 1941, als man die T4 Aktion stoppt, weiß man nicht wohin mit dem Personal.
Das Personal ist in das industrielle Ermorden von Menschen mit Kohlenmonoxid eingearbeitet. Da man das nicht mehr auf dem Gebiet des deutschen Reiches weiter in dem Ausmaß betreiben will, man aber diese 120 Männer de facto eingestellt hat und nicht weiß wohin mit denen, werden sie tatsächlich nach Polen geschickt. Oder in das besetzte Gebiet in Polen. Dort werden 3 weitere Vernichtungslager Treblinka, Sobibor und Belzec betrieben. Das heißt also, Täter der Aktion T4, Euthanasie-Personal arbeiten dann später direkt im Holokaust weiter. Das was an Psychiatrie-Patienten oder an Menschen mit Behinderung erprobt und ausprobiert wurde, wird dann im großen Stil, an Menschen jüdischen Glaubens, an Homosexuellen, an Sinti und Roma und dann in einer viel größeren Dimension weiter fortgeführt. Ja, und wie schon erwähnt, so eine große Kontinuität gab es nicht. Im Grunde genommen etwas, was auch mit dem 27. Januar zusammenhängt, dem Datum der Befreiung Ausschwitzs, das hast du ja gerade schon nochmal in Erinnerung gerufen. Diese Befreiung gab es eben für Menschen mit Behinderung de facto nicht. Lager wurden befreit. Aber Anstalten wurden nicht befreit, Heime wurden nicht befreit, also Menschen mit Behinderung wurden nicht befreit.
Also die, die das Töten in den Anstalten und Heimen überlebt haben, sind in der Regel Patient geblieben, die Ärzte sind Ärzte geblieben, die Pflegekräfte sind Pflegekräfte geblieben. Und die Entrechtung von Menschen in diesen Institutionen, auf den Stationen ist noch Jahrzehnte weiter passiert. Man hat noch bis in den Sommer 1946 hinein kaum etwas zur Verbesserung der Versorgungslage gemacht. Viele sind noch an Mangelversorgung gestorben. 1946, 1947 hörte es dann langsam auf mit dem Sterben. Aber das Entrechten, also die Entmündigung, die Verwahrlosung, die menschenunwürdige Behandlung, das zog sich weiter fort. Und die wird das erste Mal kritisch in den 1970iger Jahren angeguckt. Zu der Zeit gab es eine Enquete-Kommission vom deutschen Bundestag, die sich die Psychiatrien auf dem deutschen, westdeutschen Gebiet anschauten. Sie waren geschockt und führten das erste Mal Reformen in diesen Psychiatrien ein.
Wir werden ja heute auch noch ein bisschen über Inklusion sprechen, also meine steile These, mit der ich auch hier in diesen Podcast gehe, ist, dass ich sage, diese Zäsur zwischen 1933 und 1945, also diese NS Zeit, hat eine ganz starke Auswirkung auf die Zeit bis heute. Sprich, dass gerade wir Deutschen in vielen Lebensbereichen noch nicht selbstverständlich inklusiv leben und dass wir überhaupt noch sehr viel über Inklusion diskutieren müssen. Dass es überhaupt nicht selbstverständlich ist, in unserem Land, Teilhabe in allen Lebensbereichen zu erfahren, hängt auch sehr stark damit zusammen, dass zwischen 1933 und 1945 im Unterschied zu vielen anderen Kulturen und Ländern, eine maximale Ausgrenzung, eine maximale Exklusion, nämlich der Mord an Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen stattgefunden hat. Das ist so mein grober Überblick bis heute.
Lukas: (24:42)
Vielen Dank, Carola. Also auch wenn einem das Thema nicht gänzlich neu ist und wenn man das nochmal auch in der komprimierten Form zusammengefasst hört, dann hat man doch wieder direkt so einen Kloss im Hals. So geht es mir zumindest. Nichtsdestotrotz möchte ich deine letzten Worte einmal aufgreifen, um den Brückenschlag in das Hier und Jetzt zu bauen.
Wo stehen wir eigentlich heute, wenn es um die Teilhabe von Menschen mit Behinderung geht, in der heutigen Gesellschaft und natürlich auch beim HSV?
Wir haben ja beim HSV ein Inklusionskonzept und dafür ist in erster Linie Fanny verantwortlich und auch wenn das jetzt vielleicht ein schwieriger Übergang ist, würde ich dich einmal bitten zu erzählen, wie bei uns der Inklusionsgedanke ausschaut, auch in Gänze, ohne dabei jetzt das zu relativieren was wir davor gerade gehört haben.
Fanny: (25:54)
Ja genau, Carola hatte ja gerade am Ende das richtige Stichwort schon genannt.
Inklusion ist in Deutschland immer noch sehr auf den Behinderungsbegriff reduziert, das ist international gar nicht so. Diese Ganzheitlichkeit wird in Deutschland einfach mit der Zeit auch viel gängiger. Wir wollen den Zugang für alle schaffen, das heißt, unabhängig davon, ob jemand eine Behinderung hat, wie sein Einkommen ist, wie seine Herkunft ist, sein Glaube, sein Alter. Weil diese Ganzheitlichkeit für uns einfach wichtig ist, weil das Thema Behinderung somit aus der Isolation geholt wird. Niemand ist einfach nur behindert, Mann oder Frau. Es gibt einfach diese Mehrfachidentitäten und die Folge sind dann eben leider auch Mehrfachausschlüsse. Unsere Idee, oder unser Inklusionsgedanke ist, uns zu fragen: Wo produzieren wir diese Ausschlüsse und Ausgrenzung? Wir wollen weg von dieser Förderperspektive, nur zu sagen: „Schön, dass ihr da seid! Ihr dürft mitmachen, oder ihr seid Teil unser Mehrheitsgesellschaft!“ Wir wollen uns als HSV so verändern, alle Zugangsbedarfe abzuholen und die Barrieren eben abzubauen. Das ist erstmal ein kurzer Abriss und Darstellung unserer Inklusionsidee.
Lukas: (27:18)
Vielen Dank dafür schon mal. Magst du vielleicht auch direkt ein, zwei konkrete Projekte nennen, wie wir diesen Inklusionsgedanken in die Tat umsetzen?
Fanny: (27:19)
Ja, es hat alles 2015 mit einem Fandialog angefangen. Dieser steht heute immer noch an erster Stelle, weil du keine Projekte schaffen kannst, wenn vorher nicht ein Fandialog, ein Austausch stattgefunden hat. Unsere Fans mit Behinderung sind ja die Experten, und die bringen ihre Expertise in all unsere Projekte mit hinein. Wie gesagt, es ist ganz, ganz wichtig in diesem ganzen Prozess, und somit war der Aufbau des Fandialogs der Anfang.
Und dann fällt natürlich in allem was wir machen das Stichwort Barrierefreiheit.
Man verbindet das Wort als erstes immer mit baulichen Veränderungen. Das haben wir natürlich auch gemacht, beispielsweise einen Windschutz auf den Rollstuhlrampen gebaut. Wer nicht weiß, wo die sind- sie befinden sich auf der Südtribüne im A Rang.
Wie haben geguckt, welche Bedarfe haben blinde und sehbehinderte Menschen im Stadion. Wir haben die Blinden- und Sehbehindertenreportage integriert, wir haben ein taktiles Leitsystem gebaut. Wir haben aber auch da unsere Experten befragt, wie das dann aussehen soll. Wie sieht überhaupt Barrierefreiheit für einen blinden und sehbehinderten Fan aus? Die Antworten sind die Ergebnisse auch aus einem gemeinsamen Austausch. Wie ist es bei gehörlosen Fans? Was benötigen sie? Wir haben dann relativ schnell Gebärdensprachdolmetscher gefunden, die uns ehrenamtlich am Spieltag unterstützen.
Das sind so die ersten Schritte gewesen, auch im Hinblick auf Barrierefreiheit. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Wissenstransfer, in Form von Schulungen. Ich habe ein Ordnerschulungskonzept geschrieben und die Ordner im Stadion geschult. Wir haben im Austausch gemerkt, dass ganz, ganz viel Unsicherheit herrschte. Das beispielsweise Fans im Rollstuhl nicht kontrolliert wurden, weil die Ordner sich gedacht haben, das ist gar nicht wichtig. Behinderte Menschen brauchen nicht kontrolliert werden. Was natürlich ein ganz, ganz großer Trugschluss ist. Oder sie wollten die Menschen im Rollstuhl nicht anfassen, weil sie gedacht haben, das ist mir jetzt alles zu suspekt. Jemanden anzufassen, der eine Halbseitenlähmung hat und damit eventuell einen hängenden Mundwinkel aufgrund eines Schlaganfalls hat. Da mussten wir am Anfang viele Wissenslücken schließen. Das geht erstmal nur über Schulungen. Es ist ein Ordnerschulungskonzept entstanden, was wir jetzt auch für unsere ehrenamtlichen Helfer, aber auch für unsere Mitarbeiter nutzen. Und wir haben die Kollegen in der 1. und 2. Bundesliga geschult, damit diese dann das Konzept in ihren jeweiligen Vereinen integrieren und auch dort schulen können. Das war ein Riesenprojekt, in Zusammenarbeit mit der HAW Hamburg und stützte sich auf einer wissenschaftlichen Studie. Das war sehr spannend zu sehen. Bis heute sehen wir, wie wichtig diese Schulungen waren. Es ist ein freundschaftliches Verhältnis zwischen den Fans und den Ordnern entstanden. Ich kenne die Ordner viel besser und von daher laufen viele Prozesse auch viel besser ab. Dadurch lernt man sich kennen, es entsteht ein größeres Netzwerk, und daraus sind ganz viele andere Projekte entstanden.
Wir haben auch andere Bedarfe identifizieren können. Ein weiteres großes Thema, gerade ganz aktuell, sind unsere Fans mit nicht sichtbaren Behinderungen.
Also Stichwort Epileptiker, Stichwort Autisten. Was gibt es da überhaupt für einen Bedarf? Was müssen wir tun, um auch diesen Fans den Zugang zu ermöglichen?
Das sind ja manchmal ganz kleine Sachen, die ganz leicht umzusetzen sind, die man bis dahin aber nicht so richtig im Kopf hatte. Hier zu sensibilisieren ist ganz wichtig, auch intern. Bei einer Umsetzung darf man sich nicht fragen, ob es sich lohnt, weil die Zielgruppe vermeintlich klein ist. Es ist wichtig alle Bedarfe zu erfüllen, auch wenn es nur für einen Fan ist, oder für Zwei. Es ist wichtig, alle Bedarfe zu erfüllen. Das ist Inklusion und da wollen wir letztendlich hin. Wie ich am Anfang schon gesagt habe, wir berücksichtigen nicht nur Menschen mit Behinderung. Auch Senioren kommen regelmäßig ins Stadion und haben andere Bedarfe. Wir haben für demenzerkrankte Menschen einen Erinnerungskoffer geschaffen. Wir gucken gerade, wie wir demenzerkrankte Menschen die Teilhabe im Stadion ermöglichen.
Wir haben Rollatoren-Abstellräume geschaffen, zwei weitere wichtige Punkte in diesem Kontext.
Carola: (32:33)
Mir ist dazu noch ein wichtiger Stichpunkt eingefallen, weil du es auch gerade gesagt hast Fanny. Man muss Inklusion auch wirklich als Haltung verstehen. Es betrifft alle Menschen, groß, klein, dick, dünn, schwarz, weiß, People of color, Behinderung, Nicht- Behinderung, Mann, Frau, divers usw. Aber was ich auch wichtig finde an der Stelle, ist auch das Bewusstsein zu wecken, das jeder 3. von uns mit spätestens 70 Jahren eine Behinderung hat. Und insofern macht man auch ein bisschen Fanpflege, glaube ich, wenn man die Fans begleitet, auch in Lebensphase, in denen dann auch Behinderungen entstehen. Die wenigsten Behinderungen sind von Geburt schon da, sondern werden erst im Laufe des Lebens erworben. Und auch diesbezüglich ist eine Sensibilität dafür wichtig, dass jeder Mensch in eine solche Situation kommen kann. Und eigentlich die Behinderung erst entsteht, wenn soziale Barrieren da sind. Wenn die Umstände nicht so sind, dass jeder Teilhabe erfährt, dann ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen so sind, dass alle Menschen Teilhabe erfahren können.
Und dann ist auch interessanter Weise niemand mehr behindert.
Fanny: (33:55)
Genau, das ist ja auch das Motto der „Aktion Mensch“. Man wird behindert durch verschiedenste Sachen, die einfach auch in unserer Umwelt passieren.
Lukas: (34:20)
Ja, Freddie, jetzt würden wir dich gerne einmal zu Wort kommen lassen.
Und zwar hast du neben dem Fakt benannt, dass du die HSV-Spiele im Volkspark aus Frankfurt besuchst. Die Reise ist oft ein Hindernis und du hast noch weitere Herausforderungen zu bewältigen…
Magst du vielleicht einmal erzählen, wie der Besuch von HSV-Spielen so aus deiner Perspektive ausschauen? Kannst du einfach mal so einen klassischen Spieltag wiedergeben?
Freddie: (34:58)
Das mache ich sehr gern. In der Tat stellt der Spieltag an sich für mich aufgrund meines körperlichen Handicaps, ich bin Rollstuhlfahrer von Geburt an, immer eine Herausforderung dar.
Bevor ich aber das tue, möchte ich tatsächlich auch nochmal dir, Lukas, Recht geben.
Ich fand die Ausführung, von dir, Carola, sehr eindrücklich und musste leider erschreckend selber feststellen, wie wenig man gerade auch über diesen Teilbereich in der Schule erfahren hat. Es wurde vielleicht mal gestriffen, aber nicht so ausführlich, wie du jetzt gerade den Abriss gegeben hast. Dementsprechend, ich glaube man kann einfach nur sagen, es ist wirklich Aufgabe in der Gesellschaft, dass wir wirklich nie mehr in diese Zeit zurückfallen dürfen. Dass glaube ich, ist ganz, ganz wichtig.
Ja, du hast es schon gesagt, ich bin Rollstuhlfahrer. Beziehungsweise - ich habe es gesagt. Deswegen spielt das Thema Inklusion für mich persönlich, eine große Rolle. Ein großer Teilbereich, in dem wir definitiv noch Verbesserung haben, ist die Mobilität. Die natürlich nicht für jedermann gleichermaßen und spontan so wie man möchte, nutzbar ist. Denn wenn ich ein HSV-Spiel besuche, dann mache ich das in der Regel natürlich so, dass ich auf die Bahn zurückgreife. Das stellt natürlich an die Planung genaue Herausforderungen. Bedeutet im Fernverkehr, dass man erstmal natürlich Kontakt mit der Deutschen Bahn aufnehmen muss. Man muss den Tag, an dem man reisen möchte, abstimmen. Genau die Uhrzeit und die Bahn muss dann wiederum prüfen, zum einen, ist in dem entsprechenden Waggon ein Behindertenplatz verfügbar und kann auch die Einstiegshilfe geleistet werden. In Deutschland ist das nun mal so, dass die ICEs natürlich nicht niveaugleich sind zum Bahnsteig, dementsprechend muss dann auch eine Einstiegshilfe gewährleistet werden. Da ist es nach meinen Erfahrungen, dass das nicht immer ganz reibungslos funktioniert. Dass die Hilfeleistung, zu dem Zeitpunkt, zu dem man dann auch gerne fahren möchte, nicht geleistet werden kann. Und dementsprechend, muss man ganz ehrlich sagen, scheidet dieses Verkehrsmittel in den meisten Fällen auch aus.
Am S-Bahnhof Stellingen hat man auch das ein oder andere Hindernisse zu überwinden. Weil auch die S-Bahn nicht immer niveaugleich zum Bahnsteig ist. Und natürlich sind die Bahnen, abhängig davon, wann man ankommt, auch relativ voll. Das macht es dann auch nicht immer einfacher. Positiv ist, dass ich bisher immer viel Hilfe und Rücksichtnahme haben. Es ist nicht alles negativ. Das klappt in der Regel auch schon sehr gut. Und klar - man hat dann immer noch diese Unsicherheit, ob alle Aufzüge funktionieren. Aber in der Regel klappt das schon sehr, sehr gut.
In Stellingen dann angekommen, ist es meistens so, dass man die Wahl hat, geht man durch den Volkspark zum Stadion, oder nimmt man den Shuttlebus. Eigentlich rolle ich den Weg dahin, weil ich noch gut mobil bin. Ich habe aber auch schon mal den Bus genommen. Auch das funktioniert eigentlich sehr, sehr gut. Das wird dann auch mit Ordnern entsprechend geregelt, dass man auch gleich einsteigen darf. Von daher, das funktioniert eigentlich auch positiv.
So sieht es aus. Also Fazit - als Rollstuhlfahrer bedarf es da schon einer besonderen Planung, wie man zum Spiel kommt, aber in der Regel habe ich es dann auch immer geschafft. Ich persönlich habe auch noch, Gottes Dank, die Möglichkeit, dass ich auch mein eigenes Auto fahren kann und dann direkt bis zum Stadion vorfahre.
Andrè versucht eine Frage zu stellen..
Lukas: (40:05)
Andre, man hört dich leider nicht. Du musst einmal dein Micro runterklappen. Oder vielleicht ohne Headset weitermachen.
Andrè: (40:06)
Könnt ihr mich jetzt hören? Okay, der Podcast aus der Mitte des Lebens mit dementsprechend technischen Schwierigkeiten.
Freddie, du hast gesagt, seit 2004 fährst du zum HSV. Mich würde interessieren, wenn du jetzt diesen Zeitstrahl betrachtest, von deinem ersten Besuch im Volkspark und heutzutage. Hol uns mal in die Zeit 2004. Wie war es da so für dich zum Fussball zu gehen? Was sind die prägnanten Unterschiede, die du jetzt so wahrnimmst?
Freddie (40:14)
Also- aus 2004 kann ich ehrlich gar nicht so viel berichten, wie es da beispielsweise mit Bahnfahrten war, weil ich da in der Regel schon vor Ort war. Wie gesagt, wir haben dort meistens die Ferien verbracht.
Ich kann nur allgemein ein bisschen was sagen. Carola hat es ja auch schon ein bisschen angerissen. Ich würde schon aus meiner Sicht sagen, dass sich mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention 2009, die Situation in vielen Bereichen, gegenüber früher, verbessert hat. Wenn ich daran denke, wenn man zum Beispiel im Nahverkehr mit dem Bus fahren wollte, war das meistens kein Niederflurbus. Sondern, das war dann meistens ein Bus mit einer Stufe. Heute kommen flächendeckend Niederflurbusse zum Einsatz. Das ist ein Punkt, wo ich sage, das hat sich gegenüber früher verbessert.
Das man da seit der Behindertenrechtskonvention 2009 zumindest auf solche Dinge mehr achtet. Nichtsdestotrotz bleiben aus meiner Sicht immer noch Baustellen.
Inklusion heißt ja, dass man am Leben teilhaben kann und diese Bedingungen sind heute immer noch nicht flächendeckend gegeben. Es ist immer noch so, dass man viel mit Stufen zu Gebäuden zu kämpfen hat, gerade im privaten Bereich. Im öffentlichen Sektor ist es besser geworden aus meiner Sicht. Aber im privaten Bereich ist es häufig so, dass man auf Barrieren trifft. Insgesamt, es ist besser geworden, aber es bleibt definitiv noch viel zu tun.
Carola: (43:34)
Ich will vielleicht auch nochmal den Blick darauf werfen, zu dem was Fanny gerade gesagt. Dass wir auch einfach vorsichtig sein müssen, jetzt auch nicht noch die Gruppe der Menschen mit Behinderung in so A und B Hörnchen einzuteilen. Viele Menschen sind inzwischen kommod mit dem Begriff Inklusion und sagen: „Ja, es ist wichtig eine Rampe zu haben“, und „Ja, es ist total wichtig, dass eine Übersetzung in Gebärde stattfindet“. Aber Fanny hat eben darauf hingewiesen, das fand ich ganz toll, dass wir auch viele Dinge haben, die unsichtbar sind und dass es eine große Gruppe gibt, mit schweren psychischen Erkrankungen, mit schweren geistigen Behinderungen, mit starken Wahrnehmungsstörungen, mit Epilepsie und, und, und die unsichtbar sind.
Die haben auch innerhalb der Inklusionsdebatte noch nicht so die Lobby.
Da möchte ich nochmal auf die Geschichte zurückkommen und erklären, warum das so ist. Menschen mit Behinderungen, sind ja auf Grund von Behinderung oft wenig politisch engagiert gewesen. Diese Bewegung von Menschen mit Behinderung, ist ja oft von Menschen mit körperlicher Behinderung ausgegangen, die Vorreiter gewesen sind. Dann gab es z.B. diese große Contergan-Bewegung. Bis heute haben wir tatsächlich das Problem, das es große Gruppen gibt, die in irgendeiner Weise gehandicapt sind, die sich eben nicht organisieren können. Und ich glaube, da können Sportvereine, wie der HSV total gut ansetzen. Weil sie als Breitensportverein und auch Leuchtturm, wie soll ich sagen, mit gutem Beispiel voran gehen können.
Gerade für Menschen, die sich selber nicht organisieren können, die keine Lobby aus sich selbst herausschaffen können, weil ihr Handicap sie vielleicht genau daran behindert. Da können solche großen Vereine, gerade wie der HSV in Hamburg eine Menge tun, glaube ich.
Fanny: (45:55)
Ich kann da ja vielleicht nochmal einfügen…ganz wichtig oder auch ganz spannend in dem Kontext finde ich die Diskussion, wo Behinderung überhaupt erst anfängt.
Ist jemand, der Diabetes hat, schon behindert. Ist jemand behindert, wenn man es sieht?
Das sind auch die Diskussionen, die man in den Schulungen erlebt. Und im Austausch, gerade auch mit den Ordnern. Es gibt ganz unterschiedliche Ansätze, auch international.
Man macht sich Gedanken darüber, wie man überhaupt vorgeht.
Während man in einigen Clubs in England sagt, dass Menschen mit einer nicht-sichtbaren Behinderung z.B. mit einer Sonnenblume markiert werden. Das ist in Deutschland nicht so. Wir sind der Meinung, dass wir bei allen Fans davon ausgehen sollten, dass eine Behinderung vorliegt, egal welche.
Wir schulen alle Ordner, nicht nur die, die in den sensiblen Bereichen arbeiten, sondern alle Ordner. Weil es in allen Bereichen des Stadions Menschen gibt, die eine Behinderung haben. Weil man nicht sagen, das hier ist beispielsweise die Rollstuhlrampe, nur hier kommen Fans mit einer Behinderung entlang. Man muss per se davon ausgehen, dass es in allen Bereichen so ist.
Um eine Sensibilität dafür zu entwickeln, ist es wichtig, dass keine Markierung stattfindet.
Lukas, Du fragtest auch gerade, was 2004 der Unterschied zu heute war. Ich glaube, dass kann man sehr gut an der WM 2006 festmachen. Diese fand ja in Deutschland, unter Anderem eben auch in unserem Stadion statt. 2006 waren ganz andere Voraussetzungen notwendig. Wenn wir uns unser Stadion angucken, sind wir baulich, wie Frederik ja auch gerade sagte, längst nicht barrierefrei Das hat aber 2006 vollkommen ausgereicht. Wenn wir uns jetzt die EM 2024 angucken… da stehen ganz andere Themen auf der Agenda, denen wir uns widmen müssen.
Zum Beispiel, der Umbau der Rollstuhlplätze. Was ich da total spannend und wichtig finde, ist auch, dass Rollstuhlfahrer nicht nur auf einen Bereich fokussiert werden, sondern dass sie zukünftig können, in welchen Bereichen des Stadions sie sitzen können. Jetzt ist es so, dass sie nur im Süd A Rang sitzen. In 2 Jahren soll der Rollstuhlfahrer wählen dürfen, in welchem Bereich ist sitzen möchte, ob VIP Bereich, ob Nordtribüne.
Das ist natürlich mit einem erheblichen Umbau verbunden, von der Zuwegung bis hin zu den Essens- und Getränkeständen. Aber letztendlich ist es ja genau das, wo wir hinwollen, nämlich eine Wahlmöglichkeit für alle.
Auch den Service der leichten Sprache, die digitale Barrierefreiheit - das waren Themen, die 2006 überhaupt gar keine Rolle spielten.
Wir wurden im Themengebiet der Leichten Sprache geschult. Bei uns gibt es einen wöchentlichen Newsletter in der Leichter Sprache. Ein Themengebiet, das gerade sehr präsent ist.
Andre: (49:23)
Ich hänge gerade gedanklich an dem total interessanten, wenn auch für mich sehr belastenden, Exkurs, den Carola uns vorhin geliefert hat. Was mir dabei auch nochmal klar wurde, ist, wie wenig ich auch tatsächlich über diesen Bereich weiß. Freddie, du hattest das ja auch gesagt, dass in der Schule das Thema nicht angegangen wird. Auf jeden Fall in meiner Schulzeit kann ich das so bestätigen. Natürlich wurde das Thema NS behandelt, aber dieser Bereich irgendwie gar nicht. Und mir lief es an der einen oder anderen Stelle, das ging euch sicherlich ähnlich, so richtig kalt den Rücken runter. Da hänge ich noch gedanklich in diesem Bericht und da ist so eine Frage entstanden.
Carola, da wir dich schon mal als Expertin hier haben, vielleicht kannst du mir darauf antworten. Es ist vielleicht auch eine total naive Frage, aber ich stelle gerade auch fest, wie wenig ich über dieses Thema weiß. Mich würde interessieren, auch wenn das gerade nicht stringent in unsere Dramaturgie und einmal kurz weg vom HSV und der heutigen Zeit ist, noch einmal zurück in die Jahre 1940/41.
Gab es irgendeinen Plan, oder wie soll ich sagen, ein Handlungsleitfaden der Nazis, wie man mit Menschen, die eine erworbene Behinderung haben umzugehen ist? Wie beispielsweise Kriegsversehrte, oder, oder… wurden da Unterschiede gemacht?
Ging es da primär um Behinderungen von Geburt an, gab es da Unterschiede?
Das würde mich mal interessieren, wie da die Grenzen gezogen wurden, oder ob man durch Unfälle oder Kriegsverkehrtheit in den Fokus geraten konnte.
Carola: (52:01)
Ja, ich glaube das ist auch ganz wichtig, weil man so ein bisschen verstehen will, warum wir die Haltung haben, die wir haben in unserer modernen Leistungsgesellschaft.
Wir sind in dieser modernen Leistungsgesellschaft, deswegen haben Gesundheit, Körper, Wellness, Erholung, Rehabilitation so einen hohen Stellenwert. Und wir sind auch noch nicht ganz weg von der NS-Zeit an dieser Stelle, das klingt jetzt sehr hart.
Beispielsweise bezahlen Krankenkassen Rehamassnahmen nur dann, wenn durch eine Rehamassnahme die Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt werden kann. Das ist im Grunde genommen das Hauptkriterium.
Bei den Kindern und Jugendlichen, die man für die Tötung selektiert hat, war weniger entscheidend, ob die Behinderung perinatal, also während der Geburt, oder pränatal, also vor der Geburt angelegt oder postnatal entstanden ist. Etwa durch eine Hirnhautentzündung. Das spielte keine Rolle. Sondern was wesentlich war, ob dieses Kind irgendwann schulfähig und erziehungsfähig ist. Das war das Selektionskriterium bei den Kindern und Jugendlichen. Bei den Erwachsenen genauso, da hat man nicht unterschieden zwischen einer erworbenen oder einer angeborenen Behinderung. Sondern da war das Hauptkriterium die Frage der Arbeitsfähigkeit, der Leistungsfähigkeit, der Nützlichkeit. Das heißt, wir haben dort Menschen, die in Folge einer Syphilis im Laufe ihres Lebens eine Hirnerkrankung bekommen haben. Sie waren mit Mitte 40 nicht mehr arbeitsfähig und wurden dann in die Gaskammer verlegt.
Wir haben den 14-jährigen, der als Jugendlicher eine Arbeitserprobung machen musste. In einer Anstalt, in der gecheckt wurde, ob er in der Lage ist, einen Beruf zu lernen. In der Anstalt gab es eine Schusterwerkstatt und man stellte fest, dass er das nicht hinkriegt. Dann wurde er bei der Feldarbeit eingesetzt, also in der Landwirtschaft. Auch da war es grenzwertig. Er brauchte viel Anleitung, war nicht ordentlich, arbeitete nicht fleißig genug mit. Versuchte auch ab und zu mal abzuhauen und schwuppdiwupp war dieser Patient unbequem und kam halt für die Tötung in Frage.
Und bei den kleinen Kindern ging es wirklich um Schulfähigkeit. Also Kinder, die als erziehungs- und schulfähig galten, die hatten noch eine Chance zu überleben. Sie sind dann verlegt worden in die Stiftung Eben-Ezer nach Lemgo von Lüneburg aus. In Lüneburg gab es eine Kinderfachabteilung, dort wurden eben Kinder und Jugendliche konzentriert. Eine von 31 Kinderfachabteilungen auf dem Gebiet des deutschen Reiches.
Da gab es die Überlebenschance eigentlich nur, wenn es die Möglichkeit gab, auf eine Hilfsschule gehen zu können. Die Kinder, die man diese Entwicklung nicht zugestanden hatte, die sind dann für die Tötung in Frage gekommen.
Und gerade bei den Kriegsversehrten, das ist ein ganz wichtiger Punkt, da entfachte dann auch die Diskussion innerhalb der Gesellschaft, was mit den Soldaten passieren muss, die von der Front versehrt nach Hause kamen. Sind das die Nächsten, die sterben müssen? Und diese Diskussion hat dann 1941 zumindest dazu geführt, das man ab dem Zeitpunkt das Töten nur noch geheim fortführte und diese Aktion und T4 stoppte. Aber de facto ist das Töten ja weiter gegangen, mit Medikamenten und mit Verhungerung.
(55:35) Probleme in der Tonübertragung
Man hat klar Diagnosen definiert. Und die wenigsten wissen es, dass es auch ein Gesundheitsgericht gegeben hat. Dieses Gesundheitsgericht hat darüber entschieden, ob man sterilisiert wird oder nicht. Da gab es einen ganz klaren Kriterienkatalog. Wenn man depressiv war, wenn man eine Epilepsie hatte, alkoholkrank war usw. kam man dafür in Frage.
(56:05) Probleme in der Tonübertragung
Das heißt, wenn die Schwester Epilepsie hatte, oder der Vater alkoholkrank war, kam man trotzdem für die Sterilisation in Frage, auch wenn man selber gar nicht der Betroffene war.
So, das ist so tief drin, dieses Beurteilen, wie wertvoll ein Mensch ist. Oder die Bewertung eines Menschen nach Leistung, sei es in der Schule, sei es im Berufsleben. Das ist so tief drin, dass es bis heute noch nicht raus aus den Köpfen ist. Und wir haben ja auch diese moderne Leistungsgesellschaft. Und die steht dann manchmal im Konflikt mit Inklusion. Da Brücken zu bauen und festzustellen, dass es nicht im Konflikt steht, sondern alle Menschen einen Wert haben und es diese Bewertung nicht gibt. Wir gehen davon aus, dass alle Menschen grundsätzlich eine Behinderung haben, und deswegen schulen wir unser Personal so, dass alle Fans, die da sind, gleichbehandelt werden.
Und das ist eine Riesenaufgabe, finde ich. Sie reibt sich an historisch gewachsenen Strukturen und viele Dinge, die im Alltag strukturiert sind. Ob der Bus absenkbar ist, wie groß die Schrift ist auf einer Fahrkarte, ob die Farbe schwarz aus weiß ist oder grau auf rosa. All diese Dinge des Alltages, unsere ganze Umgebung, unsere ganze Welt ist historisch geprägt, unsere gesamte Struktur.
Es braucht eben auch Kraft und Anstrengung, um diese Strukturen zu verändern. Ich finde toll, dass es solche Aktivitäten gibt, und die braucht es. Man muss sich dessen bewusst sein und darüber stolpern. Und wie es gerade gesagt wurde, wie du Fanny und du Frederic, wie ihr beiden gesagt habt, dass es noch 2004/2006 ein ganz anderes Bewusstsein gab als jetzt, 2024. Da hatte man ganz andere Dinge im Blick. Das ist, glaube ich, auch ganz wichtig, dass man jetzt Dinge sieht und wahrnimmt, die man vor 15 Jahren noch gar nicht gecheckt hat.
Andre: (58:22)
Vielen Dank, Carola.
Ich bringe mal so ein bisschen die Uhrzeit in den Fokus. Wir sind ja schon jetzt über eine Stunde gefühlt, für mich aber gefühlt deutlich weniger, am Sprechen.
Ich glaube wir können so langsam auch dem Ende dieser Podcastfolge entgegen steuern.
Lukas, hast du noch abschließende Fragen aus unserem Katalog?
Lukas: (59:00)
Also mein dramaturgisch letzter Punkt war eigentlich einmal zu zensieren, wo stehen wir heute, beim Thema Inklusion. Und gleichermaßen auch den Blick Richtung Zukunft zu werfen, wo wollen und wo müssen wir hin - einerseits beim HSV und grundsätzlich auch in der Gesellschaft. Da haben wir ja auch schon einige Worte drüber verloren, aber vielleicht finden wir da nochmal die passenden Schlussworte.
Fanny, du hattest eben schon gesagt, das eigentlich Kommunikation, der Schlüssel des Ganzen ist, um mit den betroffenen Gruppen zu sprechen im Dialog, um Angebote zu schaffen, um eben auch die Bedarfe abzufragen.
Ich glaube, dass ist auch eine der großen Aufgaben, der wir uns stellen müssen und wo wir auch als HSV gesellschaftlich vorweg gehen können. Wir können nun mal viele Leute bewegen und viele Leute erreichen.
Das war mir auch noch wichtig, dass wir so einen Appell an unsere Hörerinnen und Hörer richten und einmal auch dieses Bewusstsein wecken, das wir alle Menschen gleichermaßen abholen möchten.
Fanny: (01:00:30)
Ja, finde ich genau richtig was du sagst. Und wie Freddie auch gerade beschrieben hat, wie so sein Spieltag aussieht oder auch sein Auswärtsspielbesuch. Ich finde das sehr beeindruckend und ich glaube, wir sollten uns darüber bewusst sein, mit welchen Strapazen das auch verbunden ist und dankbar auch dafür sein, dass uns so viele Fans unterstützen. Nicht nur in Hamburg. Wir haben immer und überall volle Hütte - wenn es dann möglich ist.
Ich nehme beispielsweise die Bestellungen der Rollstuhlfahrer für Auswärtsspiele auf. Diese Liste ist oftmals lang. Unabhängig davon ob wir in Sandhausen, oder Regensburg oder wo auch immer spielen. Die Leute haben einfach Bock auf uns, auf den HSV, egal welche Behinderung sie haben. Das finde ich sehr wertvoll und von daher macht es so viel Sinn, dafür zukünftig noch viel mehr zu tun. Nicht nur bei uns beim HSV, sondern auch vereinsübergreifend, im Austausch mit den Kollegen. Wir müssen uns gemeinsam überlegen, wie man noch bessere Strukturen und einen noch besseren Austausch schaffen kann, um die Unterstützung, die wir von unseren Fans haben, weiterhin auch zu fördern.
Lukas: (01:01:49)
Genau, das ist, glaube ich, auch noch ein ganz wichtiger Punkt. Es jonglieren ja alle Vereine mit dem Wort Diversität. Ich habe auch meine Erfahrungen, seit ich im Bereich Fankultur tätig bin, ein paar sehr wertvolle Momente mit HSV Fans genießen dürfen und kann dazu nur sagen, dass es einen total krassen Mehrwert liefert- für alle Beteiligten, wenn man divers ist. Und mich beeindruckt das auch jedes Mal. Für viele ist es auch total suspekt, das zu jedem HSV-Spiel blinde Menschen ins Stadion kommen, die das Spiel vielleicht nicht so mitverfolgen können, wie wir das tun. Nur um nochmal einen Teilbereich hervorzuheben. Mich berührt das total und ich würde mir wünschen, dass wir uns in dieser Hinsicht auch zukünftig noch immer weiter entwickeln und den Prozess fortsetzen.
Ich glaube, Carola, gerne du noch.
Carola: (01:03:10)
Vielleicht auch da nochmal die große Linie gezogen. Wir sind ja auch erst 80 Jahre davon weg, von 1941/42 und haben in den 80iger Jahren schon ganz viel in die andere Richtung lenken können.
Der HSV, finde ich, kann sich da auch sehr, sehr gut positionieren und eine breite Gruppe von diversen Menschen ansprechen, einfach auch zuhören und Anregungen aufnehmen und offen sein. Ich glaube, dass gerade dieser Erfahrungsaustausch mit Menschen, die eine Behinderung haben und denen etwas auffällt, da ein Forum zu bieten und diese Dinge nicht einfach zu hören, sondern auch sich zu eigen machen und Dinge zu verändern und eine Bereitschaft mitzubringen ist eine Grundvoraussetzung für eine gute Zukunft und eine weitere Entwicklung.
Ich bin eigentlich ganz zuversichtlich, dass wir in den nächsten 80 Jahren wieder ganz woanders stehen werden. Und vielleicht werden unsere Nachfahren dann auf uns gucken und sagen: „Wow, was hatten die damals in ihrem Podcast für Überlegungen gehabt, was heute schon selbstverständlich ist“.
Lukas: (01:04:28)
Freddie, du wolltest noch was sagen.
Freddie:
Ja, auch nochmal abschließend zu dem Thema Inklusion. Zum Einem nochmal auf das allgemeine Gesellschaftliche bezogen. Ich glaube was wichtig ist, zumindest fühle ich es so, ist das Thema in der Gesellschaft auf jeden Fall verankert. Ich fühle mich nicht behindert, weil ich diese Behinderung habe, sondern weil ich eben auf Rahmenbedingungen treffe, die dazu führen, das sich behindert werde. Und das höre ich auch immer wieder aus Gesprächen mit Anderen heraus. Wir wollen kein Mitleid, wir wollen nur die gleichen Rahmenbedingungen haben. Wir wollen, dass Barrieren abgebaut werden, dass es selbstverständlich ist eine Regelschule zu besuchen. Dass man dadurch auch bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat. Ich kann für mich nur sagen, ich hatte damals viel Glück. Bedingt dadurch, dass meine Eltern mich sehr gefördert haben, aber auch dass ich an der einen oder anderen Stelle auf sehr verständnisvolle Leute getroffen bin. Und dem entsprechend habe ich mich so entwickelt, wie ich mich entwickelt habe. Ich habe einen Beruf und kann davon leben. Ich glaube aber, viele haben eben diese Möglichkeiten nicht.
Ich glaube, das ist so gesellschaftlich die Herausforderung. Zum einen, dass der Besuch einer Regelschule normaler wird und das natürlich der erste Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung geöffnet wird.
Und auf den HSV bezogen - ich glaube es hat sich sehr, sehr viel getan. Dass das Thema dem HSV sehr wichtig ist, sieht man schon allein an der Rolle von Fanny.
Sicherlich kann man noch vieles finden, was man verbessern kann. Von daher-wenn ich mir was wünschen dürfte: In der Tat, dass irgendwann vielleicht mal möglich wäre, als Rollstuhlfahrer auch mal ein Spiel von der Nordtribüne aus zu besuchen. Ich glaube, dass wäre für mich persönlich der allergrößte Traum - fußballtechnisch bezogen.
Aber wie gesagt, ich glaube das Thema steht beim HSV im Mittelpunkt. Baulich gibt es definitiv Dinge, die man verbessern muss. Aber ich glaube, da hat sich auch schon sehr viel zum Positiven entwickelt. Und in der Tat, ich glaube der HSV kann als großer Sportverein, als großer Fußballverein dann auch hier seine Rolle nutzen, um auf dieses Thema weiter aufmerksam zu machen.
Andre: (01:07:21)
Ja, vielen Dank Freddie.
Ich kann für mich auf jeden Fall sagen, dass ich heute auch ganz neue Perspektiven dazu mitbekommen habe.
Fanny, auch dir vielen Dank, dass du aus deinem Bereich, obwohl wir ja eigentlich so eng zusammenarbeiten, dass ich heute trotzdem wieder was Neues erfahren durfte. Auch gerade was die Perspektive und den Blick auf Menschen mit Behinderungen angeht, da sind heute tatsächlich ein paar neue Perspektiven dazu gekommen. Vielen Dank.
Und auch Carola, vielen Dank, dass du uns an deinem reichhaltigen Wissen historisch, aktuell hast teilhaben lassen. Und vielleicht können wir mit diesem kleinen Nischenpodcast, bei dem Einen, der Einen oder Anderen ja auch eine kleine Perspektive auf den Weg mitgeben. Dann haben wir ja vielleicht ein bisschen was geschafft.
Lukas: (01:08:35)
Das klingt sehr gut und dann würde ich jetzt noch unsere Gäste verabschieden.
Die Podcastfolge ist hiermit quasi beenden. Vielleicht noch mit dem Wunsch, dass wir dann hoffentlich in nicht allzu weiter Ferne auch mal gemeinsam ein HSV Heimspiel besuchen können. Konkret an dich Carola - wird ja mal wieder Zeit offensichtlich.
Freddie - du bist ja sowieso regelmäßiger Gast. Da sollten wir vielleicht mal einen Termin ausfindig machen, wo wir alle gemeinsam ein Spiel verfolgen können. Das würde mich auf jeden Fall sehr freuen.
Freddie: (01:08:43)
Das machen wir. Vielen Dank für die Einladung.
Carola: (01:08:44)
Vielen Dank, sehr gerne. Ihr seid auch herzlich eingeladen, zu mir zu Besuch zu kommen, in die Gedenkstätte.
Andrè: (01:08:49)
Als frischgebackener Derbysieger. (Anmerk. hat geklappt) Ich hänge mich mal weit aus dem Fenster. Wenn der Podcast nächste Woche ausgespielt wird, dann wird es so sein.
Freddie: (01:08:51)
Wollen wir es hoffen.
Andre: (01:08:52)
Dann wünsche ich euch einen schönen Restabend, und danke das ihr dabei wart.